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Mühsame Schulbildung

Wenn ein Schuljahr beginnt, muss Aufschwung signalisiert werden. Das Kultusministerium von B-W schwingt sich zu organisatorischen Neuerungen auf. Es schafft ein neues „Institut“ und ein „Zentrum“ und schafft ein bestehendes Institut ab. „Zu Beginn des Jahres 2019 richten wir das „Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung“ und das „Institut für Bildungsanalysen“ ein. Damit erhält die Kultusverwaltung eng miteinander verzahnte Einrichtungen, die die Qualität der Schulen dauerhaft sichern sollen. Was nicht gesagt wird: Das Landesinstitut für Schulentwicklung wird aufgelöst. Es befindet sich bereits in Auflösung, was die Schulentwicklung lähmt. Und was bringen die neuen Einrichtungen? Das „Institut für Bildungsanalysen“ soll mit einem systematischen Bildungsmonitoring eine solide Datenbasis bereitstellen. Diese dienen dann für datenbasierte und wissenschaftlich unterlegte bildungspolitische Entscheidungen. Ein Institut braucht Jahre, bis es zuverlässig arbeitet, danach dauert es weitere Jahre, bis es „solide“ Daten liefern kann und noch einmal Jahre, bis die Bildungspolitik Entscheidungen trifft. Und diese umzusetzen dauert ebenfalls Jahre. In frühestens einem Jahrzehnt also ist mit Fortschritten zu rechnen. Weiter im ministeriellen Text: Um zu wissen, wo das Land steht, sollen zentrale Lernstanderhebungen über alle Schularten hinweg Standard werden. Diese Lernstandserhebungen in Gestalt von Vergleichsarbeiten hatten wir bereits. Dann wurden sie ausgehebelt. Nun werden sie neu entwickelt. So stellt man sich selbst ein bildungspolitisches Bein. Und was noch? Auch Fortbildungs- und Unterrichtskonzepte werden wir künftig vor ihrem Einsatz auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen. Mit zentralen Vorgaben des „Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung“ gewährleisten wir, dass wir künftig landesweit Angebote in hoher und gleicher Qualität zur Verfügung stellen. Wer erstellt, wer prüft die Unterrichtskonzepte? Wer verbessert sie nach der Prüfung? Wie werden sie eingeführt? Wer überprüft, ob und wie sie eingeführt werden? Das „Zentrum“ wird einiges zu tun haben. Vielleicht ist es ja schneller als das „Institut“.

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Verlorene Orientierung

Mit dieser Überschrift locken die Stuttgarter Nachrichten zur Lektüre eines Interviews mit dem Bildungsforscher Ulrich Trautwein. Er stellt darin fest, dass der Niedergang des baden-württembergischen Schulsystems schon vor zwei Jahrzehnten begonnen habe. Häckerling meint, er habe sich schon in den 1990er Jahren abgezeichnet. Trautwein nennt drei Faktoren, die erfolgreichen Unterricht ausmachen. Ich greife den erstgenannten heraus, das Classroom-Management. Einfacher ausgedehnt: Wie viel Zeit bleibt für den eigentlichen Unterricht im Klassenzimmer übrig, wenn man die üblichen „Zeitfresser“ abzieht: das Zuspätkommen der Lehrkraft (üblich sind mindestens drei Minuten), den Abbau des Chaos zu Beginn der Stunde (keiner sitzt an seinem Platz), die Überprüfung der Anwesenheit („Weiß jemand, warum Fritz fehlt?“), den Kampf gegen Störungen durch Schwätzen und Unaufmerksamkeit, Durchsagen der Schulleitung (“Ich bitte das Kollegium in der großen Pause zu einer Besprechung ins Lehrerzimmer“), allerlei organisatorischen Kleinkram (Einsammeln von Entschuldigungen oder unterschriebenen Zetteln), sinnlose oder auch sinnvolle Schülerfragen, die Anteilnahme an Schülerproblemen („Otto hat mich geschubst“). Nicht dass dies alles unnötig wäre, ein gutes Klassenklima ist eine notwendige Bedingung für gelingenden Unterricht, aber alles zusammen reduziert die eigentliche Unterrichtszeit deutlich, es schadet der Konzentration und lässt die Lehrkraft am Ende den “Classroom” in dem Gefühl verlassen, wieder einmal das intendierte Pensum nicht geschafft zu haben. Hier bedarf es größerer Bewusstheit und organisatorischer Ideen. Man könnte ab und zu einen Schüler oder besser eine Schülerin beauftragen, die Netto-Unterrichtszeit einer Schulstunde zu messen und über die Unterbrechungen buchzuführen.

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Totalausfall

Die ZEIT hat Eltern gefragt und herausbekommen, dass in Deutschland 5 Prozent aller Unterrichtsstunden nicht und weitere 5 Prozent nur unzulänglich erteilt werden, dass also jede zehnte Stunde nicht regulär stattfindet. Das klingt nach viel. Es wären drei Stunden pro Woche und Klasse, also jeden zweiten Tag eine. Und das dürfte auch der Realität ziemlich nahe kommen. Warum wird diesem Ausfall an Unterrichtszeit nicht der Garaus gemacht? Warum geben die Lehrkräfte nicht jeden Tag brav ihre Stunden? Weil sie nicht immer da sind. Manchmal werden sie wie andere Arbeitnehmer krank. Die Krankmeldung kommt um sieben. Es ist nicht möglich, bis halb acht einen vollwertigen Ersatz zu finden. Also bleibt es bei der bloßen Aufsicht. Vielleicht konnte der Kranke noch eine Aufgabe übermitteln, dann wird die hoffentlich erledigt. Aber vollwertiger Ersatz ist das nicht. Manchmal schickt man Lehrkräfte ins Schullandheim oder auf Studienfahrt. Sie dann zu 100 Prozent zu vertreten wird nicht gelingen. Dann müssten die Fernen vor ihrer Abfahrt das Unterrichtsprogramm für eine Woche ausarbeiten und den Vertretenden in die Hand drücken. Eine schwierige Aufgabe. Manchmal sind Lehrkräfte bei Prüfungen und fehlen. Da heißt es in den Richtlinien, dass diese Aufgabe Vorrang hat. Zu Recht, denn die Prüfung muss rechtlich fehlerlos abgewickelt werden. Manchmal sind Lehrkräfte bei einer Fortbildung. Gefordert wird, sie in den Ferien durchzuführen. Aber das ist auch die Zeit zum Korrigieren. Und Fortbildungsinstitute, die nur in den Schulferien arbeiten dürfen, sind unrentabel. Wenn man auf diese verschiedenen „Fehlzeiten“ blickt, sind drei ausgefallene oder unzulänglich gehaltene Stunden nicht gar so viel.