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Gewaltsommer

Wem immer sich die Gelegenheit bot, hat seinen Kommentar bereits abgegeben. Im Internet ertrinkt man schier im Meer der eilends heruntergeschriebenen Reaktionen. Nun hat sich auch die Kanzlerin geäußert. Auch sie legt Zeugnis ab von der kläglichen Spracharmut angesichts der globalen Gewaltakte. Die machen inzwischen nicht einmal vor der süddeutschen Provinz halt. Gegen diese Taten sind (fast) alle, wirksame Lösungen, sie zu verhindern, hat keiner. Aber trotzdem reden und schreiben sie landauf landab, was das Zeug hält. Man solle doch endlich die Grenzen dichtmachen – das ungarische Modell lässt grüßen, aber wir sind kein Ostblockstaat, der locker Gründe für seine Abschottung findet. Man müsse die Zahl der Polizisten erhöhen – wo sollen die herkommen und ich zweifle daran, dass selbst doppelt so viele Staatsdiener ausreichen, um alles und jeden zu überwachen. Am besten wäre es, die ganzen Ausländer heimzuschicken – aber wer macht uns dann die Arbeit, die von ihnen derzeit erledigt wird? Man könnte natürlich alles fremde Volk in Lager sperren – vielleicht lagern ja irgendwo noch die Baupläne für die KZs? Früher hatten wir in den Medien das „Sommerloch“, heuer haben wir den Gewaltsommer. Der bietet reichlich Stoff für unangemessenes Geschwätz, für Wichtigtuerei und Stammtischparolen. Es gibt Menschen, die wegen der jüngsten Untaten unsicher und ängstlich sind. Ich kann das verstehen, aber daran lässt sich nichts ändern. Es ist eine Angst mehr in dieser Angst machenden Zeit. Wenn man die Ursachen der Angst nicht beseitigen kann, muss man sich an die Angst gewöhnen.

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Karwochenterror

Man weiß nicht, was sich in den Köpfen dieser Terroristen abspielt. Es ist auch noch nicht klar, warum sie ausgerechnet gestern in Brüssel „zugeschlagen“ haben – das Verb klingt zu harmlos, aber welche Metapher ist hier die richtige? Die Christen befinden sich in der Karwoche. Das ist eine besonders intensive Zeit der Selbstvergewisserung. Ich halte es für denkbar, dass den Bombenlegen diese kalendarische Situation dessen bewusst war. Denn was wollen sie eigentlich? Jedenfalls nicht nur unsere „freie Lebensart“ treffen, wie es in den ersten Kommentaren hieß. Sie wollen auch unsere Religion attackieren. Denn das Christentum ist ihr Feind, wie sie – dieser Satz gehört dazu – auch jede Ausprägung des Islam ablehnen, die nicht ihrer Deutung entspricht. Was stört sie am Christlichen? Vermutlich Jesus, der Christus. Einen Menschen sich als Sohn Gottes zu denken ist in den Augen des Islam ein Sakrileg. Allah ist ohne Konkurrenz in seiner Göttlichkeit. Sein Allmachtsmonopol darf nicht in Frage gestellt werden. Jesus kann man sich als Propheten denken, aber nicht als Gott auf Erden, als Inkarnation des Göttlichen. Diese grandiose Aufwertung des Menschen ist den Terrorfreunden ein Dorn im Auge. Denn damit bekommt der Mensch, das Ebenbild Gottes, wie es in der jüdisch-christlichen Tradition heißt, eine ganz besondere Würde. Man kann ihn nicht mehr einfach abschlachten oder mit Bomben zerfetzen. Denn man tötet damit zugleich Gott. Es geht in diesem Terrorkrieg also in der Tat auch um den Glauben und das von ihm vertretene Menschenbild, es geht um die Frage, was ein Mensch wert ist, darum, ob wir den „Gotteskriegern“ erlauben, uns der „Gotteskindschaft“ zu berauben. Auch darüber kann man in der Karwoche nachdenken.

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Todesschwadronen

Dem Blogschreiber möge man es verzeihen, dass er mit einem Zitat aus dem Blog 475 („Isisfurcht“) beginnt. Dort hat Häckerling ein Buch von Bruno Schirra besprochen. Darin steht der Satz: Nicht die Islamisierung Deutschlands sollte uns Sorgen bereiten, meint der Autor, sondern die Gefahr terroristischer Anschläge radikalisierter Islamisten. Die sind zu allem bereit, auch zum Sterben. Die Ereignisse in Paris geben Schirra recht. Aber er ist nicht der Einzige, der vor dieser Entwicklung gewarnt hat. Es fallen in diesen Tagen starke Worte: „Krieg“ ist eines davon, sogar der Papst hat es gebraucht und vom „dritten Weltkrieg“ gesprochen. Leider helfen uns starke Worte derzeit wenig. Und dass die CSU die Terrorakte dazu benützt, ihre sattsam bekannten Forderungen nach Schließung der Grenzen zu wiederholen, wundert nicht. Der wirkliche Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise müsste auch in Bayern nachvollziehbar sein: Die Menschen fliehen vor dem Terror und nicht um ihn hier zu verbreiten. Sie fliehen massenhaft, weil auch das Töten im Irak und in Syrien massenhaft ist. Offenbar sind wir überfordert, wenn es darum geht, die Zusammenhänge zu begreifen: Unsere „Freunde“ in Saudi-Arabien haben vor 35 Jahren eine neue Ära des Islam eingeläutet: zurück ins Mittelalter, zurück zu den fundamentalistischen Wurzeln des muslimischen Glaubens, weg von der Offenheit, die dieser Religion viele Jahrhunderte eigen war. Navid Kermani hat in seiner Friedensrede darauf aufmerksam gemacht. Vielleicht wäre es gut, dieser Rede immer wieder zu lesen, um zu verstehen, was sich im Nahen Osten abspielt. Zu den abendländischen Werten gehört es, Probleme in ihrer Vielschichtigkeit zu erfassen und dann eine kluge Strategie zu entwickeln und nicht mit Schlagworten oder plumpen Parolen das Phänomen der Todesschwadronen aus der Welt schwadronieren zu wollen.