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Sprachliche Integration

Das große Versprechen lautete: „Wir schaffen das.“ Es wurde nicht eingehalten, denn wir haben es nicht geschafft. Deutschland schlägt sich seit Jahren mit den Problemen der Migration herum. Die rasche Eingliederung der vielen, die zu uns gekommen sind, ist nicht geglückt. Unsere ausufernde Bürokratie schafft es weder, Asylanträge rasch zu bearbeiten, noch die Qualifikationen der Neuen zu bewerten und anzuerkennen. Dabei brauchen wir sie dringend. Es fehlt an Ärzten, Pflegekräften, an Facharbeitern und Lehrkräften. Die Kitas brauchen dringend mehr Personal, es mangelt an Bauarbeitern und Busfahrern, an Polizisten und Handwerkern. Unter den Millionen zugewanderter Menschen müssten sich doch einige finden, die diese Aufgaben übernehmen könnten. Stattdessen sitzen sie monate-, ja jahrelang in Lagern. Sie verlieren ihre Motivation. Manche kommen auf dumme oder böse Gedanken. Denn die Propagandisten übler Ideologien sind aktiver als unsere Verwaltungen. Neben der bürokratischen „Bearbeitung“ liegt auch die sprachliche Eingliederung im Argen. Sie ist, wie jeder weiß, die Voraussetzung für die Teilhabe an der Gesellschaft. Aber sie misslingt oft schon im Kindesalter. Was schon lange bekannt ist, scheint nun auch in den Köpfen der baden-württembergischen Schulverwaltung angekommen zu sein. Offenbar weiß man sogar dort inzwischen, dass der Grundschulunterricht unter den sprachlichen Defiziten der Kleinen leidet. Dagegen will man nun etwas tun. Das ist lobenswert, aber ich kann mir einige Fragen nicht verkneifen: Warum geht ihr dieses Problem erst jetzt ernsthaft an? Warum habt ihr die Sprachförderung lange Zeit nur auf Sparflamme betrieben? Und warum habt ihr nicht schon längst den Eltern gegenüber Druck gemacht, wo doch seit Jahren bekannt ist, woran es hapert?

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Bayerisches Hoftheater

Was da von der christlich-sozialen Partei gerade aufgeführt wird, ist eine Provinzposse, die man nur mit der Panik angesichts der Landtagswahlen erklären kann. Als Landesfremder fragt sich Häckerling, warum die Bayern eine Partei wählen sollen, der vor der Wahl nichts Besseres einfällt als populistischer Unsinn. Was man sich nicht fragen muss: Was an dieser Partei ist eigentlich christlich? Denn die Antwort würde lauten: wenig. Die Christlichkeit der CSU beschränkt sich offenbar aufs Aufhängen. Man hängt dort Kreuze auf und weil man die Fremden nicht aufhängen kann, jagt man sie zum Teufel. Statt sich auf die Schulter zu klopfen, dass man die berühmte „Obergrenze“ im Koalitionsvertrag verankert hat – gibt es dort eigentlich auch eine „Untergrenze“? –, erfindet man ein neues Thema, um sich zu profilieren. Wenn ich Kanzler wäre und hätte einen Minister, der sich so aufführt, würde ich ihn entlassen. Schließlich bestimmt der Chef/die Chefin der Regierung die „Richtlinien der Politik“. Wer das nicht akzeptiert, muss gehen. So einfach ist das. Das weiß der Minister S. natürlich und vielleicht legt er es ja darauf an, entlassen zu werden, würde ihm das doch noch eine schöne Weile Publicity verschaffen. Und die braucht er dringend, dieser alte Mann, der uns jetzt schon Jahrzehnte ärgert. Vielleicht würde es ja sogar seiner Partei nützen. Nach der Wahl kann man ja wieder zusammenkommen. Nun will ich nicht sagen, dass die bürokratische Verarbeitung der Flüchtlings- und Asylsuchenden-Frage perfekt wäre. Da ist seit Langem der Wurm drin, aber mit Zurückweisungen an der Grenze ist das Problem nicht gelöst, auch Zurückweisungen müssen rechtstaatlich ordentlich ablaufen. Aber genau daran hapert es ja. Minister S., machen Sie endlich – so sagt man doch jetzt immer – Ihre Hausaufgaben. Aber vielleicht braucht er dabei, wie viele Schulkinder, Betreuung. Ein Land, das sich mit derlei unnötigem Theater von seinen eigentlichen, dringlichen Aufgaben ablenken lässt, ist zu bedauern.

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Kermani

In Navid Kermanis Büchlein „Einbruch der Wirklichkeit. Auf dem Flüchtlingstreck durch Europa“, das 2016 im Verlag C. H. Beck erschienen ist, steht ein Text, der zu einem Drittel bereits 2015 im Spiegel zu lesen war. Nun hat der Autor, dem wir unter anderem eine ergreifende Rede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels verdanken, seinen Bericht wesentlich erweitert. Damit wird er zum historischen Dokument einer Phase der deutschen Geschichte, die so vermutlich nie wiederkommen wird. Denn Europa hat es inzwischen einmal mehr geschafft, sich so abzuschotten, dass kaum noch flüchtige Fremde eintreffen. In Deutschland ist das Thema „Abschiebung“ inzwischen wesentlich wichtiger als die „Willkommenskultur“. Kermani beschreibt die Ereignisse des Fluchtjahres aus eigener Anschauung. Er war unter anderem in Griechenland, auf der Insel Lesbos, und im türkischen Izmir. Er hat mit vielen Flüchtlingen gesprochen und auch mit denen, die sie verwalten, abwehren, registrieren. Was er gesehen und gehört hat, kann auch den heutigen Leser noch aufregen und bedrücken. Kermanis Analyse der Situation und seine Haltung muss man nicht teilen, aber sie wäre der Diskussion wert. Das Buch enthält viele sprechende Fotos von Moises Seman. Sie künden vom Leid der Menschen. Wer sich auf das Thema Flucht und Vertreibung im 21. Jahrhundert, auf das Versagen Europas und den deutschen Herbst von 2015 erneut einlassen möchte, der nehme dieses Buch in die Hand.