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Kirchliche Schuld

Dieser Tage haben Prognosen den Kirchen einen weiteren deutlichen Verlust an Mitgliedern angekündigt. Man müsse sich öffnen und seinen Glauben deutlicher bekennen hieß es daraufhin. Dreihundert evangelische Pfarrer in Württemberg haben das so verstanden: Mit uns wird es keine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare geben werde. In der Bibel sei das nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Wer in seiner Sexualität vom heterosexuellen Standard abweiche, sei selbst daran schuld und müsse dafür büßen. In der katholischen Kirche wollen die Frauen einen Monat lang ihren Dienst verweigern und so gegen ihre Benachteiligung und die Männerherrschaft demonstrieren. Dort macht man nicht einmal den Versuch, diese jahrhundertealte Praxis biblisch zu begründen. Wer die Macht hat, gibt sie ungern ab. Gestern haben die beiden Kirchen ihre Schuld bei der Behandlung von Menschen, die sich selbst getötet haben, eingestanden. Die durften einst keinesfalls kirchlich bestattet werden. So sollte ihre Schuld öffentlich werden. Jeder Schüler, der einmal die Geschichte des Selbstmörders „Werther“ lesen musste, kennt diese Haltung. Inzwischen ist man längst davon abgegangen, Suizidale anzuprangern, und will sogar dazu beitragen, sie von ihrem Schritt abzuhalten. Wahrscheinlich arbeitet man auf ein Gesetz hin, das die Selbsttötung erst nach kirchlicher Beratung erlaubt. Eine andere Baustelle hat man noch gar nicht angepackt: die Selbstbefriedigung. Die wird im Alten Testament bekanntlich mit dem Tode bestraft. Onan hat das zu spüren bekommen. Die Öffnung der Kirchen dürfte wohl darin bestehen, sich mehr und mehr zu verschließen.

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Kirchenschwulitäten

Es ist schon ein Kreuz mit der Württembergischen Landeskirche, vor allem mit seinem Parlament, der Synode. Sie ist so was von zerstritten. Ein Antrag, Paare mit gleicher sexueller Ausrichtung zu trauen, wurde abgeschmettert. Auch der Kompromissvorschlag des Oberkirchenrats, den Pfarrern die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare zu erlauben, fand nicht die erforderliche Mehrheit. Beide Anträge scheiterten an den sog. Konservativen. Sie berufen sich bei ihrem Nein auf die Bibel – und die enthält in der Tat, vor allem im alttestamentlichen Teil, kritische Sätze über diese Art sexueller „Orientierung“. Ebenso verwerflich findet sie übrigens auch die Selbstbefriedigung. Onan wurde dafür mit dem Tode bestraft. Es gibt christliche Kreise, die solchen, fast dreitausend Jahre alten, Meinungen auch heute noch anhängen. Sie halten Homosexualität für eine Sünde. Ehen unter solchen irregeleiteten Menschen darf es keinesfalls geben. Im Übrigen müsse man es nur wollen, dann könne man auch anders, also „normal“ sein. Diese christlichen Gruppen waren es auch, die vor einiger Zeit gegen die Aufklärung der Schülerinnen und Schüler gekämpft haben. Warum sind diese Christen in den Gedankengängen der jüdischen Vorzeit hängen geblieben? Es liegt an ihrem Biblizismus. Nun rächt sich, dass man ihnen seit Jahrzehnten ihren archaischen Umgang mit der Bibel durchgehen lässt. Nun kommt die Quittung dafür, dass man diesen Kreisen erlaubte, den historisch-kritischen Ansatz der Theologie zu verteufeln. Manchmal rächt sich die Toleranz gegenüber der Rückständigkeit. Die Kirchenleitung, die theologische Wissenschaft und der Religionsunterricht sind gefordert. Nach dem Reformationsjahr, wo man sich in schönen Reden erging, endlich mal eine Herausforderung!

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Reformation

Nun arbeiten sie sich in allen Medien an Martin Luther ab. Die einen stilisieren ihn zum protestantischen Heiligen, andere werden nicht müde, seinen Antisemitismus zu geißeln. Dabei gerät etwas aus dem Blick, was er wollte: eine bessere Kirche, keine, die sich selbst als das Wichtigste ansieht, deren Hierarchie alles Spontane erstickt, die mehr am Geld der Gläubigen als an deren Seelenheil interessiert ist. Da jede Organisation Gefahr läuft, zu verkrusten und sich selbst für überaus wichtig zu halten, ist das Wort von der Kirche, die ständig zu reformieren sei, auch heute noch relevant. Der Oberkirchenrat der württembergischen Landeskirche sollte sich daran auch immer wieder erinnern. Mir kommt es jedenfalls so vor, als habe man sich dort von der kirchlichen Basis ziemlich weit entfernt. Die Beispiele behalte ich heute mal für mich. Was Luther angeht, so habe nichts gegen ihn. Seine Übersetzungs- und Sprachschöpfungsleistung ist bewundernswert. Ob die neuerliche Revision der Luther-Bibel nötig war, sei dahingestellt. Aber sie per Vorschrift in den Gemeinden zu verankern, das geht nicht. So schön die Luther-Sprache auch ist, sie stammt aus dem 16. Jahrhundert und läuft dem Empfinden des heutigen Menschen manchmal sehr zuwider. Manche Passagen aus den Paulusbriefen sind, vorgelesen, schlicht unverständlich. Wenn es Luther wichtig war, die Bibel dem normalen Leser verständlich zu machen, muss sie in der Sprache des 21. Jahrhunderts zu Wort kommen. Von einer lebendigen protestantischen Kirche erwarte ich, dass sie unter Berufung auf dieses Wort dem Leben, der Freiheit, der Vielfalt, der Offenheit gute Bedingungen schafft, dass sie ehrlich ist, eine deutliche Sprache spricht, dass sie bekennt und einsieht, es nicht allen recht machen zu können. Eine lebendige Kirche setzt sich für die Rechte derer ein, die benachteiligt sind und Unterstützung brauchen. Sie stellt sich gegen jene, die nur an ihren Profit denken. Sie trägt dazu bei, dass der Globus nicht zerstört wird.