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Schillers Nachtgedanken

„Ergreift ihn, der das Wort gesprochen,
Und ihn, an den’s gerichtet war.”
Doch dem war kaum das Wort entfahren,
Möcht er’s im Busen gern bewahren;
Umsonst, der schreckenbleiche Mund
Macht schnell die Schuldbewussten kund.
Man reißt und schleppt sie vor den Richter,
Die Szene wird zum Tribunal …

Schlag nach bei Schiller? In den Kranichen des Ibykus endet die Geschichte tödlich, denn das verräterische Wort ist publik geworden. Es lässt sich nicht mehr zurücknehmen und im Busen bewahren.

Gibt es in einem Blog eine andere Lösung? Kann man das dort Geäußerte zurücknehmen, indem man es einfach löscht? Aber das Gelöschte, ist es dann auch wirklich weg? Wer für die Medien erzieht, weiß und muss es den Zöglingen sagen: Es gibt keinen Radiergummi im Internet.

Zugegeben, dieser Blog ist etwas aus den Fugen geraten und sein Autor  – wie Bee sagt – aus der Fassung. Das hat mit seinen vielen Gedanken, Einlassungen, Behauptungen und – ja – auch einigen Insinuationen Marc geschafft, alle Achtung. Jetzt will er den Reset-Knopf drücken und alles wieder auf null setzen. So, als sei nichts geschehen. Es ist aber einiges geschehen. Bee hat die Lage trefflich analysiert, Boris sich viele Gedanken gemacht und die Mittelstand-Mittelschicht-Frage geklärt. Häckerling selber hat Tag und Nacht gegrübelt, wie er und was er dem Kommentator Marc erwidern soll. Und so manche Blogleserin und auch der eine oder andere Leser haben diese Mühen mitverfolgt. Und das soll jetzt alles weg vom elektronischen Fenster.

Das sei ferne! Lassen wir es doch stehen, als Exempel für Diskussionen im Web 2.0, als Zeugnis unterschiedlichen Denkens, als Hinweis darauf, wie schnell und wie gründlich man sich missverstehen kann. Häckerling meint, derlei zu lesen könne nicht schaden – oder um es ins Große zu wenden: So ist es eben in der Demokratie.

Übrigens: In den „Kranichen des Ibykus“ geht es um eine Mordtat, in diesem Blog nur um eine Schreibtat.

(Blog-Eintrag Nr. 245)

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Schillerschänder

Auch der regionale Krimi hat ein Lebensrecht. Jeder Kriminalroman muss schließlich irgendwo spielen. Das kann in Göteborg sein oder in Glasgow, in Bern oder Wien, warum nicht auch in Stuttgart oder Marbach? 2009 ist ein Werk entstanden, das an letztgenanntem Ort spielt. „Schillerhöhe“ lautet der Titel; Schiller spielt darin auch eine Rolle, als Standbild beim Nationalmuseum und als Ideengeber beim ersten Mord. Der wird mit einer Armbrust vorgenommen. Auch ein – nicht getroffener – Apfel liegt neben der Leiche. Die wurde also getroffen.

Häckerling bekennt sich zur Lektüre von Kriminalromanen. Aus ihnen erfährt er allerlei Neues über unsere Welt und die darin herrschenden Zustände. Mit froher Erwartung nahm er daher „Schillerhöhe“ in die Hand. Aber die wich alsbald der Enttäuschung. Eine solche Trivialität hat Marbach nicht verdient und erst recht nicht „unser Schiller“.

Die Story leidet unter einem Mangel an Stringenz. Warum ein ehemaliger Grenzsoldat wegen eines Vorfalls in den 70er Jahren, also nach fast 40 Jahren, einen ehemaligen NVA-Offizier umbringen soll, erschließt sich dem Leser nicht. Und dass gleich drei DDR-Schurken auf einmal in Marbach aufeinandertreffen, ist recht merkwürdig.

Die Charaktere sind so wenig schlüssig gezeichnet, dass sich Schiller mit Grausen abwenden würde. Die Kommissarin ist selbstverständlich eine Lesbe. Es tritt eine Schriftstellerin aus der DDR auf, die angeblich ihre Werke vor der Wende eingegraben und danach wieder ausgegraben hat und nun, lange nach dem Beginn des dritten Jahrtausends, erfolgreich daraus liest, auch in Marbach. Damit man diese Frau ermorden kann, stattet der Autor sie mit einem Alkoholproblem aus. Der dortige Bürgermeister hat auch eines und eine Liaison mit einer Marbacher Hotelbesitzerin, ihres Zeichens Edelhure aus Italien. Dass die beiden dann noch ein gemeinsames Kind haben dürfen, finden am Schluss alle nett, sogar die Frau des Bürgermeisters.

Die Sprache des Werkes ist schlicht, was kein Tadel sein muss; aber man stößt doch auf Sätze, die einem unangenehm aufstoßen. Besonders neckisch werden die Szenen zischen dem Bürgermeister und der Hotelbesitzerin erzählt: „Rieker nahm ihre Hand, er saß auf der Bettkante und rückte sich die Krawatte zurecht.“ Mit welcher Hand tut er was? Dann heißt es: „Er küsste sie auf den Mund, aber sie wandte sich ab.“ Nach dem Kuss oder davor? – Dann doch lieber Schiller im Original: „Diesen Kuss der ganzen Welt!“

(Blog-Eintrag Nr. 228)