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Gelbe Westen

Menschen mit ihnen machen es den Regierenden schwer. Sie sind unzufrieden mit ihrer ökonomischen Situation, sie sehen sich im Schatten der offiziellen Politik, spüren, dass die Belastungen wachsen und ein Ausgleich nicht vorgesehen ist. Auf die Idee muss man erst mal kommen: ein in jedem Auto vorhandenes Kleidungsstück anziehen und dann so gewandet durch allerlei Aktionen das öffentliche Leben stören. Das geschieht in Frankreich. Die hiesige Linke hat nun eine Marktlücke in Deutschland ausgemacht. Auch hier könnten die Leute doch diese Schutzjacken überziehen und den Betrieb auf den Straßen durcheinander bringen. Aber warum tun sie’s nicht? Das Vorbild sehen sie doch jeden Samstag in den Nachrichten. Irgendwas scheint hier anders zu sein als auf der Westseite des Rheins. Einen Lacherfolg hat heute die türkische Regierung in der Presse gelandet. Man will im verblichenen osmanischen Reich den Verkauf gelber Westen kontrollieren. Offenbar fürchtet man einen Aufstand nach französischem Muster. Häckerling stellt sich die Kontrolle so vor: Jeder, der eine gelbe Weste kaufen will, muss auf dem Rathaus einen Antrag stellen. Wird der bewilligt, erhält der Gelbwestler eine Bescheinigung, die er beim Kauf der Ware vorlegen muss. Die Bescheinigung wird an der Supermarktkasse wie ein Pfandschein eingezogen und entwertet. Die entwerteten Kaufnachweise gehen zurück aufs Rathaus, werden dort gesammelt und dem Geheimdienst zugeleitet. Der erstellt eine Datenbank, die ihm verrät, von welchen türkischen Einwohnern Gefahr droht, weil sie zwei oder gar Westen erstanden haben. Nach kurzer Vernehmung wandern diese Terroristen dann in eines der beliebten türkischen Gefängnisse. So kann ein Aufstand in gelber Weste verhindert werden.

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Dauerfaschisten

Einmal Faschist, immer Faschist. Wie schön, wenn man eine so treffliche Angriffsfläche bietet wie die Deutschen. Alle Welt darf uns Faschisten und Nationalisten nennen und wir dürfen uns nicht wehren. Das Dumme ist, dass man uns mit solchen Attacken in die rechte Ecke treibt und just jene Kräfte stärkt, die unser Land in diese Richtung treiben möchten. Dass Putin dieses Spiel mit uns spielt, wissen wir seit einiger Zeit. Nun hat sich auch der große Türke Erdenwahn als Deutschland-Beschimpfer betätigt. Clever ist seine Attacke allemal: Wenn wir seine Propaganda-Minister hier auftreten lassen, unterstützen wir seine Politik der Rückkehr zu den Zeiten vor Atatürk, wenn wir die Auftritte untersagen, unterstützen wir ihn auch, vielleicht sogar noch mehr, weil wir ihm Munition liefern gegen jene, die seine Verfassungsreform ablehnen. Früher nannte man eine solch ausweglose Situation „tragisch“: Was immer man auch tut, man macht einen Fehler. Jede Entscheidung ist falsch und hat schlimme Folgen. Das ist endlich mal eine echte Herausforderung für unsere Spitzenpolitiker. Sie müssen zeigen, dass wir keine Faschisten sind, dass wir Demokratie auf allen Ebenen praktizieren, dass wir nicht ausflippen, auch wenn man uns übel beschimpft, dass wir diplomatisch reagieren und nicht nach dem Motto: Wie du mir, so ich dir. Wir Bürger werden uns natürlich ärgern, wenn das so läuft. Aber wer den verständlichen Reflex unterdrücken kann, dem Erdenwahn mit brachialen Mitteln Einhalt zu gebieten, der ist wahrhaft ein guter Politiker. Wir andern dürfen uns heimlich still und leise ein paar faschistische Gedanken gönnen. Zum Beispiel: Schickt doch alle Türken nach Hause! Brecht die diplomatischen Beziehungen zur Türkei ab! Macht sie mit wirtschaftlichen Sanktionen kaputt! Aber solche Aktionen wären dumm und eine Bestätigung unserer rechtsradikalen Gesinnung. Also, liebe Politiker, nehmt Abstand davon!

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Unterwerfung

Zeitgleich zum Terrorakt gegen eine Satirezeitschrift ist 2015 in Frankreich ein Roman erschienen, der dort den Titel „Soumission“ trägt und im Deutschen „Unterwerfung“ überschrieben ist. Im Arabischen gibt es dafür das Wort „Islam“. Der Autor, Michel Houellebecq (gesprochen „Wellbeck“), erzählt, wie sich bei einer der nächsten Wahlen zum Staatspräsidenten die politische Linke und die Mitte mit dem Kandidaten der Muslimbrüder verbünden, um den Front National, die extreme Rechte unter Marine Le Pen, zu verhindern. Es gelingt, der Muslimkandidat gewinnt. Anschließend krempelt er die Gesellschaft um. Die Frauen haben sich künftig „züchtig“ zu kleiden und den Haushalt zu führen, die Kinder müssen weniger lernen, Liberale und andere „Atheisten“ verschwinden aus der Öffentlichkeit, Europa verlagert sein Zentrum in den Süden und wird um Staaten wie Marokko, Tunesien und Algerien erweitert. Der Roman ist eine „Utopie“, eine politische Vision, ein Gedankenspiel, das so nie eintreten wird. Oder doch? Wenn ich höre, dass ein türkischer Diktator nicht nur im eigenen Land gegen politische Gegner vorgeht, sondern erwartet, dass auch wir uns seinem „Kampf“ gegen die Opposition anschließen und ihm alle Kurden und Gülen-Anhänger auf dem Tablett servieren, dann stellt sich mir die Frage, ob auch wir hier uns auf dem Weg zur „Unterwerfung“ befinden. Wehe, wir spielen das türkische Spiel mit. Dann verraten wir vollends jene Prinzipien, auf denen unsere Demokratie beruht. Hier gilt die Meinungsfreiheit, auch wenn wir eine Meinung nicht teilen. Wer sich aber rechtswidrig verhält, wer wie die Erdenwahn-Anhänger mit illegalen Mittel gegen Erdenwahn-Gegner zu Felde zieht, muss mit juristischen Mitteln zur Vernunft gebracht werden. Wir dürfen uns nicht unterwerfen. (Der Roman wird beim nächsten Abend des Sindelfinger Literaturklubs, am 19. September 2016, ausführlich besprochen.)