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Poltische Insolvenz

Diese Charakterisierung des Zustands der CDU durch einen ihrer namhaften Repräsentanten lässt Deutungen zu. Insolvent wird, wer zu viel ausgibt oder zu wenig einnimmt. Aber die Christdemokraten haben nicht ja ihr eigenes Geld, sondern das der Steuerzahler ausgegeben. Gemeint ist mit dieser Art von Insolvenz wohl: Die Christdemokraten haben ihre politischen Ideen allesamt ausgegeben. Neue sind nicht in Sicht. Daher brauchen sie nun ein neues Geschäftsmodell. Worin könnte das bestehen? Es ergibt sich erst nach einer schonungslosen Bestandsaufnahme. Woran fehlt es Deutschland? Welche Fehler wurden gemacht? Was erwarten wir von der Politik? In einem Satz: Wir haben uns zu lange im Erfolg gesuhlt. Das gilt für viele Politikfelder: die Schulen, die Autos, die Lebensgewohnheiten, die soziale Gerechtigkeit, die Erziehung, den Umgang mit den Ressourcen. Die Lust, die Welt zu verbessern, ist uns vergangen. Der Wille, Probleme anzugehen, versandet täglich im Wust der Bedenken und Regeln. Wer eine Energiewende will, muss sie nicht nur ankündigen, sondern umsetzen. Wer Fremde in Bürger verwandeln möchte, muss ihnen Bedingungen vorgeben und Wege ebnen. Wer Arme aus dem Elend führen will, muss diese Armen identifizieren und ihnen Hilfe zur Selbsthilfe bieten. Wer in die Flut des Digitalen eintauchen möchte, kommt um einen mutigen Kopfsprung nicht herum. Wer das Klima zu retten sich anschickt, kann nicht nach der Devise handeln: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Nicht nur die CDU braucht einen fähigen Insolvenzverwalter und ein neues politisches Denkmodell.

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Elefantenrunden

Zu den vielen dümmlichen Begriffen unserer Medienwelt gehört der Begriff „Elefantenrunde“. Das soll suggerieren, dass Parteivorsitzende oder Wahlkandidaten große und vor allem dickhäutige Menschen sind. Leider sind sie weder das eine noch das andere, sondern kleinmütig und dünnhäutig – vor allem vor der Wahl. Danach wird die Haut wieder dicker und der Mut wächst wieder. Wenn der Rundfunk (gemeint ist der Südwestrundfunk) eine Wahlkampfsondersendung veranstalten will, ist das seine Entscheidung und eine löbliche dazu. Wen er zu dieser Sendung einlädt, ist ihm überlassen – dachte ich bisher. Aber weit gefehlt: Die Elefanten wollen bestimmen, mit wem sie zusammen auftreten. Die eine will es nur, wenn ein anderer Elefant nicht in der Nähe ist, die andere dagegen fordert genau dies. Leider zeigt sich auch der Rundfunk nicht in Elefantengröße, sondern eher verzagt und ohne dickes Fell. Er versucht sich anzupassen, will den Wünschen der großen – sagen wir es endlich – Parteien (CDU und SPD) entgegenkommen. Haben wir jetzt polnische Zustände? Bestimmen nun auch hier die Parteien, was der Rundfunk zu tun hat? Warum lädt der SWR nicht einfach diejenigen ein, die er einladen will? Warum macht er nicht sein Programm, wie er es für richtig hält? Wenn manche nicht neben Rechtspopulisten sitzen wollen, sollen sie halt wegbleiben. Der Wähler wird sich sein Teil schon denken. Oder hält man es für ausgeschlossen, der AfD in einer solchen Veranstaltung die Stirn zu bieten? Das wäre ein Zeichen großer Schwäche und damit eines Elefanten unwürdig.

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Wähler und Leihstimmen

Das Leihen hat mal wieder Konjunktur. Was ist das eigentlich, leihen? Man kann sich bei jemandem etwas leihen, z. B. Geld, Bücher, Kleidungsstücke oder Autos. Der Gebende ist dann der Verleiher. Das kann eine Bank, eine Leihbücherei, ein Kostümverleih oder eine Firma drin, die mit dem Ausleihen von Fahrzeugen gutes Geld verdient. Wer einem anderen das Ohr leiht, reißt es sich dazu nicht ab, sondern wendet es dem Mund des anderen zu und wird so dessen klagender oder glücklicher Rede teilhaftig. Wenn eine Bank Geld leiht, will sie dafür mehr Geld (Zinsen) zurück. Wer ein Buch leiht, zahlt eine Leihgebühr. Das gilt auch beim Verleihen von Kleidungsstücken. In der nächsten Zeit werden die Verleiher von Faschingskostümen gute Geschäfte machen.

Am vergangenen Sonntag sollen CDU-Wähler ihre Stimme der FDP geliehen haben. Hat die dafür etwas bezahlt? Mir ist nichts dergleichen bekannt, es sei denn, man verstehe die erwartete Wahl eines CDU-Ministerpräsidenten als die fällige Leihgebühr. Wollen die CDU-Wähler ihre geliehenen Stimmen wieder zurück? Auch davon ist bisher keine Rede. Wie soll das auch gehen? Man müsste die Wahl anfechten und noch einmal den Zettel ausfüllen dürfen.

Insofern ist das Wort „Leihstimme“ ein sprachlicher Unfug. Geschehen ist etwas anderes: Der autonome Wähler hat sich im Wahllokal in freier Entscheidung für eine Aufteilung seiner beiden Stimmen entschieden. Wir FDP-Wähler haben das auch manchmal gemacht. Um die aussichtslose Stimme für den FDP-Kandidaten nicht zu „verschenken“ haben wir die Erststimme einem anderen gegeben, vielleicht sogar mal einem CDU-Kandidaten. Allerdings hat das bisher nie jemand eine Leihstimme genannt, sondern allenfalls „strategisches Wählen“. Am besten wir nennen das in Hannover Geschehene auch so. „Leihstimme“ wäre für mich ein Kandidat für das Unwort des Jahres.