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Politische Unzulänglichkeit

Es ist nicht leicht, Politikerin oder Politiker zu sein. Die Erwartungen des Volkes sind hoch. Die politische Klasse soll es richten, soll führen, gute Entscheidungen treffen, dafür sorgen, dass es allen oder möglichst vielen gut geht. Wie gut sie ihrer Aufgabe in der Pandemie nachkommt, können in der Regel erst die Historikerinnen und Historiker in ein paar Jahren herausarbeiten können. Wird es aus der Sicht der Zukunft besser gewesen sein, in dieser April-Woche schnell irgendein Gesetz zur Erhöhung der Bundeskompetenzen zu verabschieden, damit das Virusgeschehen angegangen werden kann, oder wäre es aus zukünftiger Sicht klug gewesen, ein gutes, gründlich diskutiertes Gesetz zu erarbeiten, dessen Inkraftsetzung sich aber (zu lange?) hinzieht? Die Zukunft wird auch zeigen, wie man eine etwaige zweite Virus-Attacke finanziert, nachdem man schon in der ersten Pandemie ungeheure Schulden aufgehäuft hat. Auch bei einem anderen Thema wird erst die Zukunft zeigen, ob das politische Handeln zureichend oder unzulänglich ist, beim Thema Klimawandel. Ständig hören wir, wie wichtig es sei, richtige Maßnahmen zu ergreifen. Aber welche sollen das sein? Veränderungen bei der Mobilität? Beim Hausbau, beim Heizen, beim Essen? Werden es die politisch Verantwortlichen wagen, von „den Menschen“, aber auch von „der Industrie“ das Notwendige zu fordern, oder werden sie lieber auf die Demoskopie hören, wie es Teile der Christlichen Demokraten gerade in der Kanzlerkandidatenfrage fordern. Diese Art der Basisdemokratie kann nach Häckerlings Einschätzung nur scheitern. Warum sollten in Sachen Klima oder Virus oder Kanzlerschaft anonyme und vielleicht auch zufällige Mehrheiten im Volk schlauer sein als Politiker*innen? Mein Rat: Seid mutig und nehmt etwaige Unzulänglichkeiten in Kauf.

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Hektisches Ankündigen

Das Schöne an der Demokratie ist, dass jeder zu allem den Mund aufmachen darf. Wenn wir Normalsterblichen uns äußern, hört kaum jemand hin, wenn Politiker reden, hält man ihnen ein Mikrofon vor den unmaskierten Mund. Vor allem vor Entscheidungen muss jeder schon mal was sagen. Morgen, am 5. Januar, will das Entscheidungsgremium, von dem das Grundgesetz nichts weiß, die Gruppe der Ministerpräsident*innen und die Kanzlerin, den Weg in die nächste Pandemiezeit weisen. Was die Herr- und Frauenschaften morgen über uns beschließen, ist schon heute zu lesen. Der Shutdown geht weiter, aber wie lange? Die Geschäfte bleiben zu – bekommen sie wieder die üblichen 11 Milliarden Euro? Schulen und Kitas bleiben wohl auch zu – oder doch nicht? Mit Milliarden lässt sich der Bildungskahlschlag nicht verhindern. Daher gehen just bei diesen Themen die Aussagen der Verantwortlichen unterschiedliche Wege. Zwei Wochen oder drei Wochen? Alle Klassen oder nur ein Teil davon? Häckerling wundert sich, dass man morgen schon die Grundlagen für solides Entscheiden hat. Denn in den letzten Tagen wurden uns Infektionsdaten genannt, die, wie es hieß, „keine Aussage“ zulassen, weil sie von den Feiertagen geprägt sind. An denen wurde nämlich weniger getestet und weniger gemeldet. Hat nicht Trump mal gesagt, man solle weniger testen, dann gebe es weniger Infizierte? Aber diese Unperson darf nicht zitiert werden. An den Weihnachtstagen und über Neujahr haben wir trotzdem seinen Rat beherzigt. Eines ist klar: Die Politik steht über dieser Unwissenheit. Hat sie vielleicht geheime Zahlen, die man uns anderen vorenthält? Oder wird man morgen ehrlich sagen: Wir haben keine Ahnung, wie sich die Pandemie bei uns in den letzten zwei Wochen entwickelt hat, also können wir auch nicht profund entscheiden? Nie und nimmer! Auch wer nichts weiß, muss handeln.

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Überforderte Verwaltungen

Rasch sind die Politikerinnen und Politiker mit dem Wort, doch auf der administrativen Ebene stoßen die Realitäten hart aufeinander. Das musste jetzt sogar der zweite Aufsteiger des Jahres (neben dem Gesundheitsminister), der bayerische Ministerpräsident, unerwartet erfahren. Dass man für Massentests nicht nur massenhaft Tests braucht, sondern auch Menschen, die sie durchführen und vor allem ein durchdachtes System der Kommunikation, das wissen Regierende im Prinzip schon. Aber sie delegieren solche Aufgaben gerne „nach unten“. Und wenn es dort unten auf den Falschen bzw. die Falsche trifft, dann ist der Schlamassel da. Der hat natürlich auch einiges mit der deutschen Wirklichkeit zu tun, täglich zu erleben bei Restaurantbesuchen oder beim Eintritt in Bibliotheken. Dort stehen hübsche Bistro-Tischchen. Darauf lagert eine Einführung in die Hygienevorschriften. Zu ihnen gehört auch das Ausfüllen eines Formulars, in das der Name, der Wohnort, die E-Mail-Adresse oder die Telefonnummer einzutragen ist. Die Eintragung erfolgt mit dem bereitgelegten Kugelschreiber. Sollte nun tatsächlich eine Infektion auftreten, muss jemand die zahlreichen Zettel sichten, sich mit Unleserlichem abmühen, die Namen in neue Listen übertragen und hoffen, dass es sich bei den Eintragungen um nichts Erfundenes handelt. Die armen Tester in Bayern sollen derzeit 44000 Zettel durcharbeiten und Listen erstellen, von denen Häckerling inständig hofft, dass sie datenbanktauglich sind. In einem Land, wo Bleistift und Kuli den Höhepunkt digitaler Nutzung darstellen („digitus“ ist ein lateinisches Wort und heißt „Finger“), ist das nicht selbstverständlich. Wie schön wäre es, wenn Politiker nicht nur große Aktionen anleiern würden, sondern sich auch um den Fortschritt im Kleinen kümmerten.