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Geschmähte Späher

Eine aufregende technische Entwicklung könnte der pädagogischen Arbeit neue Impulse verleihen. Den Stuttgarter Nachrichten ist (am 22.2.10) zu entnehmen, dass es einer Schulverwaltung in den USA gelungen, mithilfe der Schüler-Laptops einen Blick in deren häusliche Situation zu tun. Die eingebaute Kamera machte es möglich. Nun zetern natürlich die Datenschützer und sehen die Privatsphäre in Gefahr. Aber sie verkennen die beträchtlichen pädagogischen Möglichkeiten dieser Innovation.

Denn endlich lässt sich zweifelsfrei, das heißt fotografisch belegen, wer die Hausaufgaben tatsächlich gemacht hat, der Schüler selbst oder jemand von ihm Angeheuertes. Auch wird offengelegt, wann er die Aufgabe erledigte und wie lange er dazu brauchte. Erbärmliche Ausreden wie „Es war so viel“ oder „Ich bin erst am Abend dazu gekommen“ würden in sich zusammenfallen.

Vor allem aber würde sich den Pädagogen endlich offenbaren, wie es zu Hause wirklich zugeht, ob dort tatsächlich die behauptete heile Welt ist oder ob, was man schon immer vermutet hat, aber nicht beweisen konnte, ständig die Fetzen fliegen, die Eltern sich unaufhörlich streiten und die Kinder sich selbst überlassen sind.

So könnte man einem unter diesen Umständen zu befürchtenden Leistungsabfall der Kinder frühzeitig begegnen. Man könnte unter Hinweis auf die notorischen häuslichen Probleme die Eltern einbestellen, ihnen ins Gewissen reden oder mit der Einschaltung des Jugendamts drohen, kurz: dem pädagogischen Wirken böten sich vielfältige Chancen. Und alles geschähe zum Wohl des Kindes.

Ob dieses Argument die Datenschützer überzeugen könnte? Die haben sich schließlich schon manches abhandeln lassen, wenn es um die Bekämpfung des Terrorismus ging.

(Blog-Eintrag Nr. 153)

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Über eine Bildungsoffensive 3

Die bildungspolitische Qualitätsoffensive Baden-Württembergs ist unter heftigen Beschuss geraten. Das ist bei Offensiven gern so. Darauf muss man gefasst sein. Bei diesem Bombardement wagt auch Häckerling einen kleinen Schuss: den Hinweis nämlich, dass weder Schiller noch Einstein Baden-Württemberger sind, wie es das Faltblatt „Für unsere Kinder“ reichlich locker behauptet. Zur Zeit von Schillers Geburt gab es nur ein Ländle namens Württemberg. Dort, in Marbach, hat der Dichter das Licht der Welt erblickt. Das Land war etwas größer, als Einstein zur Welt kam, aber die Allianz mit Baden lag auch da noch in weiter Ferne. Aber sei’s drum.

Die weitaus heftigere Kanonade erfährt die Offensive durch die Opposition und auch innerhalb der Koalition. Wie kann man, so der Vorwurf, zweieinhalb Millionen Euro für „Werbung“ ausgeben, wenn an den Schulen in großem Stil Unterricht ausfällt, wenn offenbar das Geld fehlt, Vertretungslehrer zu bezahlen und Schüler kurz vor dem Abitur in Prüfungsfächern keinen Unterricht haben? Wie nützlich hätte man das „Informationsgeld“ ausgeben können.

Warum gibt sich das Kultusministerium eine solche Blöße oder – militärisch ausgedrückt- eine solche offene Flanke? Es war doch damit zu rechnen, dass sich alle auf das Thema einschießen würden. Da hätte man doch vorsorgen und mögliche Angriffspunkte absichern müssen.

Aber das lässt sich ja ändern. Man muss im Stuttgarter Hauptquartier noch ein bisschen nachrüsten.

(Blog-Eintrag Nr. 144)

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Über eine Bildungsoffensive 2

Die Qualitätsoffensive des baden-württembergischen Kultusministeriums gebar als Erstes eine vierseitige Beilage in der Zeitung. Auf der Titelseite ist zu lesen: „Für unsere Kinder. Unsere Ideen für eine bessre Bildung.“ Hier konnte sich die beauftragte Berliner Werbeagentur schon mal so richtig austoben. Sie scheut auch vor nichts zurück. So behauptet sie auf Seite 3, dass Friedrich Schiller gesagt habe „Früh übt sich, was ein Meister werden will.“ Das hat nicht Schiller gesagt; das lässt der Dramendichter Schiller die Figur Wilhelm Tell sagen, und zwar über die ersten Erfolge seines Sohnes im Gebrauch der Armbrust. Tells Frau Hedwig ist ob dieses martialischen Lernerfolgs überhaupt nicht begeistert. Und Häckerling ist angesichts dieses Missgriffs der Werbeleute (oder des KM?) amüsiert.

Auf Seite 2 der Beilage steht unter der großen Überschrift „Mehr Platz“ der hochbrisante Satz: „Kleinere Klassen und mehr Lehrerinnen und Lehrer bedeuten: individuellere Förderung für unsere Kinder“. Wenn das so einfach wäre.

Es gibt ja im Land schon viele Klassen, die kleiner sind als 33, und auch solche mit der angestrebten „Sollstärke“ von 28. Aber wird in solchen Klassen individueller gefördert, nur weil es ein paar Kinder weniger sind, die man zu unterrichten hat? Individuelle Förderung in der Schule heißt ja nicht bloß, dass die Lehrkraft dem Einzelnen ein bisschen mehr Zuwendung gewähren könnte und dass es möglich ist, unbeachtete Schüler häufiger „aufzurufen“. Individuelle Förderung bedeutet: Jeder Junge, jedes Mädchen bekommt die ihm/ihr gemäße Lernumgebung, jedes Kind wird mit solchen Aufgaben bedacht, die seiner Leistungsfähigkeit entsprechen, jeder Jugendliche darf mitreden, wenn es um die Gestaltung seiner eigenen Lernprozesse geht. Das setzt eine gründliche Diagnose des Lernstands voraus. Und es verlangt sorgfältige Planungen der Arbeitsaufträge.

Diese Art „individueller Förderung“ können die Lehrerinnen und Lehrer nur dann erbringen, wenn sie darin geschult worden sind. Aber sind sie das? Ich bezweifle das.

(Blog-Eintrag Nr. 143)