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Ruhestandsverlockung

Es gab Zeiten in Deutschland, wo man rüstige Endfünfziger mit finanziellen Anreizen dazu gebracht hat, in Rente zu gehen. Auch staatliche Mittel sind dafür geflossen. Manche dieser Frührentner haben das gut verkraftet, manche schlecht. Es gab auch Zeiten, wo man jenen, die „noch ein Jahr dranhängen“ wollten, bedeutet hat, lieber aufs Altenteil zu gehen und die Stellen nicht länger für jüngere Bewerber zu blockieren. Derzeit aber läuft die Geschichte andersherum, wenigstens bei den einstigen Lehrkräften für das Fach Deutsch. Weil das Land Baden-Württemberg sie braucht, um den Neuzugezogenen unsere Sprache zu vermitteln, hat es ehemalige Deutschlehrer angeschrieben und sie gebeten, sich für diese Aufgabe zur Verfügung zu stellen. Das Ergebnis dieser Rückrufaktion war bisher nicht berauschend. Ein paar Hundert sollen sich gemeldet haben; die meisten wollen nur ein paar Tage im Monat unterrichten. Warum nicht mehr? Die Aufgabe wird nicht einfach sein. Erfahrungen mit Syrern, die Deutsch lernen sollen, gibt es kaum. Aber ein anderer Grund wird auch eine Rolle spielen: Ein Pensionär, der einst im Dienst des Landes gestanden hat und jetzt eine Pension bezieht, darf nur rund ein Drittel dieser Ruhestandsbezüge dazuverdienen, sonst werden sie gekürzt. Das hat inzwischen auch die Schulverwaltung gemerkt und will gegensteuern. Das durch eine solche Beschäftigung Hinzuverdiente soll man behalten dürfen. Ob angesichts dieser Vergünstigung aus den paar Hundert Arbeitswilligen nun ein paar Tausend werden, wird sich zeigen. Angefügt sei ein persönlicher Satz: Auch ich bin Deutschlehrer, aber mich hat man gar nicht erst angeschrieben. Da wäre es interessant zu erfahren, nach welchen Kriterien die Deutsch-Pensionäre ausgewählt worden sind.

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Deutsch

Kaum einer Aussage wird weniger widersprochen, als der, dass die Integration der Fremden ohne Deutschkenntnisse aussichtslos sei. Das wissen wir seit Jahrzehnten. Trotzdem gibt es immer noch Migranten türkischer Provenienz, Frauen vor allem, die in der deutschen Sprache wenig oder gar nicht zu Hause sind. Es wird meines Erachtens höchste Zeit, dass Deutschland sich dazu durchringt, bestimmte staatliche Leistungen vom Spracherwerb abhängig zu machen. Ohne Gesetzeszwang wird sich da nur wenig tun. In einem Kommentar auf Spiegel-Online war dieser Tage zu lesen, dass es noch eine andere Baustelle gibt: Die Bundesländer seien dabei, den schulischen Teil der Flüchtlingsintegration in den Sand zu setzen. Es gebe zu wenig Deutschklassen und zu wenig Lehrkräfte dafür. Der Grund: Geldmangel. Der Bund könnte zwar Mittel zuschießen, aber die Länder Bayern und Baden-Württemberg würden sich „aus Prinzip“ gegen diese Finanzhilfen aussprechen. Mein Eindruck ist, dass die hiesige Schulverwaltung zu langsam agiert. Vielleicht ist sie sich der Herausforderung noch gar nicht bewusst. Immerhin will der Herr Minister Stoch nun Pensionäre mit der Fakultas Deutsch anschreiben und sie dazu bewegen, Unterricht in Flüchtlingsklassen zu übernehmen. Ich sage „immerhin“, weil mein vor Wochen an das KM gerichtete Angebot, meine Kompetenzen als ehemaliger Schulleiter, Seminarleiter und Deutschlehrer einzubringen, zunächst mit dem Vermerk „kein Bedarf“ abgelehnt wurde. Aber nun, so scheint es, steigt der Druck im Kessel.

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Goethesturz

Aus Österreich kommt die Kunde, dass man dort im Deutschunterricht immer moderner werde. Man wolle den Gymnasiasten nunmehr beibringen, wie sie eine Gebrauchsanweisung zu lesen haben, wie sie eine SMS schreiben oder einen Eintrag bei Facebook und Twitter (um nur Beispiele zu nennen), wie sie ihre Meinung (so sie denn eine haben) wirkungsvoll vorbringen und (aber das weiß ich nicht sicher) eine Steuer-Erklärung korrekt verfassen. Solche Lehraktivitäten kosten natürlich Zeit, viel Zeit. Aber die findigen Schulreformer in Austria haben bereits eine Lösung gefunden: Es soll ein Ende haben mit der Lektüre deutscher Klassiker. Goethe und Schiller, Lessing und Kleist seien in der heutigen Zeit entbehrlich.

Nun kann ich nachvollziehen, dass für den Österreicher ausländische (deutsche) Literatur nicht das Wichtigste sein muss. Nach der unseligen gemeinsamen Kriegsgeschichte (11924 – 1918, 1939 – 1945) mag man genug haben vom deutschen Klassikerwesen. Aber wie halten sie’s mit ihren eigenen bedeutenden Schreibern? Dem Grillparzer, dem Anzengruber, dem Nestroy zum Beispiel? Fallen die auch dem literarischen Großreinemachen zum Opfer?

Uns Deutschen kommt es übrigens überhaupt nicht zu, die Nase zu rümpfen. Goethe und Schiller finden in den hiesigen Gymnasien kaum mehr statt. Ist ja auch nicht nötig, da wir nur ins Kino zu gehen brauchen, um Schillers Liebesleben kennen zu lernen. Martenstein will sogar erfahren haben, dass außer Brecht keine Literatur mehr dem gymnasialen Deutschunterricht Lebensnähe geben kann. Brecht – wer war denn das?