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Wulff und das Wolfsrudel

Das hätte der Häckerling-Blogger denn doch nicht gedacht: dass ein Bundespräsident so menschlich, allzumenschlich ist, nicht nur beim Geld, sondern auch sonst. Weil (zum Glück) gerade keine größere Katastrophe hereingebrochen ist, also den Medien nur Berichte über saure Gurken bleiben, haben sie sich den ersten Mann der Republik vorgeknöpft. Und der spielt auch noch mit!

Von dem günstigen 500.000-€-Privatkredit ist schon lange nicht mehr die Rede. Den hat er übrigens längst durch einen günstigen bei der BW-Bank abgelöst, einer – fast – Staatsbank übrigens, die in der Bankenkrise vom hiesigen Steuerzahler ganz schön gepäppelt werden musste. Leider war der Präsident so ungeschickt, davon in seiner zerknirschten Rede nichts zu erzählen. Er könnte allerdings für sich geltend machen, dass man ihn danach auch nicht gefragt habe.

Nun aber hat er sich – viel Feind, viel Ehr – noch eine neue offene Flanke geschaffen: die Presse. Weil die BILD-Zeitung sich erdreisten wollte, seine Kreditgeschichte zu publizieren, hat er sie vorher gewarnt, solches zu tun. Wahrscheinlich mit dem bekannten guten Grund: Das würde die Politikverdrossenheit im Land steigern. Wo er recht hat, hat er recht, der Herr Wulff. Dumm nur, dass sich dieses Presseorgan auch durch sein drohendes Grummeln nicht von ihrer bösen Absicht hat abbringen lassen! Die hat jetzt eine tolle Story und kann uns den Präsidenten vorführen. Der spielt sogar mit. Er füttert die Medien in einer nachrichtenarmen Phase und zeigt zugleich, allerdings in der Opferrolle, wie wichtig ihm eine investigative Presse ist.

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Journalismus oder Agitation

Sie hat eine neue Qualität bekommen, die politische Auseinandersetzung. Auch wenn niemand Schwarz-Gelb lieben oder die christlich-frei-demokratische Politik gut finden muss, so ist es doch allerhand, was sich vor der Agentur für Arbeit in Stuttgart abgespielt hat. Einige junge Leute, dem Vernehmen nach „Jungliberale“ (auch Julis genannt), haben die Kunden des „Arbeitsamtes“ mit zynischen Sprüchen attackiert. So jedenfalls hat es uns die Stuttgarter Zeitung am 11.6.10 erzählt. Und wir haben ihr natürlich geglaubt, denn inzwischen trauen wir der „gelben Gefahr“ so gut wie alles zu.

Am Tag darauf teilt uns besagte Zeitung mit, dass es sich offenbar nur um vermeintliche Jungliberale gehandelt habe. Irgendwelche Typen hätten sich wohl als solche ausgegeben. Man müsse annehmen, dass sie damit die Freidemokraten ins Zwielicht bringen wollten. Jedenfalls hätten die „echten“ Julis Anzeige erstattet. Die Polizei ermittle. Die Sache sei für sie allerdings „Neuland“. Ob es sich überhaupt um eine strafbare Handlung handle, werde noch zu prüfen sein, heißt es.

Der nächste Akt wird wohl der sein, dass jemand mutmaßt, die Anzeige der Julis sei nur ein schwacher Versuch, davon abzulenken, dass „ihre“ Aktion schlecht angekommen ist. Und so weiter.

Nun wissen wir alle: etwas bleibt immer hängen. Das ist auch den meisten Journalisten nicht unbekannt. Trotzdem schreiben sie flugs einen Bericht über ein Ereignis, das sie selbst nicht geprüft haben, und machen damit – nicht Meinung, sondern Stimmung. Unter seriösem Journalismus hat man früher etwas anderes verstanden.

(Blog-Eintrag Nr. 187)

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Unseriös – die Koalitionsberichterstattung

Man kann über alles schreiben, man kann auch über nichts etwas schreiben. Wer Geschriebenes liest, meint Bescheid zu wissen. Das ist reichlich unbescheiden; denn wir wissen oft nichts, obwohl wir es meinen, aber das wissen wir nicht. Man merkt: Ich schreibe von der Berichterstattung über die Berliner Koalitionsgespräche.

Was ich zu wissen meine: Im Wahlkampf kann eine Partei ihre Ziele als Programm klar und unzensiert formulieren. Sie will den Wählern sagen: Das wollen wir, wenn wir dürfen. Nach der Wahl braucht das Land eine Regierung. Die besteht bei uns aus mehreren Parteien, die sich auf Gemeinsames einigen müssen. Was dabei herauskommt, nennt man Kompromiss. In Deutschland, wo man solche Übereinkünfte nicht gut findet, spricht man gerne von „faulen Kompromissen“. Die gibt es natürlich, aber ist die Alternative, die Einigkeit darüber, dass man sich nicht einig ist, besser?

Zurzeit werden uns alle Tage in den Abendnachrichten irgendwelche Ergebnisse der schwarz-gelben Koalitionsgespräche mitgeteilt. Die finden die Journalisten meistens nicht gut und kommentieren sie herunter. Die Zeitungen am nächsten Morgen schließen sich an. Die Leser und Bürger glauben nun zu wissen, was auf sie zukommen wird: nichts Gutes. Aber sie wissen nicht, dass sie fast nichts wissen, denn die täglichen Wasserstandsmeldungen sind oft nur Versuchsballone und sagen nur wenig darüber aus, was letztendlich im Koalitionsvertrag stehen wird. Und was dort stehen wird, ist noch lange kein Gesetz, sondern eine Verabredung, eine Absichtserklärung. Bei der Umsetzung dieser Absichten in Gesetze passiert bekanntlich sehr viel. Und es kann auch sonst so einiges passieren, wie wir wissen, zum Beispiel eine Finanzkrise oder ein Krieg in Afghanistan oder eine Umweltkatastrophe.

Was einstmals „hinten“, also am Ende aller Beratungen und Abstimmungen, an Gesetzen herauskommen wird, dürfte mit dem, was jetzt vorne aus den Mündern der Sprecher und Schreiber herauskommt, nur noch wenig zu tun haben. Wer jetzt schon alles für bare Münze nimmt, sitzt unseriöser Berichterstattung auf. Mein Rat: alles, was derzeit geredet und geschrieben wird, nicht ganz so ernst nehmen.