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Politik

Zugedeckte Themen

Wir verstehen es vortrefflich, uns an den wichtigen politischen Aufgaben vorbei zu mogeln, indem wir uns mit Nebensächlichkeiten beschäftigen. Damit meine ich nicht das verlorene Auftaktspiel bei der Fußball-WM, das ist in der Tat ein Thema von einiger Bedeutung, denn wenn Deutschland nicht Weltmeister wird oder wenigstens fast, beschädigt das unsere nationale Identität – meinen manche. Als Nebensächlichkeit habe ich im letzten Blogeintrag die unselige Masche gegeißelt, mit einer ausgelutschten Nebenfrage die Kanzlerin stürzen zu wollen. Häckerling ist kein Merkel-Fan, aber er möchte doch hier bekunden, dass sie demokratisch gewählt ist, und zwar dafür, dass sie die Richtlinien der deutschen Politik bestimmt. Man kann, was sie macht, gut finden oder schlecht, falsch oder richtig, aber der Zeitpunkt, an dem wir eine andere Regierung hätten wollen können, liegt fast ein Jahr hinter uns. Ich halte dafür, dass endlich die großen Aufgaben der Republik angepackt werden: der Klimawandel zum Beispiel, dem entgegenzuwirken wir uns verpflichtet haben. Doch die damit verbundenen Emissionsziele werden wir gnadenlos verfehlen, war gestern in der Zeitung zu lesen. Damit zusammen hängen die überfällige Umstellung der Mobilität, die Aufarbeitung des Dieselskandals, die Umstellung der Heizungen etc. Hier geschieht fast nichts, es sei denn, man hält nette Gespräche des Verkehrsministers für „etwas“. Nächster Themenkomplex: soziale Gerechtigkeit und Steuergerechtigkeit . Fehlanzeige. Digitalisierung: nur Wirrwarr an Zuständigkeiten. Bekämpfung der Fluchtursachen – die Zahl der Flüchtenden auf dieser Erde hat 2017 einen neuen Höhepunkt erreicht, mussten wir heute erfahren: Geld liegt bereit, aber wo bleibt die Reisediplomatie des Außenministers in dieser Frage? Einwanderungsgesetz: völlig in der Vergessenheit verschwunden. Und wie steht es mit dem Thema „Reform Europas“? Schlecht. Da fehlt uns in Deutschland der Mut für einen Neubeginn und auch die Entschlossenheit, den Abkassier-Staaten im Osten entgegen zu treten. Fazit: Wir tappen trödelnd durch die Gegend, während rasche, mutige Schritte geboten wären.

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Verapplung

Manchmal greifen die großen Menschheitsfragen mitten hinein ins ganz normale bürgerliche Leben. Eine solche große Frage ist die Gerechtigkeit. Sie gehört zu den Zielen, über die mit großem Pathos geredet und geschrieben wird. Sie gehört zu den Menschenrechten. In der Bibel wird formuliert, dass Gerechtigkeit ein Volk „erhöhe“. Ein halbes Jahr hat der Verfasser Schülern der elften Klasse (vertretungsweise) das Thema näherzubringen versucht. Bei der Vorbereitung sind ihm viele Studien auf den Bildschirm geflattert, die allesamt einen weltweiten Mangel an Gerechtigkeit feststellen. Das Bild der Schere spielte dabei eine große Rolle. Die zwischen Arm und Reich sei in den letzten Jahren immer weiter auseinander gegangen. Doch die Scherenmetapher ist unzulänglich. Man kann eine Schere nur bis zu einer technisch bedingten Grenze aufklappen. Die globale Gerechtigkeitslücke dagegen scheint derzeit ohne erkennbare Grenze zu wachsen. Und nun auch noch die Geschichte vom irischen Steuersparmodell für Apple. Wie viele Milliarden es auch sein mögen, die der Konzern mit ihm unverdient verdient hat, es sind zu viele. Er macht immense Gewinne mit seinen i-Geräten, will aber der Allgemeinheit ihren Anteil vorenthalten. Seit Tagen starte ich meine Apfelmaschinen mit schlechtem Gewissen. Die Information, dass auch andere Großkonzerne von diesen Vorteilen profitieren, beruhigt mich nicht, im Gegenteil. Steuerparadiese gibt es also auch in Europa. Aber wenn wir Normalbürger hineinwollen, werden wir von den Erzengeln der Finanzbehörde daran gehindert. Eintritt nur für Privilegierte! Der Weg zur Gerechtigkeit wird immer länger.

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Abiturientenflut

Schon wieder ein sprachlicher Missgriff, ist doch das Wort „Flut“ mittlerweile nicht mehr korrekt. Das dürfte auch für „Schwemme“ gelten. Dürfte man „Abiturienteninflation“ sagen? Was auch immer, es sind viele (zu viele?), die das Abitur ablegen und bestehen. In Baden-Württemberg sind es 48228, mehr als im größeren Bayern (41239), aber natürlich deutlich weniger als im größten Bundesland NRW (85398). Beim Durchschnitt der Prüfungsergebnisse liegt der Südweststaat in der Mitte (2,46). Ganz vorne bewegt sich Thüringen (2,16). Was sagen uns diese Zahlen? Wenig. Die Ergebnisse werden bundesweit Jahr um Jahr besser, heißt es, was bedeutet, dass nicht die Absolventen sich steigern, sondern die Noten. Das kann an zweierlei liegen: Die Aufgaben werden immer leichter oder die Lehrer immer weniger anspruchsvoll. Die Folgen sind beträchtlich. Wenn ein Studienplatz nach dem Abiturergebnis vergeben würde, hätten es die Thüringer leichter als die Badener, einen zu ergattern. Meidinger vom Philologenverband nennt das „Bildungsungerechtigkeit“. Was tun? Ein bundesweites Zentralabitur? Das würde an der bürokratischen Unfähigkeit unserer Republik scheitern. Also dann einfach die Vorgabe, dass die Gesamtschnitte in allen Ländern gleich sein müssen. Wie macht man das? Man findet den Bundesdurchschnitt von 2014 und schreibt allen Ländern vor, dass sie den künftig erreichen müssen, also so lange Punkte abzuziehen oder hinzuzufügen haben, bis er erreicht ist. Und wer profitiert von diesem Verfahren? Alle, wenn Gerechtigkeit Gleichheit ist. Niemand, weil man die Guten bestraft und die Schwachen belohnt. Aber sind die Thüringer wirklich so gut? Ergo: Es muss eine neue Idee her.