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Politik

Umstrittener Regelbetrieb

Endlich haben die rot-schwarzen Koalitionäre ein Thema gefunden, über das sie sich publikumswirksam streiten können. Kann nach den Sommerferien an den Schulen wieder der „Regelbetrieb“ losgehen, wie es die KMK vereinbart hat und wie es die Ministerin E. beteuert, oder ist das wenig wahrscheinlich, wie der Ministerpräsident K. mutmaßt? Diese Differenz zwischen den Aussagen der beiden Wahlkämpfer ist gar keine. K. ist skeptisch, weil über 20 % der Lehrkräfte fehlten, sie seien „vulnerabel“, also verletzlich oder gefährdet, wenn das Virus sie erwischt. E. ist optimistisch, muss aber einräumen, dass es wegen der fehlenden Lehrkräfte nicht ohne Einschränkungen gehen werde. Ein Streit um des Kaisers Bart. Oder, um es paradox auszudrücken: Wir werden im Herbst an den Schulen einen ungeregelten Regelbetrieb haben. Der müsste allerdings klug geregelt werden. Die Vulnerablen sind ja nicht krank, sondern nur schützenswert, wie wir alle eigentlich. Sie können arbeiten, in der Schule unter Einhaltung der Hygieneregeln oder zu Hause am Bildschirm. Steht ihre Stunde an, so Häckerlings Vorstellung, werden sie „zugeschaltet“. Falls das von einem Nebenraum des Schulhauses aus geschieht, einem Studio sozusagen, wäre das fast wie normaler Unterricht. Ob die Klasse eine zusätzliche Aufsicht braucht oder ob Videoüberwachung ausreicht, müsste von Fall zu Fall entschieden werden. Man könnte eine Hoffnung haben: dass die Schützenswerten dann doch lieber ins Klassenzimmer gehen, wenn ihnen die Videoauftritte zu lästig sind. Oder werden sie nur darüber jammern, was man ihnen zumutet? Sorry, aber ich sehe in den Geschäften, den Lokalen und auf den Flughäfen viele, die mir ziemlich vulnerabel vorkommen. Warum sollte man sie nicht im Unterricht sehen?

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Unentspannte Lockerungsübungen

Eine Zeit der heftigen Diskurse beschert uns das das global agierende Virus. In Brasilien bestreitet die Führung immer noch dessen Existenz und will die „Zählerei“ beenden. Naturgemäß sind nicht alle Brasilianer damit einverstanden. In den USA wird unablässig und hunderttausendfach am und mit dem Covid-19 gestorben, aber das regt offenbar nur die betroffenen Angehörigen. Die Trump-Administration dagegen forciert aus wirtschaftlichen Gründen das Lockern. In Südeuropa wartet man sehnsüchtig auf Touristen, auch hier haben sich die Lockerlassenden gegenüber den Zögernden durchgesetzt. In unseren Kirchen finden Gottesdienste mit und ohne mundgeschützte und nasenbedeckte Gläubige  statt. Ein Blick in die kirchlichen Nachrichten gibt Auskunft über die Pflichten und Nichtpflichten in Sachen Verhüllung und Abstand. Die Kinder sollen alle in die Kitas zurück, weil dort – sagen die einen – kaum Ansteckungsgefahren bestehen. Das gehe nicht, sagen andere, weil es an Erzieherinnen fehle, über ein Fünftel bleibe als risikobehaftet zu Hause. Warum eigentlich, wo doch mutmaßlich kaum Gefahr besteht? In den Schulen werden merkwürdige Stundenpläne umgesetzt. Ohne Warn-App (Paul hat heute mal wieder Unterricht, Lisa ist in Homeschooling, Jens hat sich nur an ungeraden Tagen in der Schule einzufinden) ist das kaum zu schaffen. Dabei gehen die Meinungen der Fachleute über die Folgen der Vollbeschulung auseinander. Forcieren wir mit der Rückkehr der Kinder und Jugendlichen die „zweite Welle“ oder werden wir weiter auf den ersten Hotspot in einer Kita oder einem Schulgebäude warten? Über nichts kann man so gut diskutieren als über das, was man nicht weiß. Wird der Herbst uns die „neue Normalität“ bescheren oder gar die alte oder evtl. die Rückkehr des Virus in neuer Form? Denn auch das hören wir immer wieder: Viren verändern sich laufend, mutieren, werden noch gefährlicher – oder vielleicht auch harmloser. Wie gut, dass wir nichts Genaues wissen.

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Massenhafter Protest

Die USA sind unser Unglück oder sie können es demnächst werden. Weil dort seit Jahrhunderten Menschen anderer Hautfarbe, Schwarze, Rote, Gelbe etc., als zweitklassig, minderwertig und kriminell gelten, geht die Polizei gegen sie brutal vor. Mord im Dienst gehört zum Police-Alltag. Im Wesentlichen bleiben diese Verbrecher straffrei. Also darf man sich nicht wundern, wenn jene, die sich benachteiligt fühlen, auf die Straße gehen. Auch in Europa und ganz besonders in Deutschland kommt es in diesen Tagen zu solidarischen Aktionen. Das ist verständlich und es wäre alles recht und gut, wenn da nicht diese hartnäckige Virus-Seuche wäre, die unseren Alltag stört oder gar zerstört. Das Recht auf Demonstrationen ist ein hohes Gut. Das betont das Verfassungsgericht unverdrossen. Aber wie verträgt es sich mit dem Schutz vor dem Virus? Wie wir gestern gesehen haben, gar nicht. Wo ein paar Hundert Protestierende erlaubt und erwartet wurden, kamen Zehntausende. Sie konnten beim besten Willen (hatten sie den überhaupt?) nicht den nötigen Abstand halten. Die Polizei wollte diese Massen offenbar nicht vertreiben. Schließlich waren die Menschen (die meisten jedenfalls) aus ehrenwerten Gründen zusammengekommen. Nun wird es sich in ein oder zwei Wochen zeigen, ob diese Massenveranstaltungen Folgen haben. Kommt es zu einem Aufleben der Pandemie und müssen gar wieder strengere Maßnahmen ergriffen werden, können wir uns bei den Amerikanern bedanken. Sie haben uns mit dem Mord an einem Schwarzen die Sache eingebrockt. Kommt es nicht zu einer Zunahme der Infektionen, können wir aufatmen und noch „forscher“ (ein Merkel-Adjektiv) die Lockdown-Lockerung vorantreiben.