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Unbeschmierte Holzeisenbahn?

Offenbar hat der Blogeintrag mit der großväterlichen Klage den Oberbürgermeister von Sindelfingen gerührt oder wenigstens berührt. Jedenfalls wird nun gehandelt: Es soll ein Ende haben mit der „Unsauberen Holzeisenbahn“, dem Schmutz innen und außen und den unanständigen Kritzeleien und Schmierereien.

In einer E-Mail des Regiebetriebs Stadtgrün heißt es wörtlich: „Sauberkeit ist uns ein wichtiges Anliegen und wir sind für solche Hinweise immer dankbar. Gerade wenn es um Bereiche geht, die auf den ersten Blick völlig in Ordnung erscheinen, aber bei genauerem Hinsehen, bzw. hier, bei der Nutzung durch die Kinder sich als alles Andere als sauber entpuppen. Kurzum, wir haben unser Reinigungspersonal angewiesen, bei der regelmäßigen Säuberung des Rathausvorplatzes (und natürlich auch anderen öffentlichen Kinderspielplätze) ihre Aufgaben genauer wahrzunehmen. Hierzu gehört es auch, in die Spielgeräte hineinzusteigen und ggf. Abfall zu entfernen. Des Weiteren werden wir die Schmierereien und „Gravuren“ im Inneren des Zügles entfernen lassen.“

Großvater und Enkel bedanken sich für die städtische Fürsorglichkeit und sind gespannt, wann sie den in neuem Glanz erstrahlenden Holzzug besteigen dürfen.

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Ungewöhnlicher Satzbau

Ein 900 Meter langes Straßenstück ist eingeweiht worden: die Allmendstraße zwischen Maichingen und dem Sindelfinger Wohngebiet Hinterweil. Solche Einweihungen bedürfen selbst in einer verarmten Stadt eines Festakts. Der ist in der lokalen Zeitung mit zwei Fotos und einem langen Bericht dokumentiert. Auf dem einen Foto sehen wir sechs lächelnde Männer (die „Verwaltungsspitze“, wie zu lesen ist), die mit sechs Scheren ein Absperrband in sieben Stücke schneiden. Welche Symbolik!

Das andere Foto zeigt laut Bildunterschrift einen „kleinen Autokorso“: vier PKWs, angeführt von zwei Karossen des in der Stadt ansässigen Autobauers. Das nennt man erfolgreiches Product Placement! Es macht den Eindruck, als habe die Firma mit dem Stern ihr Scherflein zum Bau der Straße beigetragen. Hat sie?

Geredet wurde auch – und nicht wenig, wie dem Bericht zu entnehmen ist. Wir erfahren, dass der Oberbürgermeister gesagt hat: „Maichingen und die Kernstadt wachsen (mit dieser Straße) noch ein Stück näher zusammen.“ Da wächst offenbar endlich zusammen und kommt sich näher, was seit Jahrzehnten zusammengehört.

Noch eine weitere Erkenntnis des Mannes an der Spitze der Stadt Sindelfingen wird zitiert: „Es ist wichtig, dass der Verkehr flüssig unterwegs ist.“ Alles fließt, das wissen wir von Heraklit; jetzt erfahren wir: Alles sollte flüssig unterwegs sein, auch der Verkehr. Sogar das Wasser wird es auf dieser Straße sein; denn sie ist eine schiefe Ebene, auf der eventuell auftretendes Hochwasser flott zum nächsten Kreisel fließen kann.

Der Bau der Straße kostet über fünf Millionen Euro; auch die Stadt wird zur Kasse gebeten, obwohl sie derzeit „jeden Euro umdrehen“ muss. Was für eine Mühsal! Man hat wohl zwischendurch erwogen, die Bauarbeiten einzustellen. Doch dann setzte sich eine Erkenntnis durch, die vom Stadtoberhaupt so formuliert wird: „Es macht wenig Sinn, einen Straßenbau mittendrin aufzuhören.“

Das wäre ja nun wirklich ein Schwabenstreich gewesen, einen Bau mittendrin aufzuhören. Und obendrein wäre es auch sprachlich nicht gegangen, spüren wir doch, wie das Verb „aufhören“ sich dagegen sträubt, mit einem Akkusativ-Objekt gekoppelt werden.

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Unebene Fahrwege

Sindelfingen hat ein großes Problem: Der Stadt fehlt viel Geld. Der größte Gewerbesteuerzahler der Kommune, eine Firma, die dem Vernehmen nach besonders noble Karossen herstellt, hat es geschafft, den Sinn des Wortes Steuer umzudrehen. Nun zahlt Sindelfingen Gewerbesteuer an die Autobauer. Es handelt sich um ein Konjunkturprogramm der besonderen Art.

Wie zu hören ist, muss die Stadt zur Finanzierung dieser die Wirtschaft fördernden Maßnahme Kredite aufnehmen. Das ist nicht originell. Damit liegt sie ganz auf der Linie von Bund und Ländern. Auch die verschulden sich gewaltig, um, wie man sagt, „die Wirtschaft anzukurbeln“ (ein Bild aus der Autosprache?).

Aber die Sindelfinger Finanzfachleute haben dazu noch eine ganz besonders originelle und listige Idee: Wenn uns „der Daimler“ kein Geld gibt, so ihre Überlegung, dann lassen wir zum Ausgleich die Straßen verkommen. Es gibt eine Schlaglochtiefe, die rechtlich gerade noch erlaubt ist, das heißt die Stadt vor Strafanzeigen bewahrt. Wie tief es gerade noch geht, das wird derzeit offenbar mit Experten der Versicherungsbranche abgeklärt.

So werden also künftig die großartigen Autos mit dem Stern auf holprigen Straßen fahren müssen. Die Schlaglöcher werden zum Symbol der Löcher in der Stadtkasse. Wer sein Auto schonen will, muss langsamer fahren. Auch so kann man unsere Gesellschaft „entschleunigen“.