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Reformationsbier

Wenn dieser Redensart tatsächlich eine reale Möglichkeit zugrunde läge, würde er sich im Grab herumdrehen und damit sein Missfallen über das Reformationsgedenken 2017 bekunden. Aber Luther ist schon zu Staub zerfallen und kann sich nicht mehr wehren. Daher übernimmt Häckerling diese Aufgabe, wenigstens ein bisschen. Nicht dass ich dagegen wäre, dass wir uns an die Reformation erinnern. Sie darf nie aufhören, wenn das reformatorische Wort noch gilt, dass die Kirchen sich ständig zu reformieren haben. Dazu gehört auch, finde ich, dass sie sich überlegen, ob ihre heutige Struktur, ihre „Verfasstheit“, ihr Anspruch und vor allem ihre Verkündigung noch dem entsprechen, was die Welt, in der sie sich bewegen und die (mit) zu gestalten ihr Auftrag ist, von diesen christlichen Kirchen erwartet. Aber was tut die protestantische Kirche derzeit? Sie stellt Äußerliches in den Vordergrund. Sie lässt Münzen prägen und Briefmarken drucken, sie vermarktet Orte touristisch, wo Luther mal einen Fuß draufgesetzt hat – und das im deutschen Osten, der sich durch seinen Verzicht auf jegliches Christentum ganz besonders auszeichnet. Das Wesentliche der Reformation lässt sich nicht an Orten erkennen, es spielt sich im Kopf ab. Aber landauf, landab wird nach lutherischem „Vorbild“ gespeist – dabei hat sich der Reformator eher ungesund ernährt. Heute entnehme ich der örtlichen Presse, dass ein Luther-Bier kreiert worden ist – als ob des Reformators Trinkgewohnheiten ein Modell für die Zukunft sein könnten. Aber Hauptsache, der Dekan kommt mal wieder mit Bild in die Zeitung. Wichtig ist offenbar nur noch, dass man als protestantische Kirche mit der katholischen medial Schritt hält. Ob man so, um es lutherisch auszudrücken, einen gnädigen Gott bekommt? Und ob sich mit Bier, Essen, Münzen, Briefmarken und Tourismus die Welt bessert, das bezweifle ich.

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Reformation

Nun arbeiten sie sich in allen Medien an Martin Luther ab. Die einen stilisieren ihn zum protestantischen Heiligen, andere werden nicht müde, seinen Antisemitismus zu geißeln. Dabei gerät etwas aus dem Blick, was er wollte: eine bessere Kirche, keine, die sich selbst als das Wichtigste ansieht, deren Hierarchie alles Spontane erstickt, die mehr am Geld der Gläubigen als an deren Seelenheil interessiert ist. Da jede Organisation Gefahr läuft, zu verkrusten und sich selbst für überaus wichtig zu halten, ist das Wort von der Kirche, die ständig zu reformieren sei, auch heute noch relevant. Der Oberkirchenrat der württembergischen Landeskirche sollte sich daran auch immer wieder erinnern. Mir kommt es jedenfalls so vor, als habe man sich dort von der kirchlichen Basis ziemlich weit entfernt. Die Beispiele behalte ich heute mal für mich. Was Luther angeht, so habe nichts gegen ihn. Seine Übersetzungs- und Sprachschöpfungsleistung ist bewundernswert. Ob die neuerliche Revision der Luther-Bibel nötig war, sei dahingestellt. Aber sie per Vorschrift in den Gemeinden zu verankern, das geht nicht. So schön die Luther-Sprache auch ist, sie stammt aus dem 16. Jahrhundert und läuft dem Empfinden des heutigen Menschen manchmal sehr zuwider. Manche Passagen aus den Paulusbriefen sind, vorgelesen, schlicht unverständlich. Wenn es Luther wichtig war, die Bibel dem normalen Leser verständlich zu machen, muss sie in der Sprache des 21. Jahrhunderts zu Wort kommen. Von einer lebendigen protestantischen Kirche erwarte ich, dass sie unter Berufung auf dieses Wort dem Leben, der Freiheit, der Vielfalt, der Offenheit gute Bedingungen schafft, dass sie ehrlich ist, eine deutliche Sprache spricht, dass sie bekennt und einsieht, es nicht allen recht machen zu können. Eine lebendige Kirche setzt sich für die Rechte derer ein, die benachteiligt sind und Unterstützung brauchen. Sie stellt sich gegen jene, die nur an ihren Profit denken. Sie trägt dazu bei, dass der Globus nicht zerstört wird.