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Wir sind allzumal Sünder

Auf der Titelseite der Stuttgarter Nachrichten (1.3.10) geben sich die Sünder ein Stelldichein. Da tummeln sich „Steuersünder“ auf einer nicht gekauften CD, und das, der Nichtkauf, ist zugleich der „erste Sündenfall“ des neuen Ministerpräsidenten Mappus. Sagen jene, die gegen ihn sind und für den Kauf. Dabei gibt es eigentlich nur einen Sündenfall in der Bibel, den des ersten Menschen. Adam war neugierig und wollte wissen, was der Genuss der Frucht vom Baum der Erkenntnis bewirken würde. Seine Gefährtin hat ihm offenbar nicht abgeraten, nach der Frucht zu greifen. So mussten beide dafür büßen. Der feine Unterschied allerdings: Adam hat etwas getan, während Mappus etwas unterlassen hat.

Was die Steuersünder auf der CD angeht, so fragt man sich schon, woher alle zu wissen meinen, dass sie tatsächlich welche sind. Sind die Namen schon abgeglichen mit der Liste der Sünder in den Finanzämtern? Und warum nennt man sie „Sünder“? Auch die Verkehrssünder nennt man so. Und diejenigen, die sich gegen die deutsche Sprache vergehen oder versündigen, das sind die Sprachsünder. Offenbar sind wir ein Land voller Sünder. Da wird es in der Tat schwer, jemanden zu finden, der ohne Sünde ist und deshalb den ersten Stein werfen kann.

Einst war ein Sünder, wer gegen ein göttliches Gebot verstoßen hat. Die Sünde betraf sein Verhältnis „zum Herrn“. Der konnte Sünden vergeben, wenn der Sünder bereute. Ein solcher Herr und Gott fehlt bei den Steuer-, Verkehrs- und Sprachsündern. Daher sollte man sich wieder der alten Wörter entsinnen, die da lauten: Übertretung, Vergehen, Straftat, Delikt, Verbrechen. Wer von „Sünden“ redet, überhöht eine Tat ins Religiöse bzw. banalisiert das Religiöse. Wem zum Nutzen? Die Sünden wider die Sprache sind offenbar die lässlichsten.

(Blog-Eintrag Nr. 158)