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Unsoziale Kontakte

Der Spielplatz in der Nähe ist gesperrt, nicht durch ein Band, nur per Schild. Darauf steht, die Menschen mögen „soziale Kontaktevermeiden. Zwei Wörter, an denen das Wohl und Wehe der Gesellschaft festgemacht wird, zwei Fremdwörter überdies, Ob alle sie verstehen? Warum sagt man nicht, man solle es vermeiden, anderen Menschen nahe zu kommen, oder: Haltet Abstand! Das Paradoxe an den sozialen Kontakten ist derzeit, dass man sie unterlassen soll. Wer sich dem Anderen nähert, handelt unsozial, weil er das Überspringen des Virus begünstigt. Sozial handelt nur, wer sich von den anderen fernhält. Die politische Führung droht nun mit der Ausgangssperre, sollten die Menschen zu nahe aufeinander rücken. Inzwischen werden offenbar Corona-Partys gefeiert. Das geht natürlich gar nicht, obwohl derlei ziviler Ungehorsam von Jugendlichen zu erwarten war. Wenn ihnen das Virus nicht weiter weh tut, wenn sie mit einer leichten Erkältung davonkommen, warum sollen sie dann die täglichen Warnungen davor ernst nehmen? Wenn man eine lustige Party nur mit einem allenfalls lästigen Schnupfen bezahlen muss, dann ist das ein vertretbarer Preis. Aber es geht doch um Alten! Die gelte es zu schützen. Doch wie soll ein stinknormaler Jugendlicher diesen Gedanken nachvollziehen? Wer alt ist und krank, der stirbt eh bald. Warum soll uns das den Spaß verderben? Ob es wohl genügend Sozialarbeiter gibt, die den jungen Leuten ein wenig „soziale“ Verantwortung vermitteln können?

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Isolierte Alte

Eine Republik im Ausnahmezustand, im Krisenmodus, in Hysterie und Panik. Was kein Terrorist je geschafft hat, einem Virus ist es gelungen: das Land lahmzulegen, jegliche Kultur und fast allen Sport aus dem Alltag zu vertreiben. Die Kanzlerin verspricht mal wieder alles. Jedem werde geholfen, zumindest jeder Firma, jedem Arbeiter und Angestellten, keiner soll unter der Viruskrise leiden. Doch – mit Verlaub,  Frau Merkel – das Blaue vom Himmel zu versprechen ist einfach, das Versprochene zu halten aber noch selten gelungen. Aber gut, irgendwas muss man ja mit den Milliarden gebunkerter Euro anfangen. Aber was niemand mit Geld aufwiegen kann, ist die Isolation, genauer: die Stigmatisierung der Alten. Sowohl Merkel als auch (noch eindrücklicher) Kretschmann haben zum Ausdruck gebracht, dass Großeltern und Enkel einander meiden sollen, dass die Alten gefälligst zu Hause bleiben, dass sie soziale Kontakte vermeiden sollen. Warum? Damit sie nicht angesteckt werden? Das vielleicht auch, vor allem aber, dass sie nicht als Kranke die Kliniken verstopfen. Unnötige Operationen (Herz, Krebs etc.) werden verschoben. Vielleicht so lange, bis der oder die Betreffende das Zeitliche gesegnet hat. Martenstein hat in der letzten Ausgabe der ZEIT zum Glück ein tröstendes Wort gefunden: In den Kliniken sterben jährlich mehr Menschen an Krankenhausviren, als Corona jemals zur Strecke bringen kann. Jetzt versteht man auch, warum das Verfassungsgericht dieser Tage den Sterbeparagrafen außer Kraft gesetzt hat: Endlich dürfen sich vereinsamte und „lebenssatte“ (ein Wort aus dem Alten Testament) Alte selbst töten oder töten lassen. „Herrliche Zeiten“ kann man da (mit einem Filmtitel von 2018) nur sagen.

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Kirchliche Fürsorge

Der württembergische Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July ruft in der Corona-Krise zu einem „Handeln in Nächstenliebe und ruhiger Verantwortlichkeit“ auf. Seine Beobachtung: Seit die neuartige Lungenkrankheit auch Deutschland erreicht hat, „bündeln sich wie durch ein Brennglas gesehen menschliche Verhaltensweisen der positiven wie negativen Art“. – Es ist nie falsch, Nächstenliebe zu üben und verantwortlich zu handeln. Und das „ruhig“ zu tun, will sagen: ohne Hysterie, ist auch kein schlechter Rat. Interessant der zweite Satz, in dem der Bischof vom „Blick wie durch ein Brennglas“ spricht. Sorry, aber ein Brennglas ist zum Entzünden von Brennbarem da, weil sich damit die Sonnenstrahlen so konzentrieren lassen, dass es sehr heiß wird. Will der Geistliche etwa zündeln? Nein, er meint vielleicht eine Lupe, ein Vergrößerungsglas, durch das man einen besseren Blick auf die Gegenstände hat. Aber sind die Menschen Gegenstände? Wahrscheinlich schwebt July so eine Art Zoom vor, das Heranholen von Ereignissen und Menschengruppen durch eine Kamera, die das Ferne näher rückt und so den Blick auf Details möglich macht. Für einen Landesbischof, einen Mann des Wortes, ist ein solch missverständliches Votum peinlich. Dass die Menschen immer positive und negative Verhaltensweisen an den Tag legen, müsste auch einem Geistlichen bekannt sein. Übrigens: Die sonntäglichen Gottesdienste sollen stattfinden, aber die Besucher sollen Abstand halten, sich nicht die Hand schütteln und auf das Abendmahl verzichten. Und was wird in der Predigt erzählt? Dass die Menschen ihren Nächsten lieben, verantwortlich handeln und sich möglichst „positiv“ verhalten sollen? Ob das reicht?