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Ersehntes G 9

Wer sich nicht für das neunjährige Gymnasium stark macht, ist heuer wie aus der Zeit gefallen. Alles wollen es. Neun Jahre Gymnasium, dann hat es ein Ende mit den Bildungsproblemen. Wenn man den Kindern nur genug Zeit lässt, ist Schluss mit dem nachlassenden Niveau. Das Abitur wird dann wieder zum Glanzstück des schulischen Werdegangs. Es eröffnet alle Wege ins Studium und in die globale Wissenschaftswelt. Häckerling darf daran erinnern, dass wir G 9 schon mal hatten und feststellen mussten, dass sich die Schülerinnen und Schüler ab 18 Jahren gern aus dem Unterricht entfernten, weil sie sich selbst entschuldigen konnten. Auch wenn es alle vergessen haben: Die Abiturergebnisse aus der neunjährigen Zeit waren oft ebenso dürftig wie die nach acht Jahren. Der Niedergang des deutschen Gymnasiums begann nicht mit PISA, sondern in den 1990er Jahren. Damals hat man den Lehrkräften nicht mehr auf die Finger geschaut. Selten wurden sie beurteilt, selten im Unterricht besucht. Viele in der Oberstufe beklagten die Langeweile und die Zeitverschwendung. Und das würde nicht wieder geschehen, wenn man jetzt zu G 9 zurückkehrte? Ich kann das nicht glauben. Werden junge Erwachsene reifer, wenn sie in die Schule gehen? Dafür gibt es keinen Nachweis. Reifeprozesse haben mit persönlichen Erlebnissen und Herausforderungen zu tun und nicht mit der Erfüllung der Schulbesuchspflicht. Ich habe es schon mal gesagt: Wenn Abiturienten nach G 8 nicht reif sind, dann sind es auch die Realschüler nach der zehnten Klasse nicht. Sie werden dennoch gnadenlos in die Berufswelt geschickt. Als Unreife. Ist das nicht verantwortungslos? Es leiden durch G 8 angeblich die musikalischen und sportlichen Aktivitäten. Wenn das so ist, dann ist es die Folge des Systemversagens der Schule und der freien Anbieter. Man könnte sich ja absprechen. Und PISA? Es prüft keine Abiturienten, sondern 15-Jährige. Wenn die zu wenig können, dann ändert sich das auch nicht, wenn sie mit 20 immer noch in die Schule gehen.

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Nachlassende Schulleistungen

Die Macher der PISA-Studie haben es uns mal wieder gegeben: Unsere Neuntklässler sind allenfalls guter Durchschnitt. Es ist allerdings nicht so, dass die Zeitungszeile „Viele Schüler lesen schlechter“ die Sache träfe. Nicht die damals, vor drei Jahren, getesteten Schüler (und auch etliche Schülerinnen) lesen heute schlechter, sondern jene, die drei Jahre später von PISA unter die Lupe genommen wurden. Das sind andere, liebe Zeitung. Warum ist das so? Manche machen es sich einfach. So sagt ein „Didakt“ (SWR 2 – der Kultursender) für Mathematik, dass die PISA-Studie schuld sei an den schlechteren Leistungen im Rechnen. Denn man stelle dort die falschen Aufgaben. Das Argument kennen wir aus den 1990er-Jahren. Damals waren wir alle überzeugt, das deutsche Schulsystem sei das weltbeste. Wenn jemand etwas anderes behaupte, dann habe er die falschen Maßstäbe und das falsche Verständnis von Bildung. Beim Lesen könnte man sich folgendes Argument vorstellen: Statt zu prüfen, ob ein 15-Jähriger einen Alltagstext verstanden hat, sollte man ihn besser nach dem Verständnis einer schillerschen Ballade fragen oder ihn die Problemlage eines Jugendbuchs beschreiben lassen. Da gehörte er dieser junge Mensch sicher weltweit zu den Besten. Oder wenn man es noch einfacher haben will: Wir wären ganz gewiss exzellent, wenn wir nicht so viele Migranten hätten. Häckerlings weitergehender Vorschlag: Wir sollten beim Lesen nur noch Mädchen ohne Migrationshintergrund in den PISA-Test schicken und bei der Mathematik die Jungen mit deutschen Vorfahren. Dann wären wir unerreichbare Spitze. Oder etwa nicht?

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Vera

An den Ergebnissen der internationalen Vergleichsstudie PISA konnte man noch herummäkeln, weil sie ein „falsches“ (als nicht das deutsche) Bildungskonzept vertrete. Da ließ sich von der Illusion leben, bei anderer Fragestellung würde man besser abschneiden. Diese Argumentation klappt bei VERA (dem Kürzel für „Vergleichsarbeit“) nicht. Der Test ist hausgemacht und eine rein deutsche Angelegenheit. Wer dort schlecht abschneidet, ist „schlecht“ – will sagen: die Schülerinnen und Schüler sind nur zum Teil in der Lage, das dort geforderte Niveau zu erreichen. Die Kultusministerin von BW muss nun zugeben, dass genau das für die Drittklässler des Landes zutrifft. Ein Drittel erreicht laut VERA 3 die Mindestanforderungen nicht, ein weiteres Drittel gerade mal so. Das dritte (oder nennen wir es lieber das erste) Drittel schafft das, was man von einem Kind der dritten Klasse schulisch erwarten darf. Das Ergebnis bestätigt, was man schon länger ahnte und auch von der Qualitätsstudie des IQB (Institut für Qualität im Bildungswesen) schon weiß: Baden-Württembergs Schüler sind auf Leistungstalfahrt. Was tun? Die Ministerin will die Stunden für den Fremdsprachenunterricht der Klassen 1 und 2 künftig für Deutsch und Mathematik verwenden. Das wird nicht reichen. Die Menge des Unterrichts ist selten das Problem, es geht um dessen Qualität. Die aber hängt von der Qualität der Lehrerausbildung ab. Man muss es mal aussprechen: Offenbar haben die Pädagogischen Hochschulen nicht das geleistet, was man von ihnen erwarten muss. Auch sie sollten mal in sich gehen und nicht immer nur in Richtung gymnasialer Lehrerausbildung expandieren wollen. Immerhin haben laut der VERA-8-Untersuchung im letzten Jahr neun von zehn Gymnasiasten das Ziel erreicht.