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Digitaler Offenbarungseid

Das Land Baden-Württemberg will in der Digitalisierung führend werden, habe ich heute Morgen gelesen. Man wolle sich an Estland orientieren, wo die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte tatsächlich gelungen zu sein scheint, während sie hierzulande noch vor sich hin kränkelt. Die Esten können, heißt es, ihre Steuererklärung in wenigen Minuten erledigen. Nun haben die Schwaben erkannt, dass sie von den Balten etwas lernen können. Sie müssen allerdings sehr viel ihnen lernen. Denn in den Stuttgarter Nachrichtenzeitungen, ich nenne sie so, weil ihre Inhalte sich mehr und mehr gleichen, steht auch die betrübliche Information, dass „Ella“ am Ende ist. Dabei handelt es sich um eine verzweifelte Abiturientin, sondern um eine elektronische Plattform mit Material für den Unterricht. Seit Jahren wurde daran gearbeitet. Nun hat ein Gutachter festgestellt: das Ganze taugt nichts. Die Ministerin Eisenmann wird das Projekt stoppen müssen – wie schon das andere, mit dem man die Fehlzeiten der Lehrer erfassen wollte. Bei diesem Programm sind bereits 24 Millionen Euro in den schwäbischen Sand gesetzt worden. Wir werden also tatsächlich führend sein, und zwar in der Nichtverwirklichung der Digitalisierung. Die Schüler wird man weiter mit Arbeitsblättern aus Papier zuschütten (zur Freude der Kopierautomatenindustrie) und die Fehlzeiten der Lehrkräfte werden auch künftig ein großes Geheimnis bleiben. Eigentlich ist es kein Wunder, dass es am Digitalen hapert. Wo sollen die Programmierer von morgen herkommen, wenn der Informatik-Unterricht im Land von gestern ist?

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Digitales Schlusslicht

Das Schöne an Jahreswechseln ist, dass sich durch sie nichts verändert, sondern alles beim Alten bleibt. Die Probleme von 2017 sind auch die von 2018. Vor allem in den Schulen. Die heutige Zeitung macht das einmal mehr deutlich. Sie berichtet von einem Tübinger Institut, das an der Frage arbeitet: Wie gehen die Schulen mit der Digitalisierung um? Dabei begleiten sie ein paar „Pilotschulen“ – ja, die gibt es inzwischen im Lande Baden-Württemberg – auf ihrem Weg zu einem guten elektronisch gestützten Unterricht. Denn, so einer der Sätze in diesem Bericht: Es gibt auch schlechten. Nebenbei fällt der Hinweis auf eine Studie über den schulischen Digitalisierungsgrad Deutschlands. Es liegt bei der ICILS-Studie auf dem letzten Platz unter 18 vergleichbaren Industriestaaten. Wen wundert’s? Der Computer ist wahrlich keine neue Errungenschaft, aber man hat ihn hierzulande in guter Humboldt’scher Tradition als Teufelswerk, als Gefahr für die Kinder, als sinnlose Vergeudung von Ressourcen gebrandmarkt und sich so von der Entwicklung abgekoppelt. Die Kultusministerien haben sich vornehm ferngehalten von diesem technischen Kram. Man erinnerte sich gern an das Sprachlabor, das auch mal eine technische Neuerung war und den Schulen nichts gebracht hat. So würde es mit dem Computer auch werden, dachte man. Also gab es kaum Versuche, diese Entwicklung offensiv zu begleiten. Es gab lange keine Versuchsschulen, von Thinktanks ganz zu schweigen. Wenn etwas geschah, dann nur auf die Initiative Einzelner hin und in der Regel mit privaten Mitteln. Und jetzt hat man den digitalen Salat. Man liegt (hoffnungslos?) im Hintertreffen, ziert den Abstiegsplatz im weltweiten Ranking. Ob da ein kleines Tübinger Institut die Wende bringen kann?