In diesem Fall sind nicht die anderen schuld, die FDP hat sich in den letzten drei Jahren selbst zerlegt. Warum wurden nach dem verheißungsvollen Start der Ampel-Regierung die Wahlergebnisse immer schlechter? Weil man von Anfang an signalisiert hat: Mit denen zusammen (mit SPD und Grünen) wollen wir eigentlich gar nicht regieren. Die sind uns zu links. Dazu kommt das Beharren auf drei unsinnigen dogmatischen Positionen: Ein Tempolimit kommt mit uns nicht in Frage – warum eigentlich nicht, ist schnelles Fahren ein Grundrecht? Die Steuern dürfen nicht erhöht werden, auch nicht für besonders Vermögende – war es tatsächlich das Ziel der Liberalen, dass die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinanderging? An der Schuldenbremse wird nicht gerüttelt – obwohl eine Reform oder eine genau definierte Lockerung der Bremse manches Problem gelöst hätte. Und dann zum Schluss dieses Ampel-Austritt-Szenario, das an Peinlichkeit nicht zu überbieten ist! Die Parteispitze hat versagt. Das müsste Konsequenzen haben. Der Rücktritt der Verantwortlichen ist überfällig. Wenn die FDP wieder in die Nähe von 5 % kommen will, muss sie einen radikalen Neuanfang wagen. Denn wenn die gescheiterte Führung ihre Plätze nicht räumt, wird der Wähler wissen: Die FDP ist nicht regierungsfähig, weil es ihr möglich ist, mit den anderen demokratischen Parteien zum „Wohle des deutschen Volkes“, wie es Regierungsmitglieder schwören, konstruktiv zusammenzuarbeiten. Bisher meinte Häckerling, das Wesen der Demokratie sei der Kompromiss. Wer in einer Koalition unfähig ist, in internen Verhandlungen Lösungen zu finden, auch wenn man Abstriche an seinen Positionen machen muss, der ist nicht zum Regieren geeignet. Für den Schreiber dieser Zeilen ist es ein wütender und wehmütiger Abschied nach 57 Jahren Mitgliedschaft.
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Großartiges Amerika
Seit dem 6. November wissen wir es: Die Vereinigten Staaten von Amerika sind auf dem Weg zu neuer Größe. Der MAGA-Kandidat – warum heißt er nicht MEGA-Kandidat? – hat eine Mehrzahl der Wähler überzeugt. Wir im alten Europa sehen alt aus. Manche zittern aus Angst vor dem, was uns blühen wird. So wird der Tramp den Import unserer Waren durch Zölle verteuern. Er wird verlangen, dass wir mehr Geld fürs Militär ausgeben. Der Ukraine wird er den Beistand durch Waffen verwehren und wir sollen es ausgleichen, wenn wir meinen, es sei nötig. Er wird aus dem Klimaabkommen aussteigen und sich bemühen, dass die globale Luft mit mehr amerikanischem CO2 angereichert wird. Der Tramp-Erfolg wird die nationalistischen Parteien in Europa beflügeln. Der Ungar Orban reibt sich die Hände. Die italienischen, niederländischen, tschechischen und dänischen Nationalisten wittern Morgenluft. Jüngst haben sich die Rumänen auf den braunen Weg gemacht. Und wir anderen regen uns auf, befürchten das Schlimmste, sehen den Niedergang Europas bzw. dessen Verwandlung in eine Versammlung von Vasallen des neuen großartigen Amerika. Die Folgen: Flüchtlingen werden endlich das Betreten europäischen Bodens unterlassen. Der Klimawandel wird von seinen Leugner mit einfachen Argumenten beseitigt. Aus der Katastrophe wird eine Wetterkapriole, gegen die man sich halt schützen muss: Man kann in heißen Sommern die Klimaanlage einschalten, bei Regen einen Schirm mitnehmen, bei Sturm die Fensterläden gut befestigen und bei schlechter Luft einfach zu Hause bleiben. An Wasser mangelt es hier nicht; wir haben den Bodensee. Wenn dem Staat das Geld ausgeht, soll er sparen. Wer nichts arbeitet, soll sehen, wo er (oder sie) bleibt. Und sollte es weitere Probleme geben: Die großartigen USA werden uns zeigen, wie man sie löst.
Besonnener Wahlkämpfer
Endlich hat er es geschafft. Scholz, der Chef einer gescheiterten Koalition, ist von seiner Partei erneut zum Kanzler-Kandidaten erkoren worden. Es blieb ihr nichts anderes übrig. Aus dem Munde des oft schweigsamen Politikers hören wir in diesen Tagen oft das Wort „Besonnenheit“. Was er damit sagen will? Vermutlich, dass nur er immer klar im Kopf ist. Die anderen sind in seiner Darstellung eher „unbesonnen“, sprich: leichtsinnig und verantwortungslos. Das Wort bezieht sich bei Scholz auf die militärische Hilfe für die von Russland angegriffene Ukraine. In diesem Punkt war er schon immer besonnen oder – klarer ausgedrückt – zögernd. Eigentlich wollte er gar keine Waffen liefern, aber dann gab er dem Druck nach und stellte mit der Zeit immer schwereres militärisches Gerät zur Verfügung. Sein grüner Koalitionspartner Habeck sagt es so: Die Entscheidungen des Kanzlers kamen immer sehr spät, zu spät. Mit dieser Besonnenheit also will Scholz den Sieg über die Merz-CDU davontragen. Die Taktik ist leider sehr durchschaubar. Die SPD wildert in der Klientel von AfD und BSW. Die wollen mit russlandfreundlichen Parolen Stimmen gewinnen. Das will der besonnene Scholz nun offenbar auch. Vielleicht hat er damit sogar Erfolg. Dass dann die Ukraine auf der Strecke bleiben wird, ist ihm vermutlich vor der Wahl egal. Mir scheint, hier wird mit dem schönen Nomen „Besonnenheit“ eine Politik des Appeasement betrieben. Die ist Ende der 1930er-Jahre schon einmal gescheitert. Aber wer mag sich daran noch erinnern?