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Ratlose Gewählte

Wie heißt das doch: Der Wähler hat gesprochen. Neuerdings müsste man schreiben und sprechen: Die Wähler*innen haben gesprochen. Aber was haben sie verlauten lassen? Die Stuttgarter Zeitung überschreibt den Leitartikel mit dem Hinweis, die Kellner wählten sich nun den Koch. Ein unglücklicher Griff ins Metaphern-Klo, auch wenn darin auf Gerhard Schröder angespielt, der einst verkündet hat, der Gewinner solle sich als Koch seine/n Kellner suchen. Er war damals allerdings ein Drei-Sterne-Koch und die Grünen erst im Werden. Nun aber haben die „Kellner“ zusammen mehr Stimmen als ihr Zwei-Sterne-Koch, mag er nun Laschet oder Scholz heißen. Wir von der Wählerschar fragen sich nun, was das Küchenteam zusammenkochen wird. Ist in der Suppe mehr schwarzer Kümmel oder roter Pfeffer? Vielleicht wäre es gut, sich daran zu erinnern, dass nicht die Farbigkeit eines Produkts dessen Qualität ausmacht, sondern sein Geschmack. Werden wertvolle Rohstoffe benutzt oder nur Produkte aus dem Billigladen? Ohne Bildlichkeit: Werden wir eine Regierung bekommen, die den Sprung in die Zukunft schafft, die den Klimawandel ernsthaft angeht und die damit verbundene Transformation der Industrie, die Renten und Pflege sichert, ohne dem Staat als Alimentierenden noch mehr aufhalst, die sich um die Staatsschulden sorgt und den Bürokratieabbau voranbringt, die die Europäische Union reformiert, sich um den weltweiten Frieden kümmert und … So schwer kann das doch nicht sein. Aber wahrscheinlich wird sie nicht darum herumkommen, die bürgerliche Komfortzone (eine andere Metapher in der heutigen Zeitung) etwas weniger komfortabel zu gestalten.

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Ratlose Wählerschar

Es wird Zeit, dass der Wahlsonntag kommt. Es wird höchste Zeit, dass es ein Ende hat mit den Wahlsendungen. Es sind genug Sprechblasen aufgestiegen, genug Versprechungen gemacht worden, mehr als genug. Dabei haben sich die Wahlkämpfenden bei den anstehenden Problemen sehr zurückgehalten. Was erwartet uns konkret bei der überfälligen Klimafrage? Welche Kosten kommen konkret auf uns zu? Was wird aus Europa und seinen Werten? Dürfen Polen und Ungarn weiter ins Undemokratische abdriften und trotzdem kassieren? Wie soll der Umbau der Landwirtschaft in Richtung Emissionsminderung geschehen? Wie will man die Altersvorsorge sichern, wen die Renten steigen, aber die Zahl der Einzahler stagniert? Werden die Steuern erhöht oder gesenkt oder einfach so beibehalten? Wie will man den ÖPNV stärken und das Autofahren eindämmen? Wird die Bundeswehr auf- oder abgebaut oder weiter „bedingt abwehrbereit“ bleiben? Kommt eine Zivilpflicht? Werden wir Russland und China weiter in Ruhe ihre Geschäfte mit uns machen lassen? Wann wird endlich das Ende der Corona-Zeit verkündet? Natürlich ist es ungünstig, Genaues zu sagen, denn man könnte ja darauf festgelegt werden. Insofern geht die Politik weiter ihre gewohnten Pfade. Man wird reagieren, wenn es nicht mehr aufzuschieben ist. Man wird der Bürgerschaft zumuten, was unumgänglich ist. Wahrscheinlich wird, was zu tun ist, dann tatsächlich „alternativlos“ sein, weil man lange genug gewartet hat. Sei’s drum. Wenn die irgendwann gebildete Koalition tut, was nötig ist, dann sei den Parteien verziehen, dass sie im Wahlkampf nur phrasenhaft agiert und uns damit freundlicherweise nicht in Unruhe versetzt haben.

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Ausgesaugt

Nun ist es den Sozialdemokraten gegangen wie 2013 den Liberalen. Ausgesaugt von der Kreuzspinne Merkel haben sie das schlechteste Ergebnis der Nachkriegswahlen erreicht. Es ist in der Tat unumgänglich, dass sie in die Opposition gehen. Das bietet auch den Vorteil, dass die Pseudoalternativen nicht die große Rolle als Volkes Stimme spielen können. So weit, so schlüssig. Aber dass es weder die Grünen noch die FDP in eine Koalition unter der Christdemokraten Führung drängt, ist ebenso plausibel. Sie wollen nicht das nächste Aussaugopfer werden. Denn die Kanzlerin könnte genüsslich betrachten, wie sich „ihre drei Kleinen“ (die Seehofer-Partei mitgerechnet) gegenseitig zerfleischen und damit unbeliebt machen. Zu ihrem und ihrer Partei Vorteil. Aber die nächsten vier Jahre sind – alle wissen es – von ganz besonderer Bedeutung für Deutschland. Schweinereien im House-of-Card-Stil wären gefährlich. Denn die Probleme türmen sich: Europa braucht ein neues Konzept, die Integration der Flüchtlinge muss vorankommen, die Bildungspolitik bedarf einer neuen Ausrichtung fernab der konservativen und sozialistischen Irrwege, die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft ist auf kluge Ideen und eine sachkundige Begleitung angewiesen, die Auswüchse der Einkommensungleichheit dürfen nicht länger hingenommen werden, die Fehler der amerikanischen Politik dürfen nicht in verrückte kriegerische Aktionen münden, der Klimawandel nötigt zu mutigen, aber unpopulären Entscheidungen, Individualverkehr und öffentliche Transportsysteme müssen auf ganz neue Weise aufeinander abgestimmt werden, das Spiel mit rechtsradikalem Gedankengut ist zu entlarven, die Bundeswehr muss wieder eine Armee von „Bürgern in Uniform“ werden, das Gesundheitssystem ist in einem kritischen Zustand usw. Wir brauchen keine ausgesaugten, blutleeren Koalitionäre, sondern Parteien, die mutig und mit aller Kraft an ihre Arbeit gehen.