Kategorien
Gesellschaft Politik Sprache

Verwurstelte Sprache

Statt dass es sich um die wesentlichen Fragen der Zeit kümmert, ergeht sich das Europa-Parlament in semantischen Verrenkungen, offenbar angetrieben von der Lobby der Landwirte und des Fleischerhandwerks. Darf eine Wurst diesen Namen tragen, auch wenn nichts Geschlachtetes in ihr ist? Darf ein Schnitzel so heißen, wenn es mit anderen Rohstoffen geformt wurde als den Resten eines tierischen Leichnams? Oder ist ein Burger nur dann einer, wenn er Fleisch enthält? Bisher konnte man im Supermarkt an der sprachlichen Zugabe „vegetarisch“ erkennen, dass ein Produkt frei von tierischen Beimengungen ist. Wer nicht völlig blind durch die Regalreihen schritt, war in der Lage, die Fleischtheke von der Nicht-Fleischtheke zu unterscheiden. Aber offenbar halten die Abgeordneten in Brüssel die Menschen für blöd. Das Wort „Wurst“ ist sehr alt und drückt aus, dass man etwas in etwas hineindreht. Es gibt Menschen, die wursteln sich durchs Leben, ohne eine Wurst zu essen. Es gibt Hanswurste, vielleicht sogar im Europaparlament, die kaspern herum. Wenn mir etwas wurst ist, dann habe ich keine Wurst in der Hand, sondern verhalte mich gegenüber etwas gleichgültig. Die Benennung von Würsten ist mir nicht wurst. Ich will mir nicht vorschreiben lassen, dass ich nur als Fleischesser Würste konsumieren darf. Ich beharre auf der fleischlosen Wurst, denn das Wort verrät mir, welche Form das Nahrungsmittel hat, dass es nämlich irgendwie „verwurstet“ wurde. Dass ein Schnitzel nicht aus Holzschnitzeln, zum Beispiel Sägemehl, besteht, sondern entweder aus einem Tier herausgeschnitten wurde oder aus einem Tofustück, das weiß vermutlich jeder mündige Einkaufende. Und die unmündigen? Die sollen sich erkundigen.

Kategorien
Medien Schule

Orthografische Satire

Die Stuttgarter Zeitung pflegt auf Seite 3 die Satire. „Unten rechts“ macht sie sich täglich über etwas lustig. Am 23. Januar war es die „Sprachrichtigkeit“. Ein Achtklässler, des Satirikers Sohn vielleicht, wurde bei einer Klassenarbeit gewarnt, dass „Verstöße“ gegen sie, die Sprachrichtigkeit, also gegen die Regeln der Rechtschreibung, der Grammatik, des Satzbaus und der klaren Ausdrucksweise, „zu einer Verschlechterung der Note“ führen könne. Der Satiriker regt sich zunächst über den Ausdruck „Sprachrichtigkeit“ auf, den er offenbar bisher nicht gekannt hat. Dann muss er allerdings zugeben, dass man ihn bei Google findet. Was er an diesem Wort nicht versteht, versteht Häckerling nicht. Zugegeben, es ist kein schöner Ausdruck, nur die kompakte Version von „richtige Verwendung der Sprache“, aber immerhin: er ist kurz. Dann steigert sich die Satire: Dieses Substantiv finde sich gewiss nicht in „Marvel-Heftchen, Deutschrap-Texten und Whatsapp-Gruppen“. Das mag sein. Nicht in diesen Texten, zugegeben, aber in der Schule geht es um „Sprachrichtigkeit“. Man soll dort Richtiges und nicht Falsches lernen und es üben. Marvel-Heftchen dürften mit dieser Aufgabe überfordert sein. Wie auch der Satiriker auf Seite 3 rechts unten. Der hängt am Schluss seine Bildung heraus und behauptet, „der Dichter“ Hölderlin habe den Satz geprägt „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir.“ Hat er aber nicht. Der steht bei Seneca, und zwar in der Version, dass wir nicht fürs Leben, sondern für die Schule lernen. Lassen wir mal offen, ob Seneca heute es auch so sagen würde und die Schule tatsächlich das Falsche vermittelt. Aber Sprachrichtigkeit dort zu lernen ist nicht falsch. Es geschieht nämlich nicht, um im „germanistischen Proseminar“ zu bestehen, wie der Satiriker meint, sondern damit die jungen Leute nicht sprachlich hilflos durch den späteren beruflichen Alltag taumeln.

Kategorien
Politik

Benannte Gesetze

Mit dem „Gute-Kitas-Gesetz“ hat es angefangen, mit dem „Starke-Familien-Gesetz“ ging es weiter, der Trend zur verständlichen Benennung von Gesetzen ist unverkennbar. Derlei Bezeichnungen haben den großen Vorteil, dass sie ausdrücken, was das Gesetz zu erreichen vorgibt, aber in der Regel nicht schafft. Diese Gesetze werden keine guten Kitas und starke Familien schaffen, sondern allenfalls ein Zwischenschritt auf dem Weg dahin sein. Die Gesetzesnamen suggerieren also, was sie in Wirklichkeit nicht leisten. Sie sind Propaganda und damit Teil des permanenten Wahlkampfs. Die Regierung von Baden-Württemberg könnte diese Möglichkeiten auch nutzen. Wie wäre es mit einem „Gute-Schulen-Gesetz“ oder einer „Erfolgreicher-Unterricht-Verordnung“. Dann hätte man wenigstens mit der Benennung das Ziel erreicht, das tatsächlich noch weit entfernt ist. Denkbar wäre auch ein „Kein-Unterrichtsausfall-Gesetz“ oder eine „Digitalisierte-Schule-Initiative“. Häckerling fragt sich, warum unser Land nicht auf diese sprachliche Möglichkeit zurückgreift. Die Idee, an die Stelle erfolgreicher Politik erfolgreiche Propaganda zu setzen, ist uralt. Schon immer haben Politiker mit sprachlichen Mitteln versucht, ihr Versagen zu kaschieren. Treffende Bezeichnungen könnten das Land wieder in die Erfolgsspur bringen. Frau von der Leyen soll bereits an einem „Schlagkräftige-Bundeswehr-Gesetz“ arbeiten und der Finanzminister an einem „Bürgerfreundliche-Steuerentlastung-Gesetz“, im Verkehrsministerium liegt der Entwurf für das „Staufreie-Straßen-Gesetz“ und im Innenministerium das „Integrierte-Migranten-Gesetz“. Die Welt wird besser mit jedem Tag, wenigstens die Welt der Gesetzesnamen.