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Thüringer Gewurstel

Wenn man sich zu diesem Thema äußert, muss man sich vorab vor Missdeutung schützen. Also stehe am Anfang der Satz, dass der Verfasser weder ein Mitglied der Aefde ist noch deren Ziele unterstützt. Man darf einige aus dieser Partei als Nazi bezeichnen, doch weiß Häckerling, dass die eigentliche Zeit der Nazi zwischen 1933 und 1945 war, eine blutige, grässliche Epoche der deutschen Geschichte. Die Höckes von heute sind nicht so, obwohl allerlei Merkwürdiges aus ihrem Munde trieft. Eines muss man allerdings auch deutlich machen: Sie werden von deutschen Bürgern in beträchtlicher Zahl gewählt, sie sitzen in den Parlamenten, weil sie auf demokratische Weise in sie hineingewählt wurden. Im Thüringer Landesparlament gibt es etliche von ihnen. Sie haben bei der Wahl zum Ministerpräsidenten einen (unbedarften) eigenen Kandidaten aufgestellt. So wie auch die anderen, die Linke, die SPD und die Grünen. Ihr Kandidat schaffte in zwei Wahlgängen nicht die notwendige Mehrheit. Im dritten Wahlgang gab es drei Bewerber: einen roten, einen blauen und einen gelben. Es war zu erwarten, dass Ersterer die meisten Stimmen bekommen würde, dass sich die übrigen Stimmen auf die Bürgerlichen und die Nationalen verteilen würden. Aber Letztere tricksten, sie gaben ihre Stimmen dem Liberalen, so dass er plötzlich die Mehrheit hatte. Ein MP von Gnaden der Aefde, ein naives Opfer der Rechten. Skandal im Erfurter Sperrbezirk, Aufregung in Berlin, Wut der in Afrika weilenden Kanzlerin („rückgängig machen!“), Betretenheit bei den Liberalen, blanker Hass im linken Lager. Alles eine Nummer zu groß. Man könnte es verstehen, wenn Cedeu und Efdepe den Vertreter der Aefde zum MP gewählt hätten, haben sie aber nicht. Sie wurden die tumben Opfer einer cleveren und nicht zu erwartenden Strategie. Das ist ganz und gar nicht schön. Aber die Wahl war, mit Verlaub, korrekt, das Ergebnis so nicht zu erwarten. Es wird eine Fußnote in der Thüringer Geschichte bleiben. Das aufgeregte Polittheater ist übertrieben.

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Sondierungsstopp

Es war natürlich nicht nett von Herrn Lindner, die Sondierungsgespräche zu verlassen, wo man doch „auf gutem Wege“ war und es nur noch um „Kleinigkeiten“ ging, wie die CDU-Frau Klöckner am frühen Sonntagabend allen Ernstes behauptet hat. Für Kleinigkeiten braucht man unter vernünftigen Menschen nicht endlos lange Stunden und Tage. Auch benötigt man normalerweise keine fünf Wochen, um festzustellen, ob Koalitionsverhandlungen sinnvoll oder sinnlos sind. Zwischen den Verhandelnden hat die Chemie offenbar zu keinem Zeitpunkt gestimmt. Das liegt auch an Geschichten aus der Vergangenheit. Dass sich die FDP 2009 bis 2013 von Merkel über den Tisch und dann in den Abgrund hat ziehen lassen, wird kein Liberaler bei aller Selbstkritik so schnell vergessen. Da hätte es deutlichere Zeichen der Wiedergutmachung bedurft. Und dass sich die Grünen 2013 mit besonders hämischer Freude über die Niederlage der FDP geäußert haben, kann nur vergessen, wer vergesslich ist. Aber, so lautet ein berechtigter Einwand, solche Empfindlichkeiten dürfen „Patrioten“ (Özdemir) nicht daran hindern, die beste Lösung für unser Land zu suchen. Aber wäre diese Koalition mit diesem Personal tatsächlich eine gute Lösung gewesen? Auch wenn sie länger gehalten hätte als jenes eine Jahr, das man ihr zugebilligt hatte, sie hätte sich in grundsätzlichen Fragen nicht einigen können: beim Braunkohleausstieg, beim Einwanderungsgesetz und bei den Fragen der Integration, bei der Abschaffung des Solidarbeitrags und der Neugestaltung des Steuerrechts, beim grundlegenden Wandel des Bildungssystems, bei der Umsetzung der Digitalisierung in Schule und Gesellschaft, der Schaffung einer Wirtschaftsordnung, die Neugründer nicht abschreckt, sondern ermutigt, bei einer Sozialgesetzgebung, die den Sprengstoff der Ungleichheit unschädlich macht, bei der Reform Europas, die der Rosinenpickerei ein Ende macht usw.

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Mittestürmer

Alle Jahre am 6. Januar spricht sich die FDP Mut fürs kommende Jahr zu. Das ist 2017 besonders wichtig, stehen doch drei Landtagswahlen und die Wahl des Bundestages an. Vor allem in den will man wieder. Die Frage ist nur: Wie soll das gelingen? Was könnte die Partei für die Wähler attraktiv machen? Christian Lindner hat beim Dreikönigstreffen 75 Minuten gesprochen. Er war rhetorisch gut, wie er das immer ist. Ein Thema hatte es ihm besonders angetan: die Mitte. Er nahm eine Rede John Bidens beim Forum in Davos als Aufhänger. Der noch amtierende amerikanische Vizepräsident sprach dort – noch vor der US-Wahl – über die vergessene Mittelschicht. Lindner meint, auch hier sei sie nicht genügend im Blick. Daher sollten die Liberalen auf sie schauen. Was fehlt der Mitte hierzulande? Ihre Fragen kämen zu wenig vor, weder in der Politik noch in den Medien. Fragen wie: „Kann ich angesichts der vielen Bedrohungen noch sicher leben?“, „Bleibt mir vom Einkommen genug, dass ich für später vorsorgen kann?“, „Lernen die Kinder in der Schule tatsächlich das, was sie später im Leben brauchen?“, „Warum muss mich der Staat mit immer neuen bürokratischen Auflagen von der eigentlichen Arbeit (als mittelständischer Betreib) ablenken?“ Wofür sich die Menschen aus der Mitte der Gesellschaft nicht interessieren: für eine Maut, die viel kostet und kaum diese Kosten einbringt, für sinnlose Diskussionen über Asyl und Abschiebungen, für immer neue soziale Wohltaten, die zu Lasten der Rentenkasse gehen, für Diskussionen über den richtigen (politisch korrekten) Gebrauch der Wörter. Man darf gespannt sein, ob es den Liberalen gelingt, ihr Bild von der strapazierten Mitte ins mediale Rampenlicht zu rücken.