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Unwirkliche Person oder Vom Reiz des Rollenwechsels

Der regelmäßige Schreiber von Sonntag Aktuell hat (am 23.8.09) neben der Klage über die mediale Aufrüstung auch den ungewollten Wechsel der Identität zum Thema seiner Kolumne gemacht. Ich mache das – nicht ihn – zum Gegenstand des heutigen Blog-Eintrags.

Dass ein Zeitungsschreiber wie unser Kolumnist plötzlich als Schönheitschirurg angesprochen wird, mag ihn selbst verwundern, wir anderen wissen, dass der Unterschied nicht gar so groß ist. Auch der Journalismus verändert Gesichter, zum Beispiel das der Wirklichkeit: entweder wird es geschönt oder zur Fratze verzerrt.

Auch wenn es nicht immer Spaß macht, für einen anderen gehalten, also verwechselt zu werden, ist doch das Spiel mit der eigenen Rolle durchaus beliebt. Wer wollte nicht gerne mal ein anderer sein? So möchte Peter Handkes Kaspar im gleichnamigen Bühnenstück „ein solcher werden, wie einmal ein anderer gewesen ist“. Die Fastnachtskultur lebt davon, dass man die Rolle wechselt , es allerdings nicht immer schafft. Kleine Kinder sind begnadete Rollenspieler; so findet unser Enkel derzeit seine höchste Lebensfreude darin, ein ICE zu sein und mit großem Tempo durch die Gegend zu fahren, zu rennen natürlich.

In der Literatur finden wir häufig neben dem Anonymus das Pseudonym. Es soll zwar manchmal den wahren Verfasser verbergen, oft aber dem Autor eine andere, bedeutendere Identität verleihen. Das kommt sogar in der Bibel vor: Nicht alles, was als Paulusbrief bezeichnet wird, ist von Paulus verfasst; man soll das aber als Leser meinen. Und besagter Paulus – hieß er nicht einst und war er nicht vorher Saulus, eher er sich vom Christenverfolger zum christlichen Missionar verwandelte?

Als Fußnote sei ergänzt: Häckerling ist ein Pseudonym von Häcker, der sich gelegentlich auch als haecker äußert – sozusagen Rollenprosa im Internet.