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Inflationäre Gutnoten

Das Phänomen ist bekannt: Die deutschen Abiturnoten beruhen auf unterschiedlichen Leistungsanforderungen in den einzelnen Ländern. Trotz jahrzehntelanger Bemühungen ist es ihnen nicht gelungen, die Anforderungen in der gymnasialen Oberstufe so anzugleichen, dass man von „Gerechtigkeit“ reden könnte. Manche werden sich an die Zeiten des Bonus und Malus erinnern, den Abzügen und Zuschlägen zum Numerus Clausus, mit denen die Länder ihren Landeskindern bessere Chancen verschaffen wollten. Dass die Ergebnisse beim Abitur ständig besser werden – kaum jemand ist nicht „gut“ – beruht keineswegs auf besseren Leistungen, sondern auf dem freundlichen Entgegenkommen der Schulverwaltungen, dem sich auch die korrigierende und bewertende Lehrerschaft nicht verschließen kann. Wenn angesichts dieser bundesweiten Ungerechtigkeit nun der Deutsche Philologenverband fordert, über die Bedeutung der Note „sehr gut“ nachzudenken, hat er Besseres verdient als routinierte Politikerreaktionen („Eisenmann gegen …“). Wann ist eine Leistung besser als gut, also „sehr“ gut? Das ist seit 1968 so definiert: wenn sie den Anforderungen „in besonderem Maße entspricht“. Nun ist diese Definition leider nicht sehr aussagekräftig. Klar aber ist: ein Sehrgut kann es nicht dafür geben, dass jemand „alles richtig“ gemacht hat, es muss noch etwas „Besonderes“ bei der Lösung hinzukommen, ein wenig Genialität oder wenigstens Originalität. Es wäre „gut“, wenn die KMK sich mal wieder an ihre eigenen Festlegungen erinnern würde. Und „sehr gut“ wäre es, wenn sie sich nicht nur zu einer neuen, präziseren, bundesweit vergleichbaren und damit gerechten Notendefinition durchringen, sondern auch noch die Erwartungen in der gymnasialen Oberstufe vereinheitlichen könnte.

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Verstärkte Kulturhoheit

Die Länder haben einen Sieg über den Bund davongetragen und ihre Kulturhoheit, die ihnen das Grundgesetz seit 1949 zubilligt, vehement verteidigt. Hoffentlich ist es kein Pyrrhussieg, ein solcher Sieg ist seit der Antike bekanntlich eher eine Niederlage. Die Milliarden des Bundes für den Digitalpakt sind fürs Erste mal weg. Ob sie jemals wieder in die Nähe der Schulen kommen, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Dann aber ist der Zug der Digitalisierung schon vorbeigefahren. Man wird dann einen ganz besonders schnellen Expresszug brauchen, um ihn wieder einzuholen. Ganz wohl scheinen sich die Länder mit ihrer Hoheit nicht zu fühlen. Dafür gibt es zu viele Baustellen im Bildungsbereich: grandiose Unterschiede zwischen den Bundesländern bei Tests wie PISA, TIMMS, IGLU, IQB, signifikante Divergenzen beim Abitur trotz des beschlossenen Aufgabenpools, Merkwürdigkeiten bei den Schultypen, bei den Bestimmungen zur Notengebung und Versetzung usw. Andererseits kann man meterweise Empfehlungen in den Lose-Blatt-Sammlungen der KMK besichtigen. Aber da nichts verbindlich ist, bleibt sehr viel auf der Strecke oder vermodert in den Archiven der Schulverwaltungen. Das soll nun anders werden. Die Kultusministerin von BW schlägt vor, dass die Länder sich durch Staatsverträge zu mehr Gemeinsamkeit und Vergleichbarkeit verpflichten. Es gibt bereits Arbeitsgruppen dazu – sie ergänzen die vielen Arbeitsgruppen, die bereits seit Jahren bestehen. In den 2020er Jahren soll die Sache spruch- bzw. abstimmungsreif sein. Aber bis 16 Bundesländer sich einig sind und entsprechende Gesetze erlassen, wird es dauern. Der kulturhoheitliche Zug hatte bisher ein Bummeltempo. Warum sollte sich das plötzlich ändern?

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Kaemka

In der Überschrift sieht sie merkwürdig aus, die KMK, aber sie wurde halt so geschrieben, wie man sie ausspricht. Doch sie ist auch etwas Merkwürdiges. Die Konferenz der Kultusminister ist kein Verfassungsorgan, jedenfalls ist im Grundgesetz nicht von ihr die Rede. Sie wurde nach der Gründung der Bundesrepublik geschaffen, weil man bald merkte, dass die Schulsysteme auseinanderdriften würden, wenn man der „Kulturhoheit der Länder“ kein Korrektiv zur Seite stellte (Konjunktiv 2). Leider kann die KMK nur Empfehlungen geben, gesetzt den Fall, sie einigt sich einstimmig auf eine Regelung. Die dann umzusetzen obliegt den Regierungen der einzelnen Bundesländer. Das ist ein träges Verfahren. Es wundert daher wenig, dass es lange dauert, bis eine Innovation überall implementiert ist. Im Jahr 2017 ist Frau Dr. Eisenmann, ihres Zeichens Kultusministerin des Musterlandes Baden-Württemberg, Vorsitzende der KMK. Ihr Schwerpunkt werde die berufliche Bildung sein, sagt sie. Dazu gehöre auch die digitale Welt, denn – so die Erkenntnis der Ministerin – ohne „digitale Bildung“ habe ein junger Mensch kaum Chancen in der modernen Arbeitswelt. Dazu passt eine Meldung in der Zeitung von heute (19.1.17): Von den 600 Millionen Euro, die der Bund 2016 für die Breitbandverkabelung zur Verfügung gestellt habe, seien nur 5 Millionen abgerufen worden. Den Bundesfinanzminister wird es freuen, jenen aber, die sich um Deutschlands Zukunft Sorgen machen, läuft es eiskalt den Rücken hinunter, nicht nur der augenblicklichen Frostphase wegen.