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Frustrierende Kontinuität

Kaum ist das alte Jahr vorbei und hat das neue begonnen, beschleicht uns das Gefühl, es habe sich nichts geändert. Im Januar 21 war vom Licht die Rede, das sich wegen der Entwicklung von Impfstoffen gegen Covid am Ende des Tunnels zeige. Dieses Licht hat sich als Sinnestäuschung entpuppt. Auch in diesem Januar werden wieder Lichter in der Ferne ausgemacht: Wenn wir Omikron durchlitten hätten, wären wir mehr oder weniger immun gegen das Corona-Viren-Unwesen. Die Lage werde endemisch. Die Zukunftshoffnung ist der Feind der Realität. Die besteht darin, dass viel getestet, will sagen: Wer sich ansteckt, wird krank, wer immun ist, wird nicht krank. Es wird viel drittgeimpft und wenig erstgeimpft. Die Drohung mit der allgemeinen Impfpflicht scheint nicht zu fruchten. Im Gegenteil: Der Protest auf den Straßen wird lauter. Man will die Schulen in Präsenz halten, aber manche Lehrerverbände unken bereits wieder drohend mit dem Hausunterricht. Es gelte die Lehrenden zu schützen. Warum gibt es für die keine Impfpflicht? Und wer unterrichtet die Kinder und Jugendlichen? Digitales Lernen ist eine Weile ganz nett, aber auf die Dauer ziemlich öde. Was dabei herauskommt, weiß keiner so genau. Über die Rolle der Standesvertretungen für Lehrkräfte in der Pandemie müsste man mal etwas lauter nachdenken. Was die Kultur angeht, so darf sie mit beschränkter Besucherzahl und 2-G-Auflage weiterwursteln. Ein frustrierendes Unterfangen, dass weder gute Einnahmen noch eine normale Atmosphäre in den Veranstaltungen zulässt. Nur in den Betrieben läuft das Geschäft. Wenn wir schon die Kinder vernachlässigen, sollten wenigstens die Maschinen pfleglich behandelt und am Laufen gehalten werden.

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Verunsicherte Verimpfer

Das Präfix ver- gehört zu den variabelsten unserer Sprache. Es gibt Hunderte von Verben, die so beginnen, positiv klingende (versichern, sich vergnügen, vernaschen) und negativ anmutende (verlieren, verletzen, verkrampfen, verraten) oder auch neutral wirkende (verleihen, vermuten, verschieben, verrücken). Zu diesen Neutralen gehört auch das neue Verb „verimpfen“. Es ist so neu, dass es weder dieses Schreibprogramm noch die gängigen Wörterbücher kennen. Gemeint ist ein Vorgang des Verbrauchens: Ein Impfstoff wird heutzutage nicht mehr „ge“-, sondern verimpft. Er befindet sich zunächst in einem Fläschchen, gelangt dann in eine Spritze, wird durch die Haut des Oberarms gepumpt, lagert dort eine Weile subkutan und verbreitet sich anschließend im Körper, wo er seine segensreiche Wirkung entfaltet. Mit dem „ver-“ verbindet sich die Assoziation, dass der Impfstoff möglichst rasch seinem Zweck zugeführt, quasi vernichtet wird und dem Virus, das der Menschheit ziemlich zu schaffen macht, an den Kragen geht oder an seine Ärmchen. Die Impfstoffe sind verschieden, vermutet man, angeblich unterscheiden sie sich in ihrer Wirksamkeit. Daher sind sie auch unterschiedlich beliebt. Einer wird sogar verschmäht und liegt nun ungenutzt in den Kühlschränken. Aber die Politik ist um eine Lösung nicht verlegen: Eine Zielgruppe bietet sich für ihn an, die Lehrerschaft. Die Lehrkörper und die Leiber der Kita-Mitarbeiterschar sind die idealen Empfänger dieses britisch-schwedischen Produkts. Von einem Tag auf den anderen wurden sie als Zielgruppe ausgemacht. Man ordnet sie nun in die Gruppe 2 ein, zu den 70- bis 79-Jährigen, den Polizist*innen und den geistig Kranken. Die Gruppe 2 ist nach der Gruppe 1 mit dem Impfen dran. Aber unter denen gibt es noch viele Volatile, die auf den Piks warten. Aber bald werden wir die Leute der Gruppe 1 vergessen haben. Denen dürfte es irgendwann egal sein, ob sie immun gegen Covid-19 sind. Warum? Es wird sie nicht mehr geben, weil sie inzwischen verstorben sind.

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Vergeigte Zuversicht

Schon zu Beginn der Virus-Ära hieß es, nur eine umfassende Impfung der gesamten Bevölkerung bringe Erlösung von diesem Übel. Aber die Entwicklung eines neuen Impfstoffs dauere in der Regel mehrere Jahre. Plötzlich kam dann die Nachricht, schon in einem Jahr oder vielleicht noch früher werde man ihn haben. Die pharmazeutische Industrie arbeite mit „Hochdruck“ an der Entwicklung. Solche Metaphern haben in Krisensituationen Konjunktur. Beim Hochdruck denkt man an den des Blutes oder an den Reiniger einer bekannten schwäbischen Firma. Ersteres ist ungesund, Letzteres bezieht sich auf Dreck, der verschwinden soll. Oft ist auch die Rede vom Druck, unter dem die politisch Verantwortlichen stehen. Aber Druck erzeugt Gegendruck und beschleunigt Vorgänge selten. Auch bei der Produktion von Impfstoffen hilft Druck offenbar wenig. Vorgänge, deren Ablauf technisch bedingt sind und von allerlei sinnvollen Vorschriften begleitet sind, brauchen Zeit. Wer schludert, verspielt Vertrauen, jenes Vertrauen, das die Voraussetzung für die Akzeptanz des Impfens ist. Aber Politik und Medien arbeiten anders. Wer der Erste ist, bekommt Publicity, wer sich in Szene setzen kann, kommt auf die mediale Bühne, wer große Versprechungen macht, weckt große Hoffnungen. Dumm nur, wenn man sie nicht einhalten kann. Jetzt rudert man zurück, dämpft die Erwartungen, vertröstet auf später. Früher war es gut, mehr zu halten, als man versprochen hat. Heute verfährt man umgekehrt. Das ist kein Fortschritt.