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Ersehnte Einheitlichkeit

Die Deutschen sehnen sich in der Krise (und wohl auch sonst) nach einem einheitlichen starken Willen, man könnte es auch Gleichbehandlung nennen. Aber ist das Gleiche in ungleichen Verhältnissen sinnvoll? Ein Blick auf die Welt „draußen“ macht jedem klar, dass nicht einmal das gleiche Virus für Gleichheit sorgt. Es erfasst die Länder unterschiedlich. Die Zahlenwelt der Johns Hopkins Universität zeigt das unwiderleglich. Jeder Staat entwickelt sich anders, jeder Staat verfolgt seine eigene Strategie. In Österreich muss man einen Meter Abstand halten, in Deutschland zwischen eineinhalb und zwei Metern. In der Türkei gibt es ein Ausgangsverbot nur an Wochenenden, in Schweden appelliert man an die Selbstdisziplin. In den USA schützt man die weißen Bürger besser als die schwarzen. Heute wird in Deutschland über das Lockern des Lockdown beraten. Italien und Österreich haben schon damit angefangen. Die Deutschen wollen auch dabei Einheitlichkeit. Aber dummerweise hat Corona die einzelnen Bundesländer unterschiedlich gepackt, zwischen den Daten der einzelnen Bundesländer liegen Welten. Wäre es nicht sinnvoll, auf unterschiedliche Gegebenheiten unterschiedlich, situationsgerecht zu reagieren? Oder geht es wieder zu wie beim Orkan unlängst, wo auch dort die Schulkinder zu Hause bleiben mussten, wo er nicht wütete. Einheitlichkeit ist nicht Freiheit, sondern „über einen Kamm scheren“. Warum sollten – zum Beispiel – die Bundesländer nicht unterschiedliche Modelle bei der Wiederaufnahme des Schulbetriebs umsetzen? Wo es keine Erfahrungen gibt, wäre das Prinzip „Versuch und Irrtum“ nicht das schlechteste. Wenn ein Land zu großzügig war und die Infektionszahlen steigen wieder, muss es eben nachsteuern. Der dümmste Satz in diesem Zusammenhang lautete dieser Tage: Wenn wir einen Fehler machen, führt das zu einem Verlust an Glaubwürdigkeit der Politik. Umgekehrt ist es richtig: Wenn ihr zugebt, dass ihr nur „auf Sicht“ fahrt, glauben wir euch auch, wenn etwas nicht auf Anhieb klappt. Aber wenn ihr uns glauben machen wollt, die Weisheit sei nur bei euch, die ihr die Macht habt, und nicht bei uns dummen Untertanen, dann reagieren wir bockig. Schon mal was von „Fehlerkultur“ gehört?

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Zentraleres Abitur

Der Föderalismus ist eine schöne Sache, Jedes Bundesland hat eine Hauptstadt, ein Parlament, eine Regierung, ein eigenes Schulsystem und natürlich ein eigenes Abitur mit eigenen Anforderungen. Sicher, es gibt einen Rahmen, den die Kultusministerkonferenz gesetzt hat, aber den kann jedes Land ausgestalten. Zum Beispiel bei den schriftlichen und erst recht bei den mündlichen Prüfungen. Das hat zur Folge, dass die Schwierigkeit der Prüfung in den Ländern unterschiedlich ist. Ein Abitur mit 1,8 ist also im einen Land „leichter“ zu schaffen als im anderen. Der Schwierigkeitsgrad spielt aber bei der Bewerbung fürs Studium keine Rolle, nur die Note. Das ist nicht gerecht. Diese Erkenntnis ist nicht neu, sondern Jahrzehnte alt. Sie hat zu allerlei Versuchen geführt, die Anforderungen anzugleichen. Der Erfolg dieser Mühen ist bescheiden. Immerhin gibt es inzwischen einen „Aufgabenpool“, aus dem Länder Aufgaben fürs Abitur nehmen können – aber nicht müssen. Falls sie sie nehmen, aber nicht ganz zufrieden damit sind, können sie sie ihren Bedürfnissen, eigentlich ihren Traditionen, anpassen, das heißt sie leichter oder schwieriger machen. Gerechtigkeit und Vergleichbarkeit sind etwas anderes. Nun hat die Kultusministerin des Landes BW gefordert, das Abitur solle bundesweit „zentral“ werden. Dieses Ziel wolle sie in 10 Jahren erreichen. Und was geschieht? Sie wird heftig kritisiert, sogar ihr Chef, der Herr K., fährt ihr in die Parade. Das bedeute einen Verlust an Kulturhoheit des Landes. Ja, das bedeutet es, aber wenn es der Prüfungsgerechtigkeit dient, wäre dieser Verlust zu verschmerzen, oder? Das durchschlagendste Argument der Kritiker lautet: Die Schüler aus BW wären benachteiligt, weil das Schuljahr so spät anfängt und bei bundesweit einheitlichen Prüfungsterminen würden des Landeskindern ein paar Wochen fehlen. Dümmer geht es nimmer, denn die Gesamtschulzeit ist nun wirklich bundesweit einheitlich. Vielleicht wäre das BRD-Zentralabitur ein guter Anlass, den Unsinn der baden-württembergischen Sommerferien, die in Wirklichkeit Herbstferien sind, abzuschaffen. Der Föderalismus ist eine schöne Sache, aber manchmal fällt es einem schwer, ihn gut zu finden.

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Unabsichtliche Unklarheit oder Was der Bildungsföderalismus soll

Die Stuttgarter Zeitung liefert uns (am 24.8.09) einen Kommentar zur Bildungspolitik, dessen Unklarheit beunruhigt. Unter dem Titel „Auf den Hund gekommen“ wird über eine Krise des Bildungssystems geklagt, die eine Folge des schwarz-roten Umgangs mit dem Föderalismus sei. Von den regierenden Parteien werde „das Bildungssystem zerrieben“, heißt es.

Mir wird nicht deutlich, was die Verfasserin eigentlich will: klare föderale Strukturen oder die Zuständigkeit des Bundes für die Schulpolitik? Für das eine spricht ihr Satz, dass eine eigenständige, selbstbewusste und ehrgeizige Bildungspolitik der Bundesländer zu wünschen sei, für das andere ihre Aussage, dass der Bildungsföderalismus mit seinen unterschiedlichen Schulsystemen so unbeliebt sei wie eine sechzehnköpfige Hydra. Was also ist gewünscht? Eine Hydra mit nur einem Kopf oder die Vielfalt, das heißt den Wettbewerb der Bundesländer?

Zuzustimmen ist der Kommentatorin bei der Schelte der Parteien, denen im Bundestagswahlkampf nichts Besseres einfällt, als sich in der Bildungspolitik zu tummeln. Die geht den Bund nach der Festlegung des Grundgesetzes nichts an. Dabei gäbe es wahrlich viel zu tun in jenen Bereichen, die in die Zuständigkeit des Bundes fallen: die Lösung der Finanz- und Wirtschaftsprobleme, die Erarbeitung von Grundsätzen für den weltweiten Einsatz der Bundeswehr, die Förderung des Straßenbaus, dringende Reformen des Steuerrechts, der Subventionsvergabe, der Renten, der Sozialgesetzgebung und so weiter.