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Gescholtene Rechtschreibreform

Zu den besonders beliebten unter den gedankenlosen Äußerungen gehört der Satz: „Früher war alles besser.“ Abgesehen davon, dass unklar ist, wann „früher“ war und was man unter „alles“ versteht, ist auch das Wörtchen „besser“ von teuflischer Ungenauigkeit. Der Komparativ eines Adjektivs bedarf des Vergleichs, sonst ist er inhaltsleer. Besagter Satz wird gerne auf die Rechtschreibung gemünzt. Deren Reform, die vor über 20 Jahren begonnen hat, wird von vielen, die keine Ahnung haben, gerne als Teufelswerk gegeißelt. Dabei war man sich in den 1990er Jahren einig, dass der Schreibwildwuchs, den der Duden-Verlag neun Jahrzehnte mehr schlecht als recht verwaltet hatte, ein Ende haben müsse. Dabei hatte sich seit der letzten Rechtschreibreform, der von 1902, einiges verändert. Aus dem Bureau war das Büro geworden, aus den Cakes der Keks und anderes mehr. Aber es gab barocke Regelungen, die jeden Deutschlehrer zur Verzweiflung brachten: das Komma beim erweiterten Infinitiv zum Beispiel. Stunden haben wir zugebracht, um die etwa zehn Regeln zu vermitteln und zu üben. Das vereinfacht zu haben ist eine der großen Errungenschaften der letzten Reform. Auch hält Häckerling es für einen beträchtlichen Fortschritt, dass man das ß eingedämmt hat und nach kurzem Vokal nun ss verlangt. Endlich kann man hören und es schreibend umsetzen, ob man eine Fressmeile (kurzes e) aufsucht oder sich über den Fraß (langes a)in der Kantine beklagt. Nein, Rechtschreibung und Zeichensetzung waren vor der Reform nicht besser, im Gegenteil, sie hat vieles vereinfacht, auch für die Schüler. Dass das neue Regelwerk in den Schulen nicht richtig vermittelt wurde, hat einen anderen Grund: Die Lehrkräfte sind nicht richtig eingeführt worden. Als ahnungslose Rechtschreiber haben sie ihren Zöglingen die Systematik der neuen Regeln vorenthalten. Die Folgen sind bekannt.

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Überforderte Studierende

Der massenhafte Exodus von Studenten und (möglicherweise auch) Studentinnen bei einer Prüfung an der Universität Hohenheim sorgt für Stress dort und im Wissenschaftsministerium. Mit akademischer Gründlichkeit hat man nun erforscht, warum dutzende (schreibt Häckerling klein, weil er es als Zahlwort nimmt) junger Leute die Prüfung unter Vorlage eines ärztlichen Attestes lautstark verlassen haben. Nun hat man ermittelt, dass diese Jungakademiker heillos überfordert sind. Es ist alles so schwierig und gar nicht so, wie sie es von der Schule her kannten. Dort wurde ihnen das Leben leicht gemacht und „der Stoff“ mundgerecht serviert. Warum macht es ihnen die Universität so schwer? Warum hilft sie ihnen nicht beim Lernen des Wissensstoffes? Warum ist der überhaupt so unverständlich? Und dann möchte die Uni auch noch, dass man die Rechtschreibung beherrscht! Nachdem man in der Grundschule nach dem Gehör hat schreiben dürfen und die Vermittlung eines Regelwerks in den Anfängen stecken geblieben ist, nachdem die Gymnasien in der Vermittlung der Orthografie keine wichtige Aufgabe gesehen haben und man auch mit zig Fehlern eine ordentliche Note im Abitur bekommen hat, will nun die Hochschule plötzlich, dass man korrekt schreibt. Ist das nicht eine ungeheure Zumutung? Alle wissen doch, dass Rechtschreibung und Zeichensetzung unwichtig sind. Und jetzt plötzlich dieser Aufstand wegen ein paar Buchstaben! Häckerling versteht die jungen Leute. Sie sollen Versäumnisse ausbaden, die sich in Jahren angesammelt haben. Leider ist es so: Orthografie und Zeichensetzung wurden schon vor geraumer Zeit auf dem Altar der Kuschelpädagogik geopfert.

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Orthografische Nachhilfe

Die Ministerin für die Schulen in Baden-Württemberg hat endlich eine Lösung für das Rechtschreibproblem der hiesigen Kinder gefunden. Sie packt das Übel an der Wurzel an, nämlich bei den Lehrerinnen und Lehrern. Denn wenn die nicht wissen, welche Regeln gelten und wie man sie umsetzt, dann wird es auch bei den Schülern nichts. Die Lehrkräfte sollen eine Handreichung bekommen, in der alles steht, was sie zur Orthografie und Zeichensetzung wissen müssen. Nun ist Häckerling seit je skeptisch, was die Regeln angeht. Natürlich ist es schön, wenn man sie kennt, aber noch besser ist es, wenn man sie anwenden kann. Aber dieser Graben ist groß. Ihn zu überwinden kann nur durch kräftiges Üben gelingen. Ob es ausreicht, wenn man bei der Korrektur von Klassenarbeiten die Handreichung auf den Schreibtisch legt? Wohl kaum. Wem das richtige Schreiben nicht in Fleisch und Blut übergegangen ist, der wird beim Korrigieren auch künftig über falsch geschriebene Wörter, sinnlose Kommas und fehlende Beistriche hinweglesen. Was also tun? Zuerst sollte die Lehrerausbildung, also vor allem die in den Seminaren, ihre Aufgabe wahrnehmen und mit „null Toleranz“ (Seehofer) an das Rechtschreibthema herangehen. Bei Stundenentwürfen oder Seminararbeiten muss der Rotstift in Betrieb gehen. Die Ausbilder müssen nicht nur methodischen Unsinn, didaktische Fehler zur Sprache bringen, sondern auch die formalen Mängel der schriftlichen Ergüsse. Sonst wird das nichts. Und wenn die Lehrer an den Schulen schon angekommen sind und orthografisch schlampen, ist die Schulleitung gefragt. Hoffentlich ist wenigstens die sicher im korrekten Schreiben.