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Geschützte Datensphäre

Die App, die unsere Virus-Probleme lösen soll, sie will einfach nicht kommen. Wahrscheinlich sind es nicht so sehr die Programmierhürden, die zu überwinden sind, sondern die Hürden durch rechtliche Vorgaben. Die App soll freiwillig genutzt werden. Aber sie soll auch etwas bringen, wie in Südkorea, heißt es, wo man das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben nach ihrer Einführung freier gestalten konnte. Aber in Südkorea ist die App nicht freiwillig, sondern verpflichtend. Das will man hier nicht. Und man will auch die Grundsätze des Datenschutzes streng beachten. Das klingt edel, ist aber unsinnig. In Zeiten des rigorosen Eingriffs in Grundrechte soll ausgerechnet der Datenschutz dem Gesundheitsschutz übergeordnet sein? Man möge mich nicht falsch verstehen. Ich bin für den Datenschutz. Aber warum kann er nicht auch – wie die anderen massiven staatlichen Eingriffe – befristet außer Kraft gesetzt werden, und zwar mit der Begründung, dass wir damit mehr früher andere Freiheiten zurückbekommen und den Virus rascher besiegen könnten? Wir sind zurzeit ein Rechtsstaat, der seinen Bürgern – gewiss zu Recht – Freiheitsrechte vorenthält. Ein solcher Zustand darf nicht zu lange dauern. Wenn uns die Einschränkung des Datenschutzes dem Schutz der Gesundheit rascher näher brächte, wäre – so meine bescheidene Meinung – eine zeitweise Ungeschütztheit der Mitteilung, ob ich angesteckt bin oder nicht, zu vertreten.

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Kontrollierte Gesellschaft

Wenn niemand etwas von sich verbergen kann, gibt es keine Verbrechen mehr. Wenn überall Kameras stehen und das Treiben der Menschen festhalten, herrscht Ruhe und Ordnung. Wenn die Krankengeschichten aller Menschen auf einem zentralen Rechner gespeichert sind, kann man die Daten gründlich auswerten und Krankheiten mit mehr Erfolg behandeln. Wenn politische Fragen von allen Internet-Benutzern digital entschieden werden, wird die Gesellschaft demokratischer – alle können unmittelbar mitbestimmen. Wer diesen Sätzen zustimmt, für den wäre der „Circle“ das Richtige. Dave Eggers‘ Roman (Verlag Kiepenheuer & Witsch, 2014) bettet die Vision eines kontrollierten Staatswesens in eine spannende Geschichte. Die junge Mae Holland bekommt dank des Einflusses ihrer Freundin Annie eine Stelle im Internet-Konzern „Circle“. Sie arbeitet sich rasch von einer bloßen Sachbearbeiterin hoch zu einem Mitglied des Leitungsteams. Mae ist überzeugt von den Unternehmenszielen: möglichst viele Daten von allen Menschen zu erfassen, die Privatsphäre abzuschaffen, für die Transparenz aller politischen Entscheidungsprozesse zu sorgen. Dafür bringt sie gerne Opfer. Sie nimmt die Entfremdung von ihren Eltern hin und lässt es zu, dass ihr alter Freund Mercer in den Tod getrieben wird. Mercer und andere, auch Circle-Mitarbeiter, stellen sich den totalitären Bestrebungen entgegen. Aber die Macht dieser Datenhaie – ein Bild, das der Roman plastisch ausmalt – ist nicht mehr zu brechen. Dave Eggers hat in dieser Dystopie eine Welt beschrieben, die nicht mehr fern zu sein scheint. In seinem Roman ist es nicht (wie in Orwells „1984“) der Staat, der nach Allmacht strebt, sondern eine Privatfirma. Wir dürfen dabei an Google denken. Das Buch sollte zur Pflichtlektüre werden.

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Die USA und meine Geheimnisse

Nachdem der Verfasser dieser Zeilen einen neuen Vertrag mit seiner Bank über die online-Nutzung seiner Konten unterschrieben hat, fragt er den Berater: „Und können Sie ausschließen, dass diese Daten an die USA weitergeleitet werden?“ – „Nein, das kann ich nicht.“ Ich könnte ja, muss ich mir hinzudenken, mit diesen Konten allerlei Geldwäsche betreiben und mit dem gewaschenen Geld terroristische Aktionen unterstützen. Das könnte ich natürlich. Mein Leben würde dadurch eine neue Wendung nehmen.

Der Bundespräsident ist glücklich über die genaue Überwachung aller Menschen. Es erhöhe sein Gefühl für Sicherheit, hat er gesagt. Aber natürlich soll alles nach gesetzlichen Regeln ablaufen. Um wessen Gesetze geht es dabei? Haben unsere Parlamente die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen, dass die Amerikaner (und die Briten und?) unsere elektronische Kommunikation nach Verdächtigem durchstöbern? Wenn ja, dann habe ich nicht aufgepasst.

An dieser Stelle möchte ich deutlich machen, dass auch ich kein Opfer des islamistischen Terrors werden will. Aber mein Gefühl für Sicherheit sinkt eher, wenn ich weiß, dass unsere Freunde in den USA digitale Akten über mich anlegen, dass 800000 Menschen Zutritt zu meinen kleinen Geheimnissen haben, dass sie wissen können, von wem ich Geld erhalte und wofür ich es ausgebe. Noch unsicherer macht es mich, für einen potenziellen Staatsfeind gehalten zu werden. Das, lieber Herr Gauck, sind keine guten Gefühle.