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Brender-Gedenken

Die Nachricht vom Tod der Autorin Irmela Brender löst beim Schreiber dieses Blogs Erinnerungen aus. Weil er inzwischen wohl der letzte Lehrer ist, der sich an jene innovative Zeit Anfang der 1970er-Jahre erinnert, sei hier eine kurze Darstellung gewagt. Es geht um eine Fußnote der hiesigen Schulgeschichte, den damaligen Religionsunterricht im Sindelfinger Gymnasium in den Pfarrwiesen. Inspiriert vom aufmüpfigen Geist der späten sechziger Jahre und unzufrieden mit der Konfessionsbezogenheit des RU wagten sechs Kollegen (zwei Padres, drei Religionslehrer und ein Ethiklehrer) ein Experiment: Für den Unterricht in der damals noch nicht reformierten Oberstufe wurden drei Gruppen gebildet und mit je zwei unterschiedlich gestrickten Lehrern bestückt. Die Schüler wurden über das Themenangebot der drei Teams informiert und durften dann wählen, an welcher Gruppe sie im kommenden Halbjahr teilnehmen wollten. Nach zwei Jahren wurden wir noch mutiger. Wir boten sechs kleinere Gruppen an mit sechs verschiedenen Themen. Die konfessionelle Zuordnung war endgültig aufgebrochen. Gerne erinnere mich noch an einige katholische Schülerinnen und Schüler, die ich damals unterrichten durfte. Die Schulleitung ließ uns übrigens gewähren. Und was hat das mit Irmela Brender zu tun? Schriftsteller konnten auch damals nicht von ihren Werken leben. So produzierte sie für den einstigen Süddeutschen Rundfunk diverse Sendungen. Eine war dem „Sindelfinger Modell“ gewidmet, unserem interkonfessionellen Religionsunterricht. Postumer Dank an Frau Brender, auch wenn ihre im Radio verbreitete Würdigung dem Modell ein rasches Ende bereitet hat. Die Kirchenleitungen griffen verbietend ein.

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Unzulänglich – der christliche Religionsunterricht

Er hat Verfassungsrang (siehe im Grundgesetz Artikel 7, 3), ist also in seiner Existenz nicht verhandelbar, der Religionsunterricht. Schülerinnen und Schüler, die – obwohl einer christlichen Kirche durch Taufe angehörig – nicht an ihm teilnehmen möchten, müssen ihren Austritt erklären und dabei Glaubens- und Gewissensgründe geltend machen. Danach haben sie – zumindest in Baden-Württemberg – ab Klasse 7 den Ethikunterricht besuchen. Der ist für nichtchristliche Schulpflichtige verbindlich. Einer moralisch-geistlichen Unterweisung kann also kein Jugendlicher entrinnen.

Im Stundenplan der neunten Klasse eines durchschnittlichen dreizügigen Gymnasiums schlägt sich das so nieder: Es gibt (zum Beispiel) zwei Gruppen mit evangelischen, eine mit katholischen Schülern und eine Ethikgruppe; sie liegen auf einer Stundenschiene. Die Schüler der drei Klassen verteilen sich also auf vier Gruppen. Das bedeutet, dass (zum Beispiel) die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9a während der 4. Stunde in der Gruppe 9ab/ev (Raum 210) oder in 9abc/kath (Raum 115) oder in der Gruppe abc/eth (Raum A 14) sind. Sie trennen sich zur moralisch-geistlichen Unterweisung. Das ist in meinen Augen ein Unding. Warum?

Der Religionsunterricht soll nicht nur biblisch-religiöse, geistesgeschichtliche und ethische Basiskenntnisse vermitteln, sondern sich auch mit der Lebenswirklichkeit der Lernenden beschäftigen und ihnen dabei helfen, auf Fragen, die sie beschäftigen, situationsbezogene Antworten zu finden. Viele solcher Fragen tauchen während des Unterrichts in den anderen Fächern auf, also im normalen Klassenverband. Da der Religionsunterricht in Sondergruppen stattfindet, in denen in der Regel Kinder aus verschiedenen Klassen versammelt sind, kann er auf Probleme, die mit der Klasse zu tun haben oder aus ihr kommen, nicht reagieren.

Diese organisatorische Abkoppelung von der Schulwirklichkeit wollen die christlichen Kirchen (derzeit noch) so. Leider. Ihnen ist offenbar die Konfessionalität wichtiger als das geistliche Wohl der Kinder. Die Kirchen sollten sich endlich zu einem überkonfessionellen Religionsunterricht durchringen. Dann würde ein Grund, dass sich die Neuntklässler in der 4. Stunde in verschiedene Räume und zu verschiedenen Lehrern begeben, entfallen und die Klassen blieben auch in der Religionsstunde (fast) komplett.

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Unrühmliche Forderungen 1 oder Bildungspolitische Ziele der CDU

Auch wenn es keine bundespolitische Aufgabe ist, die Bildung erklingt dauernd als Hintergrundmusik im Wahlkampf 2009. So will die CDU (laut „Profil“ September 2009) bis 2015 zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Bildung und Forschung investieren, die Durchlässigkeit im gegliederten Schulsystem erhöhen sowie bundesweite Leistungsmaßstäbe für Abschlüsse. Wäre das nicht Sache der KMK? Kinder ab vier sollen verbindliche Sprachtests ablegen und „bei Defiziten frühzeitig“ gefördert werden; denn alle sollen bei der Einschulung Deutsch sprechen können. Das klingt sehr vernünftig. Und da die Christdemokraten in der Mehrzahl der Bundesländer regiert, hindert sie niemand daran, ihren Forderungen Taten folgen zu lassen.

Aber dann steht in dieser Liste der Ziele noch etwas Merkwürdiges: CDU und CSU wollen, dass „konfessioneller Religionsunterricht zum Kanon der Pflichtfächer gehört.“ Dem ist doch schon so. Im Grundgesetz (Artikel 7, Absatz 3) steht, dass der Religionsunterricht „in den öffentlichen Schulen … ordentliches Lehrfach“ ist – jawohl „ist“. Es ist das einzige Schulfach, das unsere Verfassung vorschreibt. Diese christdemokratische Forderung läuft also ins Leere. Oder handelt es sich um eine Streicheleinheit für christliche Wähler?

Dass allerdings nicht einmal das Grundgesetz es schafft, dem Religionsunterricht in Berlin zu „seinem Recht“ zu verhelfen, steht auf einem anderen Blatt.

Und dass ich den Religionsunterricht in der derzeitigen Form für problematisch halte, werde ich in diesem Blog demnächst erörtern.