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Rückständler

Wenn ich die griechischen Zustände kritisiere, überkommt mich ein unangenehmes Gefühl, eine Mischung aus Wut und schlechtem Gewissen. Wir haben die materiellen Überreste deutscher Gräueltaten an vielen Orten gesehen und können uns leider nur zu gut vorstellen, welches Leid im Namen des deutschen Staates vielen Griechen angetan worden ist. Auch wenn es da nichts wiedergutzumachen gibt, so könnte man über Zeichen des Respekts und der Versöhnung durchaus nachdenken. Warum gibt es kein deutsch-griechisches Jugendwerk nach dem Muster des deutsch-französischen? Warum keinen Fonds für griechische Verfolgungsopfer – so noch welche am Leben sind? Das zum Stichwort „schlechtes Gewissen“.

Zum Stichwort „Wut“ ist heute zu lesen, dass die griechische Regierung 76 Milliarden Euro vermisst. Das sei der Betrag an ausstehenden Steuern. Sie wurden und werden einfach nicht bezahlt. Nun kennen wir das hierzulande auch. Die Steuerparadiese lassen grüßen. Da wird sicher auch einiges griechisches Geld liegen. Aber das allein reicht als Erklärung nicht aus. Es müssen ganz banale Steuerzahlungen „vermieden“ worden sein. Von den 76 wünscht sich die Regierung allenfalls neun zurück. Mehr sei nicht drin, heißt es, die andere 65 bleiben dem Staat verloren. Da frage ich mich: Warum helfen wir, warum hilft Europa den Griechen nicht, an dieses Geld heranzukommen? Das wäre eine gute Tat, denn es wäre „eigenes“ Geld, das zur Sanierung der „maroden Staatsfinanzen“ (so nennt man das wohl) beitragen könnte.

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Griechende

Zum griechisch-europäischen Finanzstreit ist schon fast alles gesagt. Wir haben ein neues Wort gelernt, Grexit. Damit wird etwas bezeichnet, das angeblich niemand will, den Ausstieg der Griechen aus dem Euro-Raum. Wir wissen, wie viele Schulden sie haben, weit über 300 Milliarden Euro. Das kann man sich als normaler Gehaltsempfänger nicht vorstellen. Wir verstehen, dass den Griechen das Sparen weh tut, wir verstehen aber nicht, warum ihre reichen Reeder so gut wie keine Steuern zahlen müssen. Wir finden die neue griechische Regierung entweder cool oder unverschämt. Die Abschaffung der Krawatte durch deren Spitzenleute könnte stilbildend wirken. Dass einige Griechen die Deutschen gerne als Nazis beschimpfen und böse Witze über Merkel und Schäuble machen, das ärgert uns, auch wenn wir das Handeln des deutschen Staates gegenüber Griechenland in den 1940er Jahren noch so verabscheuen. Dass die Hellenen milliardenschwere Wiedergutmachung wollen, können wir irgendwie nachvollziehen, aber dass sie ihre eigenen Schulden bei uns erlassen haben wollen, mögen wir nicht gutheißen. Der griechische Niedergang tut uns Leid, die steigende Zahl von Suiziden finden wir schlimm, aber wir können nicht immer den Gedanken ausschalten, dass die Verantwortlichen in Griechenland daran zu einem großen Teil selbst schuld sind. Darunter leidet leider die ganze Bevölkerung. Aber die Parteien und Regierungen Griechenlands wurden vom griechischen Volk gewählt, nicht vom deutschen.

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Deutschland und der 17. Juni

Die Überschrift erinnert an eine Zeit, in der alles noch an seinem Platz war. Wir hatten Angst vor einem Krieg, aber das „Gleichgewicht des Schreckens“ hat uns – das darf man auch als Kriegsdienstverweigerer im Rückblick zugeben – vor ihm bewahrt. Wir haben am 17. Juni an den Volksaufstand in der DDR gedacht, uns mit den „Brüdern und Schwestern“ jenseits des Eisernen Vorhangs wenigstens einen Tag lang solidarisch gefühlt, ansonsten uns aber des bundesrepublikanischen Wohlstands erfreut. Wir haben über viele Probleme gejammert: die Inflation, die zunehmende Arbeitslosigkeit, die steigende Zahl von Verbrechen, die Asylanten, den Verlust des gymnasialen Niveaus durch die wachsende Übergangsquoten.

Wenn wir uns daran erinnern, müssten wir ins Lächeln kommen. Drei Beispiele: Der SPD-Politiker Schmidt sagte einmal: „Lieber 5% Inflation als 5% Arbeitslosigkeit.“ Wie klingt das heute? Die Übergangsquote aufs Gymnasium näherte sich in Sindelfingen den 35%; derzeit liegt sie bei 59%. Was ein Asylant ist, weiß heute keiner mehr so recht, heute reden wir von Migranten. Einst ging es um ein Dutzend Asylbewerber je Gemeinde, heute in manchen Schulklassen um Migranten-Anteile von über 50%

Am heutigen 17. Juni soll sich in Griechenland entscheiden, ob oder wie es mit Europa weitergeht, in Frankreich werden die Sozialisten gewinnen und der unbeliebten Sparpolitik den Garaus machen und die Kanzlerin kann sich schon mal überlegen, ob sie Europa „um jeden Preis“ retten soll (was „die Welt“ von ihr erwartet) oder ihre schützende Hand auf die Staatskasse legen (was eine Mehrheit der Deutschen von ihr erwartet). Recht machen wird sie es keinem. Europa steht vor dem Abgrund, sagen die Auguren. Können wir ihn balancierend überwinden wie vorgestern der Artist die Niagara-Fälle?