Kategorien
Politik

Unergründlich – der sogenannte Wählerwille

Wenn morgen Abend (am 27.9.09) das Ergebnis der Bundestagswahl vorliegt, wird ein Wort wieder fröhliche Urständ feiern: Wählerwille. Es wird gebraucht, um etwas auszudrücken, was es gar nicht gibt.

Sicher, es gibt den Willen von einzelnen Wählern. Die wollen entweder eine schwarz-gelbe Koalition oder eine rot-grüne, vielleicht auch eine rot-rot-grüne. Das können sie wollen, aber sie können es nicht wählen. Koalitionen stehen nicht zur Wahl. Wählen kann man (mit der Erststimme) eine Person oder (mit der Zweitstimme) eine Partei. Diese einzelnen Stimmen werden addiert und dann in einem umständlichen Verfahren in Sitze für die Parteien umgerechnet. Die Anzahl der Sitze im Bundestag ist also die Folge der Summe der einzelnen Kreuzchen auf dem Wahlzettel.

Diese Sitzverteilung und die daraus ergebenden Koalitionen als „Wählerwille“ zu bezeichnen, das ist reichlich kühn. Denn es wird so getan, als ob das, was als Regierung herauskommt, nicht nur einzelne, sondern „die“ Wähler gewollt hätten. Aus verschiedenen Einzelwillen wird plötzlich in der politischen Diskussion eine Art Gesamtwille konstruiert. Vielleicht ist das Ergebnis „der Wille“ einer Mehrzahl von Wählern, aber es ist kein „Wählerwille“.

Dieses Wort verwenden gern auch jene, die bei der Wahl zu wenig Stimmen errungen haben und daher nicht regieren dürfen. Sie behaupten dann, der Wählerwille sei verfälscht worden. Aber kann man etwas verfälschen, was nicht existiert?