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Gemessene Lehrerarbeit

Die Arbeitszeit der arbeitenden Menschen solle genauer vermessen werden, hat der Bundesarbeitsminister beschlossen. Offenbar will man mehr Klarheit und auch mehr Gerechtigkeit. Das Messen der Arbeitszeit von lehrenden Menschen zu messen, ist nicht ganz einfach. Sie setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen: dem Deputat, also der Anzahl der Schulstunden, die zu halten sind. Die dauern jeweils 45 Minuten und werden durch Pausen von 5 bis 20 Minuten voneinander getrennt. Sind die Pausen auch Arbeitszeit? Ja, denn man muss von der einen Klasse zur anderen gehen, und zwar über das Lehrerzimmer oder den Ort, wo man seine Lehrunterlagen liegen hat. Zum Unterricht kommen in der Schule die Stunden, in denen Klassen zu beaufsichtigen sind oder die großen Pausen, in denen man darauf achten soll, dass die lieben Kinder sich nicht kloppen oder auf andere Weise wehtun. Dann gibt es allerlei Konferenzen (Klassen-, Fach-, Zeugnis- und andere Lehrerkonferenzen, vor allem die GLK, die Gesamtlehrerkonferenz) sowie die Sprechstunden für die Eltern. Das alles zu genau zu messen, wird schwierig, aber eine Zeitpauschale ließe sich schon errechnen. Aber dann gibt es noch den schwierigsten Teil der Lehrerarbeitszeit, die häusliche: die Unterrichtsvor- und -nachbereitung sowie die Korrekturen. Diese Zeiten sind individuell sehr unterschiedlich. Sie hängen ab von den Fächern, die unterrichtet werden. Aber es müsste möglich sein, gerundete Zeiten für die Korrektur von Aufsätzen (in Unter-, Mittel- und Oberstufe) zu definieren, für Englisch- oder Mathematikklausuren, für Klassenarbeiten in Biologie, Geschichte oder Erdkunde, für Vokabeltests oder andere schriftliche Wiederholungsarbeiten. Man müsste eine Dauer für die Erstellung von Zeugnissen erheben und festlegen. Was gibt es noch? Die Fortbildung. Sie findet nicht nur bei Tagungen statt oder bei pädagogischen Tagen, sie ist auch eine häusliche Aufgabe. Man muss Sach- und Fachbücher lesen, sich ins Digitale einarbeiten, Theaterbesuche durch einen Theaterbesuch vorbereiten. Manche haben auch noch die Aufgabe, Klassen ins Schullandheim, bei der Studienfahrt beim Schüleraustausch oder einfach nur am Wandertag zu begleiten. Und so weiter. Das alles zusammen ergibt die Lehrerarbeitszeit. Sie ist in den Ferien kürzer und während der Schulwochen deutlich länger als 41 Stunden. Und was ist, wenn sich ein Durchschnitt ergibt, der über dem angeordneten Dienstauftrag eines Beamten liegt? Gibt es dann eine Arbeitszeitverkürzung? Man darf gespannt sein.

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Hektische Schulbetriebsamkeit

Wenn eines gewiss ist in der Pandemie, dann ist es das Wissen, dass man (fast) nichts weiß. Und wie immer, wenn man keine Ahnung hat, erhöht man die hektische Betriebsamkeit. Dieses Gesetz gilt auch für und in den Schulen. Jeden zweiten Tag erreichen uns neue, sicher wohlgemeinte, aber undurchdachte Ratschläge. So will die wirkungsarme Bundes-Bildungsministerin auch die Grundschüler*innen nur mit Maske beschult sehen. Hat sie eine fachliche Begründung dafür? Nein. Nun geistert wieder einmal das Gespenst der Ferienverlängerung herum. Der NRW-Chef L., der gerne CDU-Chef werden will, verlängert die Weihnachtsferien. Seine Logik: Wenn die Kinder nicht in der Schule sind, können sie sich dort nicht anstecken. Aber irgendwo sind Kinder immer, es sei denn, sie müssen eine Woche zu Hause bleiben und Serien gucken. Sind sie aber unterwegs, treffen sie andere – und können sich (welche Überraschung!) bei ihnen anstecken. Die Lehrerverbände sorgen sich um die Lehre*innen und wollen die Klassen halbieren. Immer soll eine Hälfte zu Hause lernen. Offenbar geht man davon aus, dass die technischen Voraussetzungen inzwischen dafür geschaffen wurden. Leben Lehrkräfte in erhöhter Gefahr, sich anzustecken? Das wird fröhlich behauptet, bewiesen ist es nicht. Das neue Motto lautet: Wir haben zwar keine Ahnung, aber wir wissen es trotzdem. Von Lehrerverbänden sollte man ein höheres Niveau erwarten als von verquer Denkenden. Ähnlich ist es mit dem Schrei nach Lüftungssystemen für Klassenräume: Niemand weiß, wie sie wirken und ob sie es überhaupt tun. Aber haben müssen wir sie trotzdem, sofort. Wer den zweiten Schritt vor dem ersten tut, gerät leicht ins Stolpern.

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Politik

Umstrittener Regelbetrieb

Endlich haben die rot-schwarzen Koalitionäre ein Thema gefunden, über das sie sich publikumswirksam streiten können. Kann nach den Sommerferien an den Schulen wieder der „Regelbetrieb“ losgehen, wie es die KMK vereinbart hat und wie es die Ministerin E. beteuert, oder ist das wenig wahrscheinlich, wie der Ministerpräsident K. mutmaßt? Diese Differenz zwischen den Aussagen der beiden Wahlkämpfer ist gar keine. K. ist skeptisch, weil über 20 % der Lehrkräfte fehlten, sie seien „vulnerabel“, also verletzlich oder gefährdet, wenn das Virus sie erwischt. E. ist optimistisch, muss aber einräumen, dass es wegen der fehlenden Lehrkräfte nicht ohne Einschränkungen gehen werde. Ein Streit um des Kaisers Bart. Oder, um es paradox auszudrücken: Wir werden im Herbst an den Schulen einen ungeregelten Regelbetrieb haben. Der müsste allerdings klug geregelt werden. Die Vulnerablen sind ja nicht krank, sondern nur schützenswert, wie wir alle eigentlich. Sie können arbeiten, in der Schule unter Einhaltung der Hygieneregeln oder zu Hause am Bildschirm. Steht ihre Stunde an, so Häckerlings Vorstellung, werden sie „zugeschaltet“. Falls das von einem Nebenraum des Schulhauses aus geschieht, einem Studio sozusagen, wäre das fast wie normaler Unterricht. Ob die Klasse eine zusätzliche Aufsicht braucht oder ob Videoüberwachung ausreicht, müsste von Fall zu Fall entschieden werden. Man könnte eine Hoffnung haben: dass die Schützenswerten dann doch lieber ins Klassenzimmer gehen, wenn ihnen die Videoauftritte zu lästig sind. Oder werden sie nur darüber jammern, was man ihnen zumutet? Sorry, aber ich sehe in den Geschäften, den Lokalen und auf den Flughäfen viele, die mir ziemlich vulnerabel vorkommen. Warum sollte man sie nicht im Unterricht sehen?