Der Satz, dass die Rente sicher sei, den wir Norbert Blüm verdanken, feiert derzeit fröhliche Urständ. Nicht, dass jemand den älteren Menschen, die Jahrzehnte gearbeitet haben und nun ihre restliche Lebenszeit als Arbeitslose verbringen, die Rente wegnehmen will, nein, es geht um jene, die in sieben, acht oder neun Jahren Rentner werden. Auch sie sollen natürlich ihr monatliches Altersgeld bekommen. Es ist nur die Frage: Wie viel? Das hängt mit der Mathematik zusammen. Wenn immer weniger Berufstätige immer mehr nicht mehr Berufstätigen die Rente finanzieren müssen, dann gibt es fünf Möglichkeiten: Entweder man spart zusätzlich fürs Alter oder die Rente beginnt später oder sie sinkt oder es steigen die Beiträge der Nicht-Rentner oder der Stadt schießt das fehlende Geld zu. Die fünfte Alternative ist die beliebteste. Schon jetzt fließen jährlich über 120 Milliarden Euro aus dem Staatshaushalt in die Altersversorgung. Man kann das auch noch erhöhen, denn „der Staat hat’s ja“. Er kassiert jeden Monat Geld vom Steuerzahler, also kann er auch die Renten bezahlen. Das Problem ist nur, die Aufgaben des Staates erschöpfen sich nicht in der Finanzierung der Altersversorgung. Man erwartet von ihm auch Geld für die Kranken, die zu Pflegenden, die Kinder und Jugendlichen, ich sage nur „Schule“, die Soldaten (Armee!), die Brücken und Straßen (für Autofahrer), die Kulturschaffenden, die Sportlerinnen und Sportler, die Polizisten, die Asylsuchenden und die Flüchtlinge etc. Das zusammen kostet eine Menge. Da ist es natürlich hilfreich, wenn das Schuldenmachen nicht mehr durch Bremsen behindert wird. Die Rente ist sicher, gewiss, aber sicher ist auch, dass ungebremstes staatliches Geldausgeben in die Krise führt. Schauen wir doch mal nach Frankreich! Dort misslingt die Sanierung des Staatshaushalts, weil die Rente mit 62 sicher sein soll.
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Gemusterte Jugend
Das Verb „mustern“ drückt aus, dass jemand etwas genau ansieht. Wenn die Bundeswehr „mustert“, ist sie auf der Suche nach geeigneten jungen Leuten, die zur Armee passen. Manche der demnächst zur Musterung Anstehenden lehnen es strikt ab, dass der Stadt einen Blick auf sie wirft. Sie deuten das als übergriffige Aktion einer Institution, der so etwas nicht zukommt, als Einschränkung der Freiheit. Daran zeigt sich ein Erfolg langjähriger pädagogischer Bemühungen. Die hat in den Köpfen den Gedanken verankert, dass es die Staatsmacht das Böse schlechthin ist. Gerne zählt man auch die Polizei, die Feuerwehr und das Rote Kreuz dazu. Wahrscheinlich werden wir demnächst Musterprozesse erleben, die zu klären haben, ob es „mit dem Grundgesetz“ vereinbar ist, dass der Stadt einen Menschen mustert und dabei sogar Daten über seine Gesundheit speichert. Insofern ist mit einem Inkrafttreten der neuen Wehrpflicht mutmaßlich nicht vor 2030 zu rechnen. Schließlich müssen die Verfahren durch alle Instanzen. Und warum das Ganze? Warum lässt der Staat die Jugend nicht in Ruhe? Nur wegen einer angeblichen militärischen Bedrohung. Die ist aber, wie kluge Leute zu wissen meinen, unsere eigene Schuld. Hätten wir nicht Staaten wie Polen oder Litauen in die NATO aufgenommen, hätte Russland nicht die Ukraine angreifen müssen. Will der Staat mich allen Ernstes gegen Russland Krieg führen lassen, wo wir das doch schon einmal erfolglos getan haben? Wir brauchen keine Armee, denken manche, wir brauchen nur bessere Diplomaten. Hätten wir die, wäre längst Ruhe im Osten und wir könnten uns weiter den Freuden des Konsums hingeben. Dann hätten wir auch wieder billige Energie von Russland. Wer steckt also hinter der Musterung? Natürlich die Kapitalisten, die mit dem Verkauf von militärischem Gerät ein Schweinegeld verdienen. Diese Ausbeutung möchten manche nicht unterstützen. Der Staatsmacht, dünkt Häckerling, stehen schwere Zeiten bevor.
Verwurstelte Sprache
Statt dass es sich um die wesentlichen Fragen der Zeit kümmert, ergeht sich das Europa-Parlament in semantischen Verrenkungen, offenbar angetrieben von der Lobby der Landwirte und des Fleischerhandwerks. Darf eine Wurst diesen Namen tragen, auch wenn nichts Geschlachtetes in ihr ist? Darf ein Schnitzel so heißen, wenn es mit anderen Rohstoffen geformt wurde als den Resten eines tierischen Leichnams? Oder ist ein Burger nur dann einer, wenn er Fleisch enthält? Bisher konnte man im Supermarkt an der sprachlichen Zugabe „vegetarisch“ erkennen, dass ein Produkt frei von tierischen Beimengungen ist. Wer nicht völlig blind durch die Regalreihen schritt, war in der Lage, die Fleischtheke von der Nicht-Fleischtheke zu unterscheiden. Aber offenbar halten die Abgeordneten in Brüssel die Menschen für blöd. Das Wort „Wurst“ ist sehr alt und drückt aus, dass man etwas in etwas hineindreht. Es gibt Menschen, die wursteln sich durchs Leben, ohne eine Wurst zu essen. Es gibt Hanswurste, vielleicht sogar im Europaparlament, die kaspern herum. Wenn mir etwas wurst ist, dann habe ich keine Wurst in der Hand, sondern verhalte mich gegenüber etwas gleichgültig. Die Benennung von Würsten ist mir nicht wurst. Ich will mir nicht vorschreiben lassen, dass ich nur als Fleischesser Würste konsumieren darf. Ich beharre auf der fleischlosen Wurst, denn das Wort verrät mir, welche Form das Nahrungsmittel hat, dass es nämlich irgendwie „verwurstet“ wurde. Dass ein Schnitzel nicht aus Holzschnitzeln, zum Beispiel Sägemehl, besteht, sondern entweder aus einem Tier herausgeschnitten wurde oder aus einem Tofustück, das weiß vermutlich jeder mündige Einkaufende. Und die unmündigen? Die sollen sich erkundigen.