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Mediales Analphabetentum

Ein Gespenst geht um in der Welt: der naive Glaube an die Wahrheit von Posts in den sozialen Medien. Wenn die Zahlen stimmen, sind sie besorgniserregend. Dass nämlich rund ein Viertel der Bevölkerung anfällig ist für Unwahrheiten, für erfundene Theorien und dümmliche Weltdeutungen. Dass Menschen für wahr halten, was längst als falsch entlarvt wurde. Wir könnten mit dem Finger auf die USA zeigen, wo ein Präsident verkündet, er habe eine Wahl gewonnen, die er verloren hat, wo ihm Anhänger blindlings folgen und auch vor Gewalttaten nicht zurückschrecken. Aber wenn es bloß im bildungsdefekten Amerika so wäre, könnten wir uns entspannt zurücklehnen. Aber es soll auch bei uns Menschen geben, die sich als Virus-Leugner bekennen, die hinter der Pandemie eine Weltverschwörung wittern und im Impfen den Versuch, uns genetisch zu verändern. Es gibt auch Leugner des vom Menschen gemachten Klimawandels. Es gibt Antisemiten, die hinter allem, was derzeit an Ungutem geschieht, das Weltjudentum als Akteur sehen. Derlei Zeug wird allenthalben verbreitet. Und es wird geglaubt. Es ist Zeit für eine PISA-Studie, die sich der medialen Dummheit annimmt. Hat die Schule versagt? Haben wir mediale Analphabeten herangezogen? Ein Korn Wahrheit steckt darin. Die mediale Bildung ist rudimentär. Wir haben zu wenig Kompetenz im Umgang mit medialer Desinformation vermittelt. Wir haben zu wenig darauf geachtet, dass die Schülerinnen und Schüler lernen, bei Informationen die Spreu vom Weizen zu trennen, Falsches von Richtigem zu unterscheiden, guten und schlechten Journalismus auseinanderzuhalten. Die Kultusministerkonferenz, von der man derzeit fast nichts hört, hätte hier eine systemrelevante Aufgabe.

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Über die Medienkompetenz

Schon wieder dieses Thema! Am 4.1.10 fordert die Stuttgarter Zeitung einmal mehr die Schule auf, endlich etwas zur Verbesserung der Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler beizutragen. Schon vor einem Monat (am 9.12.09) sah sich Häckerling veranlasst, zu diesem Ansinnen Stellung zu nehmen. Was erfahren wir diesmal? Zwei Überschriften auf Seite 2 bilden den Blickfang: „Der digitale Graben“ und „Eltern müssen sich interessieren“. Wofür?

Der Medienpädagoge Aufenanger fordert, dass Elternhaus und Schule „deutlicher wahrnehmen“, dass bei der Mediennutzung soziale und ethische und nicht nur technische Kompetenzen „sehr wichtig“ seien. Daher müsse sich die Schule diesen „gesellschaftlichen Entwicklungen öffnen“. Als ob sie das nicht schon längst täte.

Allerdings vergreift man sich in der Zeitung etwas, wenn man die Medienkompetenz (ohne den Begriff „Kompetenz“ geht heute offenbar nichts mehr) zur vierten Schlüsselqualifikation neben dem Lesen, Schreiben und Rechnen hochstilisiert. Schließlich wird auf dem Bildschirm auch nur gelesen und geschrieben. Belassen wir es also lieber dabei, diese Fertigkeiten zu schulen.

Zustimmen möchte man der Forderung, die „ethische Kompetenz“ zu fördern. Das kann in allen Fächern geschehen, besonders aber im Deutschunterricht und in den sprachlichen Fächern, in der Bildenden Kunst (der vielen Bilder wegen, die das Netz liefert), im Religionsunterricht und im Fach Ethik. Und da geschieht es auch schon, aber möglicherweise noch zu wenig.

Ob es sinnvoll ist, für 600.000 Euro Anzeigen zu schalten, als „Sensibilisierungskampagne“, wagt Häckerling zu bezweifeln. Das Sensibilisieren geschieht schon durch Spots im Fernsehen, aber mit welchem Erfolg? Sinnvoller wäre es, dieses Geld in eine verbindliche (!) Fortbildung der Lehrkräfte zu stecken. Den in Bayern ausgedachten „Medienführerschein“ sollten alle Lehrer erwerben. Einen „Erste-Hilfe-Kurs verlangt man schließlich auch von ihnen.

(Blog-Eintrag Nr. 132)

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Überzogen – Forderung nach Medienkompetenz

Die Informationstechnologie sei ein Jobmotor oder soll einer werden bzw. künftig noch stärker sein. Wenn dem so ist, dann besteht Anlass zu Optimismus. Dann müssen es die Autoindustrie, die Chemiewirtschaft, der Maschinenbau, die Solarbranche (oder wer sonst noch infrage kommt) nicht alleine richten. Aber was ist im Leitartikel der Stuttgarter Zeitung (vom 9.12.09) zu diesem Thema auch noch zu lesen: Die Schulen sollen zum IT-Wunder beitragen.

Der Kommentator stellt als Frage, was er fordert: „Sollte nicht in allen Schulen Medienkompetenz vermittelt werden?“ Und die Voraussetzung dafür sei, wieder als Frage formuliert, ob nicht die „angehenden“ Lehrer „zwingend“ darin „geschult“ werden sollten? Da könnte der geneigte, der Schule ferne stehende Leser meinen, in dieser Hinsicht geschehe derzeit nichts. Das stimmt aber nicht. Die Lehramtsstudenten bringen bereits von den Hochschulen einiges an Kenntnissen im Umgang mit der Informationstechnik mit und sie werden in den Seminaren für Didaktik und Lehrerbildung zusätzlich „geschult“. Was die Schulen angeht, so wird der Computer seit vielen Jahren im Unterricht eingesetzt. Man dürfte kaum eine finden, in der es nicht einen Computerraum gibt. Schon sehr lange haben wir eine Unterweisung in ITG, in informationstechnischer Grundbildung, die Schüler lernen bereits in den unteren Klassen das Recherchieren im Netz, das Schreiben mit Textverarbeitung, das Versenden von E-Mails; sie setzen bei ihren Präsentationen Power-Point ein, drehen Filme mit ihren Handys und dergleichen mehr. IT und Schule sind sich nicht fremd. Was also fehlt?

Zu kurz kommt nach meiner Einschätzung das, was der Zeitungskommentator wohl nicht im Auge hat: der kritische Umgang mit den Medien. Medienkompetenz ist mehr als eine Technik. Dazu gehört auch das Wissen um ihre Gefahren, die Möglichkeiten des Missbrauchs, als da wären Verstöße gegen den Datenschutz, Verletzungen der Menschenwürde, Manipulationen mit Bildern. Die Schule ist nicht nur dazu da, der IT-Branche zuzuarbeiten, sie hat einen umfassenderen Auftrag: Erziehung und Bildung.
(Blog-Eintrag Nr. 120)