Kategorien
Politik

Verdummendes Deutschland

Deutschland verdummt – der Titel dieses 2019 erschienenen Buches von Michael Winterhoff soll provozieren und zum Widerspruch anregen. Winterhoff ist Kinder- und Jugendpsychiater, schaut also aus der Distanz des Bildungslaien auf die schulische Entwicklung der letzten 20 Jahre. Sie sei katastrophal verlaufen, stellt er fest. Ein wachsender Teil der Kinder und Jugendlichen habe in den Schulleistungen stark nachgelassen. Er führt das auf die Zunahme des „offenen Unterrichts“ zurück; der überlasse es Kindern, was und wie sie lernen wollten. Die Lehrer seien zu „Lernbegleitern“ geschrumpft, sie zögen sich aus der Verantwortung zurück. Eine didaktische Fehlentscheidung, meint Winterhoff: Kleine Kinder seien noch nicht in der Lage, ihren Lernweg selbst verantwortungsvoll zu bestimmen. Diese Aufgabe komme den Erwachsenen, den Eltern, Erziehern und den Lehrenden, zu. Sie hätten die Aufgabe, den ihnen Anvertrauten den Weg ins Leben zu weisen. Aber nicht das Nachlassen der Schulleistungen sei das größte Problem, sondern die Unreife der Kinder und Jugendlichen. Um zu einer Persönlichkeit zu werden, müssten sie an Aufgaben, Anforderungen und Herausforderungen wachsen. Wenn man ihnen alle Steine aus dem Weg räume, blieben sie Kleinkinder, die später unfähig sind, sich in der Welt zurechtzufinden. Der Fehler der Schule: Wenn es schon dem Elternhaus nicht gelinge, die Kinder zur Reife zu bringen, dann hätten Kita und Schule die Pflicht, das nachzuholen. Die aber versagten ebenfalls. Dort werde nicht gefordert, sondern so getan, als wären die Kleinen erwachsen und wüssten selbst am besten, was sie zu tun hätten. Das aber sei grundfalsch. Mit freiwilligen Lernangeboten lerne man nichts, sondern gehe den Weg des geringsten Widerstands. Ohne Orientierung sind die Kinder verloren.

Kategorien
Politik

Tatsächliche Verbesserung

Manchmal sagt ein Satz mehr, als seine Verfasser damit kundtun wollten. Der folgende stand im letzten Newsletter der baden-württembergischen Landesregierung. Darin ist zu lesen von zwei neuen Instituten (ZSL und IBBW), die in Sachen Bildung etwas bringen sollen, nämlich eine Verbesserung. Hier besagter Satz: Ziel ist eine tatsächliche Verbesserung der Schul- und Unterrichtsqualität – auf wissenschaftlicher Grundlage und fokussiert auf die Unterrichtsqualität. Häckerling fällt an dieser Aussage auf, dass sich das Land Baden-Württemberg nicht mit einer bloßen Verbesserung des Bildungssystems zufrieden geben will, sondern diese Verbesserung eine „tatsächliche“ sein soll. Heißt das, man will sich gegen nur fiktive Verbesserungen abgrenzen, solchen, die nur angekündigt, aber nicht realisiert werden? Auffällig ist auch die Betonung der wissenschaftlichen Grundlage dieser Verbesserung. Man möchte offenbar nicht der pädagogischen Dampfplauderei folgen, sondern der Wissenschaft. Leider sind sich Wissenschaftler selten einig; es wird daher nicht einfach sein, von ihnen eine „Grundlage“ zu bekommen. Der Streit darüber, was die richtige Grundlage sein soll, könnte sich hinziehen. Der Satz findet seinen Höhepunkt im metaphorisch gebrauchten Partizip „fokussiert“. Was heißt das? Um es mit einer anderen Metapher zu sagen: Der Schwerpunkt der Verbesserung der Unterrichtsqualität, von der im ersten Teil des Satzes die Rede ist, soll auf der Unterrichtsqualität liegen. Eine wenig überraschende Feststellung. In der Rhetorik würde man von einer Tautologie sprechen. Wir kennen sie vom weißen Schimmel und vom schwarzen Rappen. Hier ist die Tautologie aber noch tautologischer: Der Schwerpunkt liegt auf dem Schwerpunkt. Häckerling ergänzt: Die Qualität liegt in der Qualität. Was ist aus diesem Satz zu folgern? Der Schwerpunkt der baden-württembergischen Bildungspolitik sollte auf der Qualität ihrer sprachlichen Vermittlung liegen.

Kategorien
Politik

Sächsische Bildung

Mit einiger Zerknirschung müssen wir Baden-Württemberger alle paar Jahre zur Kenntnis nehmen, dass Sachsen in den schulischen Bestenlisten vor uns liegt. Man fragt sich dann, woran es wohl liegen mag. An der nationalistischen Begeisterung der sächsischen Bevölkerung? In der Tat, wir können hier nicht mithalten, wir haben keine Pegida und auch die Stärke der AfD kann mit der im Freistaat Sachsen nicht Schritt halten. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Gestern hat der Innenminister des Landes Sachsen vor der Presse seine politischen Grundkenntnisse verkündet. Er hat sinngemäß verlauten lassen, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, dass es ein Recht auf Demonstration gibt und dass die Polizei auch zum Schutz der Pressefreiheit da sei. Wie gut, dass der Mann das alles weiß, dass es sogar offenbar in seiner Regierung nicht unbekannt ist. Trotzdem wagt Häckerling die Behauptung, dass ein PISA-Vergleich zwischen Sachsen und Baden-Württemberg in Sachen politischer Bildung kleine Vorteile von uns Südstaatlern offenbaren würde. Aber danach fragen die Bildungsforscher leider nicht.