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Rotlicht

Wer erkältet ist, sich also nicht recht wohl fühlt, wer keine Luft mehr bekommt, weil die Atemwege verstopft sind, sollte sich vor das Rotlicht setzen. Vielleicht geht es ihm dann bald besser. Das rote Licht kann Wunder wirken. Ob es das in Berlin auch tut? Ob eine rot-rot-grüne Koalition der Stadt hilft, mit jenen Problemen fertig zu werden, die sie schon immer hat, das weiß keiner. Denn es könnte auch sein, dass diese Art von Rotlichtmilieu den Berliner Sumpf verbreitert oder gar vertieft. Interessant ist für den Betrachter aus der Ferne, wie ein politisches Paradoxon Gestalt annimmt. Jene, die den Rechtsalternativen ihre Stimme geben, erreichen just das Gegenteil von dem, was sie wollen: es soll ein Ende mit dem „Zustrom“ von Fremden haben, es soll eine neue deutsche Zeit anfangen. Man soll endlich wieder heimatlich tümeln dürfen, die Messdiener sollen keine doppelte Staatsangehörigkeit haben, die Rechtschreibung wieder in den Stand von 1906 gesetzt werden, Dativ und Genitiv endlich wieder aufleben, die kanakische Sprache verschwinden. Kurzum: Eine bessere, weil am Früheren sich orientierende Zeit soll kommen. Aber was kommt stattdessen? Was erreichen die Aefde-Wähler: rot-rot-grün, also eine Koalition mit einer Politik, die dem rechtskonservativen Lager so was von gegen den Strich geht. Ja, die Politik hat schon ihren eigenen satirischen Reiz.

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Thierse und der Humor

Sie sollte lustig sein, Thierses Schwabenschelte. Sie war es aber nicht oder der subtile Humor des gebürtigen Breslauer wurde irgendwie missverstanden. Denn die so lustig Angegriffenen reagierten nicht mit Lachen, sondern empört. Was Thierse ihnen vorwirft ist mangelnde Integration. Schwaben haben gefälligst wie Berliner zu werden und statt von „Wecken“ von „Schrippen“ zu sprechen sowie die saudumme Kehrwoche zu vergessen.

Nun ist dazu schon einiges Kluge gesagt worden, aber der Hinweis auf die süddeutschen Zahlungen in den Länderausgleich kann nicht wirklich befrieden, denn schließlich haben die Berliner einen Rechtsanspruch auf dieses Geld. Der linguistische Einwand – es heiße hier nicht „Wecken“, sondern „Weckle“ (Stuttgarter Zeitung) oder „Brötchen“ oder wie auch immer – verfängt auch nicht, weil sie der Vielfalt des Angebots hiesiger Bäcker nicht gerecht wird.

Zur Kehrwoche sage ich lieber nichts. Als gelegentlicher Besucher der Hauptstadt kann ich ihr keine übertriebene Sauberkeit attestieren. Aber das ist ja ein Zeichen ihrer Buntheit und damit ihres Charmes.

Geradezu erheitert hat mich Thierses Einlassung, der Berliner habe Humor, der Schwabe (wen meint er eigentlich damit – die Augsburger, die Oberschwaben?) keinen. Wie bitte? Ich finde Berlin toll, anregend, aufregend, beeindruckend, aber Humor oder Heiterkeit habe ich dort kaum gefunden, allenfalls ätzendes Kritisieren oder muffige Unhöflichkeit. Wie Thierse halt. Kleiner Tipp für ihn: Lesen Sie mal mal Jakob Heins „Gebrauchsanweisung für Berlin“.

Was mich sehr beruhigt: Thierse lässt den in Berlin lebenden Türken mehr kulturellen Freiraum als jenen, die er „Schwaben“ nennt. Oder hat er nur nicht den Mut, sich mit denen anzulegen?

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Armselig

Berlin ist reich an aufwändig restaurierten Bauwerken. Der Bereich um den Gendarmenmarkt zum Beispiel beeindruckt den Touristen aus dem Südwesten der Republik mit seiner Pracht. Wenn er vor dem Französischen Dom steht, spürt der Republikaner die Macht einer anderen Epoche, als Könige und Kaiser noch das Sagen hatten.

In besagtem prächtigem Dom, einer Schenkung an die protestantische Gemeinde in Berlin, ist seit 1935 ein kleines Museum untergebracht, das die Geschichte der Hugenotten in Preußen dokumentiert. Die waren vor Jahrhunderten als Migranten ins Land gekommen, weil Frankreich nichts mit ihrem protestantischen Glauben anfangen konnte und sie blutig verfolgte.

In Preußen (und auch in Württemberg) waren sie willkommen. Ihre Integration gelang; sie halfen dem Land mit ihrer Intelligenz und ihrem calvinistischen Arbeitsethos auf die Beine. Bedeutende Menschen kamen aus ihren Reihen: der Kupferstecher Chodowiecki, der Schriftsteller Fontane und der Verleger Reclam, um nur ein paar Namen zu nennen.

Das alles findet man im Hugenottenmuseum dokumentiert – aber wie? Der Putz an den Wänden bröckelt, Schimmel breitet sich aus, die Exponate vergammeln. Trauriges Beispiel ist eine Harfe, deren Saiten gerissen sind und die wegen fehlender Mittel nicht restauriert werden kann.

Was für ein Kontrast: außen die prächtige Fassade und innen das armselige Museum. Ein Beispiel gelungener Integration könnte hier gezeigt werden, aber keiner will dafür ein paar Euro herausrücken. Offenbar gibt es Wichtigeres. Schade.

(Blog-Eintrag Nr. 223)