Kategorien
Politik

Das Reifezeugnis und die Reife

In den Köcher gegen das achtjährige Gymnasium ist ein neuer Pfeil gelegt worden. Das Argument, mit dem in der Zeitung von heute (17.7.13) gegen das Verlassen der Schule nach 12 Jahren Unterricht geschossen wird, lautet: Die jungen Menschen sind mit 18 noch nicht reif. Sie wissen nichts mit dem gewonnenen Jahr anzufangen, verplempern es. Da wäre es doch besser, sie noch ein Jahr unter der Fuchtel der Schule zu haben.

Nun ist – wie wir schon länger wissen – das Niveau des Abiturs trotz der verkürzten Gymnasialzeit nicht gesunken; jedenfalls können wir das den Ergebnissen des Doppeljahrgangs 2012 entnehmen. Aber was ständig sinkt, ist das Niveau der Auseinandersetzung über G8 und G9. Sind die jungen Leute mit 18 tatsächlich noch nicht reif, obwohl man ihnen das durch das „Zeugnis der Reife“ bescheinigt? Warum erhalten diese Jungspunde den Status der Volljährigkeit? Warum dürfen sie Geschäfte tätigen? Warum lässt man diese Unreifen wählen und Soldat werden? Warum ein Auto fahren? Wenn es stimmt, dass wir nach acht Jahren Gymnasium einen Haufen junger Menschen ins Nirwana der Ziellosigkeit entlassen, dann ist zu fragen, wer diese Generation der Unentschlossenen zu solcher Unmündigkeit erzogen hat.

Könnte es nicht sein, dass man ihnen zu viel abgenommen hat, ihnen zu viele Steine aus dem Weg und zu wenig Herausforderungen in den Weg gelegt hat? Man hat sie behütet und bewahrt und ihnen damit die Chance genommen, erwachsen zu werden.

Kategorien
Politik

G8 und G9

Wenn man ein Fass aufmacht, darf man sich nicht wundern, wenn alle mit ihren Krügen Schlange stehen. Wenn man wie die baden-württembergische Regierung das Angebot einer Schulzeitverlängerung macht, gibt es natürlich viele wohlmeinende Eltern, die es annehmen wollen. Was kann man seinem Kind Besseres bescheren als ein zusätzliches Schuljahr? Früher war das anders, da galt ein weiteres Jahr als Makel. Heute ist eine Versetzung in die 13. Klasse ein Traumziel. Eine merkwürdige Entwicklung.

Vor geraumer Zeit wurde festgestellt, dass die deutschen Abiturienten schon ziemlich alt sind, wenn sie sich als Studierende dem internationalen Wettbewerb stellen. Gleichaltrige aus anderen Ländern hatten bereits einige Semester hinter sich. Das wirkte frustrierend. Und so kam man auf die Idee, es den anderen gleichzutun und die gymnasiale Zeit auf acht Jahre zu begrenzen. Die Umstellung von neun auf acht Jahre, in manchen neuen Bundesländern ein alter Hut, weil man die acht Jahre eh schon hatte, gelang vielen Schulen in BW, manchen aber nicht. Diese Versagerinstitute bringen jetzt G9 wieder in Spiel. Das setzt sie in den Stand, in ihre alten Gewohnheiten zurückzuverfallen und die Schüler ein weiteres Jahr zu langweilen.

Geld kostet das auch, aber für die lange Beschulung unserer Kinder ist uns kein Euro zu schade. Dass bisher noch niemand nachweisen konnte, worin der Nutzen von neun statt acht Jahren Gymnasium liegen soll, schert die G9-Fans nicht. Dass sich der Unterricht durch die Verlängerung nicht verbessern wird, ist auch ziemlich sicher. Aber wir können uns hier im Ländle alles leisten, sogar Sinnloses.

Kategorien
Politik

Das Gymnasium und seine Dehnübungen

Vor fast acht Jahren hat man in Baden-Württemberg das achtjährige Gymnasium flächendeckend eingeführt. Das erste Abitur dieses G 8 findet im kommenden Frühjahr statt. Dann hätte das aufwändige Nebeneinander neun- und achtjähriger Bildungsgänge ein Ende, hätte, hat aber nicht, denn die neue Regierung will das Alte zurück, das Nebeneinander von G 8 und G 9. Sie will es, weil es ihre Wähler angeblich wollen. Und wie will sie es?

Sie erlaubt im kommenden Schuljahr 22 Gymnasien (gut 5% also), ein Modell zur Dehnung von acht nach neun zu erproben. Da kommen mehrere in Frage: Man könnte (erstens) die Klassen 5 und 6 von zwei auf drei Jahre dehnen, also den Kindern einen gemütlichen Start ins Gymnasium ermöglichen. Man könnte (zweitens) die vier Schuljahre 7 bis 10 auf fünf dehnen und damit den Jugendlichen der Mittelstufe jene Zeit lassen, die sie zum Pubertieren brauchen. Leider sagen uns alle Lernstudien, dass in diesen Jahren nur wenig gelernt wird. Man könnte (drittens) das Naheliegende tun, also kein weiteres neues Modell ausprobieren, sondern die alte G-9-Version wieder einführen: sechs Schuljahre (5 – 10) in sieben Jahren (5 – 11). Das Problem wäre allerdings eine Vorgabe des Ministeriums. Es soll im neu-alten G 9 auf der Grundlage des G-8-Bildungsplans unterrichtet werden. Da wird ein Fehler von G 8 ins Gegenteil verkehrt. Manche Schulen haben nämlich gemeint, sie müssten im achtjährigen Gymnasium den alten G-9-Plan umsetzen. Dieser Denkfehler hat uns den Ärger bei G 8 beschert. Man hat in diesen Schulen den alten Wein (Bildungsplan für G 9) in einen kleineren Schlauch (acht Jahre) gekippt. Der hat dann prompt an Überfüllung gelitten und ist fast geplatzt. Jetzt soll man einen neuen Wein (den G-8-Plan) in den alten Schlauch (neun Jahre) gießen. Dieser Schlauch wird ein bisschen schlaff bleiben.

Schön wäre es, wenn die Modellschulen sich etwas ganz Neues ausdächten!