Sie haben sich ja fast mit Samthandschuhen angefasst, die beiden älteren Herren mit Kanzlerambitionen. Sie waren gut vorbereitet und blieben fast immer bei der Wahrheit. Wahrscheinlich haben sie an den Abend des 23. Februar gedacht und sich vorgestellt, dass sie nun eine Regierung bilden müssen. An Erfahrungen mit Schwarz-Rot herrscht kein Mangel. Unter Merkel gab es die GroKo. Sie regierte geräuschlos, sie ließ die Bürgerinnen und Bürger weitgehend unbehelligt und vermittelte ihnen das Gefühl: Alles läuft gut. So wünschen es sich viele wieder. Wahrscheinlich wird ihr Wunsch erfüllt. Man könnte sich vorstellen, dass einer, Scholz, zunächst den Kanzler mimen darf, weil: Er hat große Erfahrung im Regieren. Dann, in der Mitte der Legislaturperiode, könnte Merz den Kanzler machen und Scholz sich in den verdienten Ruhestand zurückziehen. Dem Wählervolk würde das nach zwei Jahren stillen Regierens gar nicht groß auffallen. Und welche Politik hätten wir von den Rotschwarzen zu erwarten? Die Schuldenbremse wäre so gelockert, dass genügend Geld vorhanden wäre, die marode Infrastruktur zu reparieren, die Bundeswehr ein bisschen schlagkräftiger zu machen, die Renten auf erträglicher Höhe zu halten. Die Ukraine müsste man nicht mehr unterstützen, weil Russland dort inzwischen das Sagen hätte – dem amerikanischen Präsidenten und seinem Deal mit Putin sei Dank. T hat sein Land wieder groß gemacht und Europa klein. Auch Schwarz-Rot hat sich demütig vor ihm verneigt und dafür einen Nachlass bei den Zöllen bekommen. Über das Klima redet keiner mehr. Sonnige Zeiten in rot-schwarzem Licht stehen uns bevor.
Selbst der grüne Kandidat der anstehenden Bundestagswahl nannte das Thema bei einer Podiumsdiskussion an einem Sindelfinger Gymnasium erst in zweiter Linie. Die Schülerinnen und der eine Schüler, die für die Organisation verantwortlich waren, hatten es gar nicht erst auf die Tagesordnung gesetzt. „Sicherheit“ und „Demokratie“ erschienen ihnen wichtiger. Das war bei der letzten Wahl noch anders. Aber seit der Abdankung von Friday for Future und der „letzten Generation“ ist offenbar die Luft raus in Sachen Klimapolitik. Dass 2024 das wärmste Jahr und der Januar 2025 der wärmste Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen waren, lockt offenbar niemand mehr hinter dem mit Gas oder Öl geheizten Ofen hervor. Im Wahlkampf geht es um Migration (raus mit den Ausländern), Wirtschaft (mein Arbeitsplatz muss sicher sein), um Frieden (beendet den leidigen Krieg in der Ukraine) und Sicherheit (mehr Polizisten auf die Straße). Die CDU will das Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energie und speziell die Subventionierung der Wärmepumpe abschaffen und verkauft das als Freiheit und den Verzicht auf Bevormundung. Die SPD bekennt sich zur Klimapolitik, macht aber keine. Ihr ist die Aufhebung der Schuldenbremse wichtiger. AfD und BSW interessieren sich eh nicht dafür und die Liberalen wollen den Rauswurf aus dem Bundestag vermeiden und sind daher ganz still geworden. Häckerling mutmaßt, dass es erst wieder eines Klima-Aufregers bedarf (Hitzewelle mit Hitzetoten, Waldbrände, Überschwemmungen, Einbußen der Landwirtschaft, Krise der Urlaubsindustrie etc.), bis das Thema wieder aufs Tapet kommt. Weitblick ist anders.
Ängstliche Parteien
In der Zeitung steht, dass die Parteien Angst vor dem Wähler hätten. Ist das eine gute Nachricht oder eine bedenkliche? Eigentlich ist es in Ordnung, wenn die Parteien, die „an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken“ (Grundgesetz, Artikel 21), Respekt vor dem Souverän der Demokratie, dem „Volk“, haben, ihm „aufs Maul schauen“ und nicht gegen es regieren wollen. Aber wer ist das Volk? Es ist eine disparate Menge unterschiedlicher Menschen mit den unterschiedlichsten Einstellungen, Meinungen und Wünschen. Eine Partei allein kann dem gar nicht Rechnung tragen. Daher ist im Grundgesetz von „Parteien“ die Rede. Erst in ihrer Vielfalt wird aus der „Mitwirkung“ etwas Sinnvolles. Denn die Parteien müssen, wenn es darum geht, eine Regierung zu bilden, die verschiedenen Positionen zusammenführen und daraus ein Programm für vier Jahre gestalten. Das geht nur mit Kompromissen, also mit Abstrichen von der „reinen Lehre“. Ein Kompromiss hat immer Verlierer, sonst wäre er keiner. Das hat das Wahlvolk offenbar vergessen. Es wünscht sich eine harmonische Regierung, die in aller Stille ihre Arbeit macht. Der Streit um den richtigen Weg wird vom Volk offenbar wenig geschätzt. Das ist betrüblich, weil es auf eine mangelnde Kenntnis der Demokratie schließen lässt. Noch schlimmer ist es, wenn die Parteien gerade deshalb „Angst“ vor dem Volk haben. Anstatt den Bürgern zu sagen, dass es zum Wesenskern der Demokratie gehört, um die beste Entscheidung zu ringen, ja auch zu „streiten“, scheint man angstvoll auf „das Volk“ zu blicken. Lernen müssen also beide: das Volk und die Parteien. Aber Angst ist eine schlechte Voraussetzung fürs Lernen. Die Lehrerinnen und Lehrer wissen das, die Politiker jeden Geschlechts müssten es auch wissen.