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Böblingen und die Tonne in Orange

Der Landkeis Böblingen und das dortige Amt für Abfälle hat sich etwas Neues einfallen lassen, es hat die Farbpalette der Abfalltonnen um die Farbe Orange erweitert. Dieses Ding macht das Leben im Kreiss BB noch bunter. Nach der tristen schwarzen Tonne (für den Restmüll), der hübschen grünen (für das Kompostierbare) und der edlen blauen Tonne (für Pappe und Papier) gibt es seit dem Januar eine Tonne in Orange. Wofür ist sie? Das erfährt man auf der Homepage des Landratsamts:

„In die neue Wertstofftonne dürfen sogenannte stoffgleiche Nichtverpackungen aus Metall, Kunststoff und Holz.“ Äh? Was ist eine „sogenannte stoffgleiche Nichtverpackung“? Wer hat sie „so genannt“ und womit ist sie stoffgleich? Und was ist eine „Nichtverpackung“? Ich vermute. ein Stoff, der sich nicht zum Verpacken eignet oder nicht dafür verwendet werden darf. Aber vieles ist doch in Metall und Kunststoff verpackt – darf das dann nicht rein? Doch das Rätselraten geht weiter:

„Auch wenn die in jeder Kreisgemeinde vorhandenen Wertstoffhöfe die offizielle Annahmestelle für Verpackungen wie Joghurtbecher, Kunststoffflaschen, Getränkekartons und Dosen bleiben, handelt jeder Bürger rechtmäßig, der die Wertstofftonne als Ersatz für den Besuch auf dem Wertstoffhof nutzt und diese Verpackungen aus Kunststoff und Metall einwirft.“ Aha! Eigentlich müsste ich meine Kunststoffbecher (keine Nichtverpackungen!) zum Wertstoffhof fahren, aber wenn ich es nicht mache und das Zeug in die Tonne mit dem Deckel in der Farbe Orange werfe, handle ich rechtmäßig, muss also kein Bußgeld befürchten.

Aus Dankbarkeit dafür, dass man bereit ist, meine Wertstoffe, zu denen auch elektronische Geräte (Föhne, Rasierapparate) gehören dürfen, zu spenden, darf ich pro Abfuhr 3,50 € entrichten. Teurer wird es wohl, wenn ich vergesse, die Geräte zuerst in einen roten Sack (gibt es umsonst!) zu packen. Dann ist wohl doch ein Bußgeld fällig. Seltsam, dass sich erst wenige Bürger des Kreises Böblingen für diese wunderbare Tonne entschieden haben.

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Ungetrübt – Optimismus in der Krise

Stimmt: die Überschrift ist mehrdeutig. Aber wer weiß es schon wirklich? Ist der Optimismus in der Krise oder ist er in ihr angezeigt? Die Sindelfinger Zeitung setzt auf Letzteres und hat uns eine Beilage präsentiert, deren Motto lautet: „Hier wird Zukunft gemacht. Gute Nachrichten in der Krise.“ Es handelt sich um eine PR-Aktion für die „25 der innovativsten und erfolgreichsten Unternehmen im Kreis Böblingen.“ Zu denen gehört auch Mercedes. Das ist jene Firma, die ihre C-Klasse woanders bauen und einige tausend Arbeitskräfte abbauen will.

In der Zukunftsbeilage kommt ihr Werkleiter zu Wort, Prof. Dr. Eberhard Haller. Von ihm lässt sich lernen, wie man Optimismus ausdrückt. Der drohende Verlust der C-Klasse wird mit Schweigen übergangen. Dafür wird der Leser sprachlich zugedröhnt. Am Anfang des Interviews gibt sich der Spitzenmanager noch verhalten. Er sei „vorsichtig optimistisch“, was die Zukunft angeht. Am Ende des Textes aber zeigt er sich überzeugt, dass die Firma mit ihren „hervorragenden Produkten für die Zukunft bestens aufgestellt“ sei. Warum? Man hat eine „Vielzahl von erfolgreichen Maßnahmen entlang der Wertschöpfungskette umgesetzt“, zum Beispiel eine „Modulstrategie“. Und vor allem seien es die „neuen innovativen Produkte“, die dazu beitragen, dass man sich „bestens gerüstet“ fühle. Immerhin sei die C-Klasse „zum schönsten Auto Deutschlands gewählt“ worden. Das zeige: „Die Zukunft hat bei uns schon begonnen.“ Denn man investiere „uneingeschränkt und zielgerichtet in die Zukunft“. So werde 2010 „ein neuer Flügeltürer“ auf den Markt kommen. Dieser Sportwagen sei, so Haller, „ein absoluter Höhepunkt“ und „ohne Übertreibung Emotion pur“. Ohne Übertreibung?

Herr Professor Haller zeigt sich in diesem Gespräch als ein unheimlich begeisterter Mann: Er ist begeistert vom Engagement und der Sorgfalt seiner Mitarbeiter, vom „einzigartigen Technologiepaket“ der neuen Flügeltürers und er teilt die Begeisterung der Kunden über die Sparsamkeit des neuen BlueTec Diesel.

Angesichts dieser begeisterten „Emotion pur“ des Werkleiters ist Häckerling eher entgeistert.

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Unliebsame Langsamkeit 1: S 60

Der Aufbau Ost war im Vergleich zum Aufbau des Kreises Böblingen offenbar ein Klacks. Dort hat man in zwei Jahrzehnten jede Menge Autobahnen und Schienenstränge, Raststätten und Bahnhöfe gebaut, aber auch Kirchen und Adelssitze saniert. Dazu kann man nur gratulieren. Die neuen Bundesländer haben in kurzer Zeit allerhand Neues bekommen.

Hierzulande dagegen – im Kreis Böblingen – gibt es eine Bundesstraße 464, die im Nichts endet. Nur ein paar einsame Brückenbauwerke stehen in der Landschaft: Symbole des Stillstands. Hierzulande – im Kreis Böblingen, wie gesagt – gibt es auch eine S-Bahnlinie, deren Name (S 60) etwas Futuristisches an sich hat. Es ist auch eine Bahn im Futur: Eines Tages wird sie kommen. Aber wann? Sie lässt bereits Jahrzehnte auf sich warten.

Schon in den 1970er Jahren war die Aussicht auf einen S-Bahn-Anschluss ein verlockendes Argument für unsere Familie, in den Sindelfinger Stadtteil Hinterweil zu ziehen. In den 1980er Jahren hat sich so mancher Lehrer mit der Aussicht auf einen S-Bahnhof in der Nähe an das Gymnasium Unterrieden locken lassen. Doch die Bahn kam nicht; sie hatte offenbar Verspätung. Sie hat sie immer noch.

Nun aber sollte es ernst werden: Ende 2010 würde, so hieß es, die Verbindung Böblingen-Renningen, die S 60 also, ihren Betrieb aufnehmen. Ein Traum des letzten Jahrtausends würde endlich in Erfüllung gehen. Und tatsächlich geschah etwas: Die alten Schienen wurden herausgerissen, neue angebracht. Auch eine Oberleitung entstand. Güterzüge begannen die Strecke zu nutzen. Und dann?

Dann verödeten die Baustellen. Irgendwann erfahren wir den Grund: Es werde nichts mit der ersten S-Bahn-Fahrt zum Fahrplanwechsel 2010. Es gebe noch einige Planungsprobleme. Da fragt man sich: Was haben die Verantwortlichen in den letzten 40 Jahren eigentlich gemacht?

Doch es gibt wohl zu viele Verantwortliche. Keiner hat die Verantwortung richtig. Keiner kann daher zur Rechschaft gezogen weren. Der Aufbau BB wird noch lange dauern.