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Bettina und Julia

Es sind zwei Frauen, an deren Tun und Lassen sich derzeit die Merkwürdigkeiten der politischen Medienwelt besonders deutlich zeigen. Beide haben ein Buch geschrieben und wollen, dass es sich gut verkauft. Beide haben es geschafft, die Aufmerksamkeit der Medien zu erwecken. Beide scheinen aber auch unter den Folgen dieser medialen Zuneigung zu leiden.

Bettina Wulff, die Frau des letzten Bundespräsidenten gibt in ihrem Werk Einblicke in das anstrengende Leben „am Hof“, dem Schloss Bellevue. Sie heischt Mitleid für die vielen Kompromisse, die sie alle Tage an der Seite ihres überforderten Mannes machen musste. Sie ist dabei zu kurz gekommen, die Arme. Dafür steht sie jetzt im Zentrum der Aufmerksamkeit – und zeigt sich nun ihrerseits überfordert. Die journalistischen Geister, die sie gerufen hat, bekommt sie nicht mehr so schnell los. Wer mit dem medialen Feuer spielt, tut sich mit dem Löschen des allfälligen Brandes schwer.

Julia Schramm, eine Repräsentantin der Piratenpartei, ist noch nicht einmal dreißig. Sie hat, so hört man, eine Art Biografie vorgelegt. Darin beschreibt sie ihr Leben in und mit dem Netz. Daran ist nichts Verwerfliches. Man kann über alles schreiben. Was man ihr nun vorwirft, ist der Widerspruch zwischen ihrer bisher bekundeten Ablehnung des Urheberrechts und der Tatsache, dass sie nun aus dem demselben monetären Nutzen zieht. Diese Aufregung hat etwas Scheinheiliges. Sollte ein Verlag nur deshalb keine Erträge machen, weil die Autorin im Prinzip gegen die Bezahlung von geistigem Eigentum ist, das Geld aber trotzdem annimmt. Vielleicht spendet sie es ja der Partei oder für einen anderen guten Zweck? Ihr vorzuwerfen, dass Theorie und Praxis nicht im Einklang stehen, ist Unsinn. Wem gelingt das schon? Denen, die ihr Vorwürfe machen, den Medienmenschen und Parteigenossen, sicher nicht. Auch Piraten und Journalisten predigen öffentlich Wasser und trinken heimlich Wein.

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Der Bundespräsident und die Werte der Republik

Das war’s dann also. Wulff ist zurückgetreten. Er hat es in guter Form getan, wie er denn überhaupt gut aussah, von seiner Frau ganz abgesehen. Was die Ästhetik der Amtsführung angeht, so ist ihm wenig vorzuwerfen. Der Mann konnte sich kleiden, er sprach ein verständliches Deutsch, er kleidete sich chic. War das nichts?

Er ist gestürzt über den Verdacht der „Vorteilsnahme“ und über sein mangelndes Schuldbewusstsein dabei. Nun tun alle so, als sei das schlimm. Dabei ist es der Alltag dieser Republik. Vorteile suchen und finden und nehmen, das ist das, was viele hierzulande gerne tun. Nur Politiker sollen nicht so sein oder sich nicht dabei erwischen lassen, wenn sie zugegriffen haben. Das ist doch eine verlogene Haltung. Da ist ein Bundespräsident endlich mal so, wie viele sind oder es gerne wären (Patchwork-Familienvater, Hausbesitzer, Luxusreisender) und dann wird puritanisch herumgemäkelt: Das, was so viele gerne in Anspruch nehmen, den Vorteil, gehöre sich nicht für einen Politiker. Der soll edel sein, hilfreich und gut, unbestechlich und frei von jedem Makel. So hätten manche gerne die Bundesrepublik, wenigstens deren politische Elite – quasi stellvertretend für uns alle.

Diese Republik ist aber nicht so. Auch ihr Präsident war nicht so. Jetzt muss er gehen. Wir suchen nach dem guten Menschen von Berlin. Vielleicht gibt es ja einen.

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Wulff und das Wolfsrudel

Das hätte der Häckerling-Blogger denn doch nicht gedacht: dass ein Bundespräsident so menschlich, allzumenschlich ist, nicht nur beim Geld, sondern auch sonst. Weil (zum Glück) gerade keine größere Katastrophe hereingebrochen ist, also den Medien nur Berichte über saure Gurken bleiben, haben sie sich den ersten Mann der Republik vorgeknöpft. Und der spielt auch noch mit!

Von dem günstigen 500.000-€-Privatkredit ist schon lange nicht mehr die Rede. Den hat er übrigens längst durch einen günstigen bei der BW-Bank abgelöst, einer – fast – Staatsbank übrigens, die in der Bankenkrise vom hiesigen Steuerzahler ganz schön gepäppelt werden musste. Leider war der Präsident so ungeschickt, davon in seiner zerknirschten Rede nichts zu erzählen. Er könnte allerdings für sich geltend machen, dass man ihn danach auch nicht gefragt habe.

Nun aber hat er sich – viel Feind, viel Ehr – noch eine neue offene Flanke geschaffen: die Presse. Weil die BILD-Zeitung sich erdreisten wollte, seine Kreditgeschichte zu publizieren, hat er sie vorher gewarnt, solches zu tun. Wahrscheinlich mit dem bekannten guten Grund: Das würde die Politikverdrossenheit im Land steigern. Wo er recht hat, hat er recht, der Herr Wulff. Dumm nur, dass sich dieses Presseorgan auch durch sein drohendes Grummeln nicht von ihrer bösen Absicht hat abbringen lassen! Die hat jetzt eine tolle Story und kann uns den Präsidenten vorführen. Der spielt sogar mit. Er füttert die Medien in einer nachrichtenarmen Phase und zeigt zugleich, allerdings in der Opferrolle, wie wichtig ihm eine investigative Presse ist.