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Volksfeindliches Theater

Halb leer war das Stuttgarter Schauspielhaus am 22.3.2010, als in einer Routine-Vorstellung gut einen Monat nach der Premiere der „Volksfeind“ gegeben wurde, ein Stück von Ibsen. Die Thematik des Schauspiels ist durchaus zeitgemäß: Vertreter ökonomischer Interessen verhindern die Aufdeckung der Wahrheit. Die lautet: Das Wasser eines Kur- und Heilbads in Norwegen heilt nicht, sondern macht krank. Der Verkünder dieser Botschaft wird durch allerlei Intrigen aus einem Volksfreund, der dem Volk reinen Wein über das unreine Wasser einschenken will, zum verfolgten Volksfeind.

Man müsste eigentlich wenig tun, um die Modernität dieses Werkes auf der Bühne sichtbar zu machen. Im Stuttgarter Staatsschauspiel tut man sehr viel dafür, zu viel. Das Ergebnis ist ein zerrupfter Ibsen, der den Vorwand für langweiliges Agitationstheater bieten muss.

Die Stuttgarter Zeitung sah das in ihrer Kritik (22.2.10) ganz anders. Da spricht Roland Müller von der „satirischen Aktualisierungskunst“ der Dramaturgen. Dabei ist nur recht mittelmäßiges Politkabarett zu sehen. Dessen Botschaft ist ebenso geistlos wie schlicht: Die (natürlich liberale) Machtelite Deutschlands ist – einschließlich der Presse – durch und durch korrupt. Sie scheut vor keiner Schandtat zurück, um die Wahrheit zu vertuschen und ihre Renditen nicht zu gefährden.

Müller versteigt sich gar zu der Aussage, dass sich das Theater, er meint das Staatsschauspiel in Stuttgart, zum „lebendigen Ersatzparlament der Stadt“ entwickle. Das beweise „schlagend“ dieses „lokalpolitisch eingefärbte“ Stück. Und das sei gut so, meint er abschließend.

Es ist gar nicht gut, weil es kein gutes, sondern dürftiges Theater ist. Wir bekommen simple Worterklärungen: „Geldwäsche“ wird dadurch veranschaulicht, dass jemand einen Geldschein in einen Wasserkrug taucht, und „Schlammschlacht“ durch das Werfen von Dreckbollen. Und was soll man davon halten, dass die Schauspieler endlose Reden ans Publikum halten, in denen sie uns zum Beispiel erklären wollen, wie Demokratie funktioniert? Diese Darlegungen sind einfach öde, die juristischen Hinweise zum Ablauf eines Bürgerbegehrens sogar teilweise falsch. Aber zum Glück versteht man vieles nicht, weil die Akteure ständig herumschreien.

Bemerkenswert ist, dass der Theaterabend dann an Intensität gewinnt, wenn die Schauspieler ein bisschen Original-Ibsen spielen dürfen und nicht die matten Texte der Dramaturgen herunterbeten müssen.

(Blog-Eintrag Nr. 168)