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Unlieblich – die neue Mädchensprache

Eine Schlagzeile der Stuttgarter Nachrichten (22.9.09) lässt aufhorchen: „Mädchen lassen immer öfter die Fäuste sprechen.“ Abgesehen von der immer noch etwas gewöhnungsbedürftigen Steigerung von „oft“ ist der Inhalt dieses Satzes bemerkenswert. Frauen und Mädchen, üblicherweise die Opfer von Männergewalt, schlagen zurück und attackieren – im beschriebenen Fall ohne ersichtlichen Grund – einen älteren Mann. Der Einzelfall sei gar keiner, berichtet die Zeitung; hier zeige sich ein Trend. Werteverlust und Alkoholkonsum führten zu einer Zunahme weiblicher Gewaltakte.

Dabei hat sich die Zeitung zu einer eher freundlichen Formulierung entschlossen. Man vermeidet das Wort „Gewalt“ und wählt eine – bisher wenigstens – positiv besetzte Metapher: sprechen lassen. Wir erinnern uns an die Fleurop-Werbung „Lasst Blumen sprechen!“ Dass man das Herz oder die Seele sprechen lässt, ist durchaus üblich. Auch Bilder oder Zahlen lassen manche gerne sprechen, Erfolge oder Taten, meinetwegen auch Tore, könnte man sprechen lassen, aber Fäuste?

Die Sprache der Gewalt sei manchmal die einzige Sprache, die verstanden wird, liest man gelegentlich. Dennoch habe ich bei den „sprechenden“ Fäusten meine Probleme. Ist das Attackieren, das Zuschlagen wirklich eine Sprechhandlung? Oder ist es nicht eher der Ausdruck einer Sprachlosigkeit, einer Unfähigkeit, sich verbal mit anderen Menschen auseinanderzusetzen. In der Schule jedenfalls ist das Erste, was man schlagenden Kindern und Jugendlichen vermittelt, dass sie miteinander sprechen sollen.

Es spricht einiges dafür, diese Haltung auch den mit ihren Fäusten sprechenden Mädchen anzuempfehlen. Allerdings fragt man sich, welche Sprache sie überhaupt noch verstehen.