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Ranzenprobleme

In einem Brief artikuliert der Rektor der Schillerschule in Stuttgart-Bad Cannstatt seinen Ärger über einen Teil der Eltern. In dem Rundschreiben steht sinngemäß – und daher hier in indirekter Rede:

Die Probleme reichten von Ranzentragdiensten bis ins Klassenzimmer über gefährliche Parkmanöver bis zum Austragen von Familienstreitigkeiten im Schulhaus und Belästigungen der Lehrer durch Gespräche zu Zeiten, an denen die Pädagogen eigentlich unterrichten müssten.

Die Diskussion über zu schwere Schultaschen ist nicht neu. Ich kann mich noch gut erinnern an Eltern, die des Sprösslings „Schulranzen“, wie er hier heißt, gerne mal gewogen und für zu schwer befunden haben. Die Lösung bestand damals in klaren Anweisungen, welche Bücher an welchem Tag mitzubringen bzw. zu Hause zu lassen seien. Der Hinweis auf den Stundenplan half manchen auch weiter. Aber die neuen Eltern haben ein neue, ziemlich originelle Lösung gefunden: Sie tragen ihrem Kind die Tasche. Sie nehmen ihm die Bürde ab, das Schulmaterial selbst zu transportieren. Sie schonen so den kindlichen Rücken. Dass man den auch trainieren könnte, kommt ihnen nicht in den Sinn.

Interessant ist im Schreiben der Schillerschule der Hinweis auf die Ranzentragdienste bis ins Klassenzimmer. Die letzten 50 Meter mussten bisher auch die geschontesten Kinder selbst zurücklegen. Nun befördern fürsorgliche Eltern die Tasche bis an den Platz des Kindes. Wahrscheinlich packen sie sie auch aus und legen die benötigten Utensilien wohlgeordnet auf den Arbeitstisch. Dabei können sie gleich einen kontrollierenden Blick in den Klassenraum werfen, mit anderen Eltern ihren Unmut über irgendwelche Zustände teilen und der Lehrkraft im Vorbeigehen geschwind noch die Meinung sagen.

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Über den Landeselternbeirat 1

Der Rücktritt der Landeselternbeiratsspitze in Baden-Württemberg wird als ein „Paukenschlag“ gedeutet, der das Ministerium in Schwierigkeiten bringen werde. Aber ein Paukenschlag in einem Musikstück verklingt sehr bald. Wird es mit dem Rücktritt auch so sein, dass er rasch verhallt?

Häckerling findet manches bedenkenswert, was die Damen Staab und Wiegert als Begründung für ihren Ausstieg angeben. Auf einen Aspekt möchte er hier eingehen, auf die Situation der Grundschüler. Nicht so wichtig ist ihm der Wunsch nach dem täglichen Apfel für sie, aber die Empfehlung, die ihren weiteren Schul-Weg steuert, bedarf durchaus einer kritischen Überprüfung. Die Elternvertreterinnen nennen als einen Grund für ihren Rücktritt …

„… die verbindliche Grundschulempfehlung, die ohne einen einzigen Beleg für ihren Sinn als Faustpfand der Grundschulen gegenüber den Eltern aufrecht erhalten wird. Die Grundschüler und ihre Eltern sind auf Gedeih und Verderb einer Willkür ausgesetzt, die sich auf die Benotung von 2 Fächern im ersten Halbjahr der 4. Klasse beschränkt.“

Mit anderen Worten: Die Grundschulempfehlung ist nicht nur sinnlos, sondern auch unseriös und wird von der Schule als Machtinstrument missbraucht. Starke Worte, über die man sich in der Kultusverwaltung aufregen dürfte. Aber so ganz daneben ist diese Aussage nicht. Es fehlt nämlich in der Tat eine gründliche Untersuchung (in Form einer Langzeitstudie) über die Treffsicherheit dieser Prognose, über ihr (oft problematisches) Zustandekommen und über eine Alternative zu diesem mittlerweile doch sehr in die Jahre gekommenen Instrument der Schülersteuerung.

(Blog-Eintrag Nr. 139)

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Unnötiges Schulfach

Die Suchtbeauftragte des Bundes macht sich Sorgen um die Jugend und die Zunahme süchtiger Verhaltensweisen. Das ehrt sie. Aber ihr Vorschlag, zur Lösung des Problems ein neues Schulfach einzurichten, hat zu Recht wenig Zustimmung gefunden. Allerdings wird so getan, als geschehe in dieser Frage alles Nötige. Das stimmt nicht. Weder die Schule noch die Eltern tun genug.

In Baden-Württemberg gibt es seit dem 13.11.2000 eine Verwaltungsvorschrift zur Suchtprävention in den Schulen. Darin wird auf die steigenden Gefahren durch Suchtmittelmissbrauch hingewiesen, die Notwendigkeit von „Erziehung im Sinne einer Lebenshilfe“ betont und „das Eingehen auf die persönlichen Sorgen und Nöte“ der Kinder und Jugendlichen als Aufgabe der Schule herausgestellt. Suchtprävention könne sich nicht in der Vermittlung von Informationen erschöpfen, vielmehr müsste der „Aufbau von lebensbejahenden Einstellungen und Verhaltensweisen“ und die „innere Festigkeit und persönliche Stabilität“ der jungen Menschen gefördert werden. Und dann der Kernsatz: „Suchtvorbeugung ist somit eine Aufgabe für jede Lehrerin und jeden Lehrer.“ Sie alle sollen selbstbewusste und belastbare Schülerinnen und Schüler heranbilden. Tun sie das?

Leider steht der Hinweis auf die Verantwortung der Eltern an anderer Stelle. Das ist bedauerlich; denn dieses Ziel kann nur durch eine gute Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule und eine Abstimmung der Erziehungsvorstellungen erreicht werden.

Es gibt nämlich, was die Belastbarkeit der Kinder und Jugendlichen angeht, ein Problem. Viele Eltern halten ihre Kinder für zu sehr belastet und fordern Entlastung. Da gibt es allerlei zu beobachten: Mütter tragen ihren Kindern die Schultasche oder Vergessenes hinterher, sie klagen wegen zu vieler Hausaufgaben oder wegen der Zumutungen von G 8, sie wollen ihnen die Fahrt im Schulbus ersparen und holen sie daher mit dem privaten PKW von der Schule ab, sie nehmen ihnen die Auseinandersetzung wegen ungerechter Noten ab und streiten lieber selbst mit den Lehrern herum, sie entschuldigen das flegelhafte Verhalten ihrer Kinder und schieben die Gründe für deren Fehlverhalten der Schule zu, sie muten ihnen das Essen im Schullandheim nicht zu und geben ihnen stattdessen Leckereien mit, sie rufen sie ständig auf ihren Handys an und meinen, das sei fürsorglich, sie geben ihnen zu viel Taschengeld und sie trauen sich nicht, Nein zu sagen, weil sie die Proteste der Kinder nicht aushalten, kurz: Manche Eltern fördern nicht die Frustrationstoleranz, sondern bauen sie ab. Möglicherweise trägt das auch zur Zunahme des Suchtverhaltens bei.

Und die Schule? Sie muss die einzelnen Schülerinnen und Schüler stärker in den Blick nehmen und auffällige Verhaltensweisen – also nicht erst notorisches Suchtverhalten – registrieren und den Eltern gegenüber thematisieren. Dazu gehört viel Mut, gewiss, denn manche Väter und Mütter mögen es gar nicht, wenn man Kritisches über ihr Kind sagt. Aber ohne den Mut, sich gemeinsam den Problemen der Entwicklung zu stellen, wird es keinen Fortschritt bei der Suchtprävention geben.