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Die Hauptschule und ihr Ende

Was man doch mit einem einzigen Satz bewirken kann: Die baden-württembergische Regierung will das Schulsystem des Landes gründlich ändern. Abgeschafft werden sollen die Hauptschule und die Werkrealschule, entstehen sollen Gemeinschaftsschulen mit einem ganz neuen Unterrichtskonzept. Bereits innerhalb eines Jahres ist man diesem Ziel deutlich näher gekommen. Dazu bedurfte es nur einer kleinen Ergänzung beim Aufnahmeverfahren in die weiterführenden Schulen: Die Grundschulempfehlung, die es weiterhin gibt, musste bei der diesjährigen Anmeldung nicht mehr vorgelegt werden.

Die Folge war abzusehen und stellte sich auch ein: Nur noch wenige Kinder werden künftig nach dem Wunsch der Eltern in die Hauptschule gehen. Sie wurden an den Realschulen und Gymnasien und an Privatschulen angemeldet. Die haben enormen Zulauf. In Stuttgart dürfte sich die Zahl der Hauptschulklassen im neuen Schuljahr halbieren. In Sindelfingen ist die Lage ähnlich. Dort steht die erste Hauptschule vor dem Aus. Die Stuttgarter Zeitung leitet ihren Artikel „Die Hauptschulen bluten aus“ (12.6.12) mit folgendem Satz ein: „Der Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung hat drastische Folgen für die Bildungslandschaft“.

Nun hat die Kultusministerin ein Problem: Bleibt die Versetzungsordnung, wie sie ist, werden mehr Kinder als bisher wegen unzulänglicher Leistungen die Gymnasien und Realschulen nach der 6., 7. oder 8. Klasse verlassen müssen. Das wird Ärger geben. Den kann man nur dadurch vermeiden, dass man die unzulänglichen Lernleistungen der Schüler als Folge unzulänglicher Lehrleistungen der betreffenden Schulen interpretiert.

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Die Kultusministerin und ihre Samthandschuhe

Schon wieder dieses Thema, werden die fünf ständigen Blogleser stöhnen. Fällt ihm nichts anderes mehr ein? Muss er immer über diese arme Frau herziehen? Kann man sie nicht einfach machen lassen und in ein paar Jahren prüfen, was aus ihren Plänen geworden ist? Denn sie will keine Schulpolitik mit dem Holzhammer, sondern in Samthandschuhen machen. Dieses Bild finden manche nett, weil es suggeriert, dass sich eigentlich so gut wie nichts ändern werde – oder wenn doch, dass wir etwaige Änderungen wegen der Samthandschuhe gar nicht merken.

Der hier aktive Blogger hat aber schon einiges gemerkt. Ihm sind auch keine Samthandschuhe eigen; daher reagiert nicht mit der einer Dame gegenüber angebrachten Sanftmut. Die Männer halt, immer aggressiv!

Gestern erfuhr ich vom Schicksal einer Hauptschule allhier, die sich seit Kurzem Werkrealschule nennen darf. Sie hat zwei Probleme. Das erste: Man erwartet im nächsten Schuljahr kaum noch Schüler für die fünfte Klasse. Warum das? Der Wegfall einer verbindlichen Grundschulempfehlung werde dazu führen, heißt es, dass die meisten für die Werkrealschule in Frage kommenden Kinder wenn schon nicht ins Gymnasium, dann doch „wenigstens“ in die Realschule gehen werden. So also, durch Schrumpfung, kann man die Abschaffung der einstigen Hauptschule auch befördern.

Das zweite Problem: Da beim Übergang in die zehnte Klasse keine Notenhürde mehr gelten soll, werden vermutlich fast alle Neuner in diese Klasse eintreten. Dort wird also keine Schrumpfung stattfinden, sondern eine Aufblähung. Doch lange wird sie der Werkrealschule nichts nützen; denn wenn von unten nichts mehr nachkommt, nützt oben alles Blähen nichts.

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Überrumpelt – Schließung einer Hauptschule

Die Vorgaben sind eindeutig: Die Kommunen müssen entscheiden, für welche ihrer Hauptschulen sie den Status einer Werkrealschule beantragen wollen. Die müsste auf Dauer zweizügig sein, so lautet eine Bedingung. Das arme Sindelfingen hat vier Hauptschulen; davon können allenfalls drei zur Werkrealschule werden. Ergo: eine muss geschlossen werden; es trifft die Hauptschule am Klostergarten. Das hätte den wünschenswerten Nebeneffekt, dass die Stadt Geld spart und vielleicht auch noch einnimmt, wenn sie Schulgelände günstig verkaufen kann.

Als der Schul- und Kulturausschuss diese Frage am 18.11.09 öffentlich beriet, war die Tribüne brechend voll: viele Schüler, etliche Lehrer und Eltern verfolgten die Sitzung. Mit Plakaten machte man die Räte beim Betreten des Sitzungssaals darauf aufmerksam, dass sie die für viele sehr überraschend gekommene Entscheidung nicht gut finden. Wer kann es ihnen verdenken?

Es ist nur schwer zu vermitteln, dass überhaupt eine Hauptschule geschlossen wird. Das ist ein Zeichen, das sich so deuten lässt: Die Schwächsten unter den Schülern müssen die Konsequenzen einer ministeriellen Entscheidung und die Folgen einer städtischen Finanzkrise tragen. Es ist nicht so gemeint, aber es kommt so rüber.

Und geschlossen wird nicht etwa die kleinste Hauptschule, sondern die größte, eine Brennpunktschule mit großem Engagement. Ihre Schüler sollen dazu beitragen, dass die kleineren Hauptschulen die Zweizügigkeit erreichen und zu Werkrealschulen werden können. Auch das ist nicht leicht zu vermitteln.

Die Entscheidung wurde hinter den Kulissen vorbereitet, sie steht, sie ist auch in der Sache plausibel, aber sie wird den betroffenen Schülern der Hauptschule am Klostergarten sowie ihren Lehrerinnen und Lehrern manches Ungemach bereiten: Wechsel an eine andere Schule mit zwangsläufig größeren Klassen, also Verlust der bisherigen Klassengemeinschaft, ein längerer Schulweg, andere Lehrer, ein anderer Arbeitsstil usw. Hoffentlich haben die Verantwortlichen genügend Ideen, wie sie das auffangen können.
(Blog-Eintrag Nr. 110)