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Große Autos

Sindelfingens großes Autowerk könnte nach Jahren steter Ausdehnung wieder ein bisschen schrumpfen. Das Management hat sich verkalkuliert. Man verzichtete großzügig auf den Bau kleinerer Autos, mit denen „nichts“ zu verdienen sei, und setzte auf die Produktion großer Karossen wie der S-Klasse. Die gedachte man im Reich der Mitte gewinnbringend zu verkaufen. Aber die Chinesen verhalten sich nicht so, wie man sich das beim Daimler erträumt hat. Sie verschmähen zunehmend das teure Vehikel. Das sei nur eine vorübergehende Flaute tröstet man sich. Nächstes Jahr werde alles wieder besser. Daher ist auch die nun geplante Reduktion der Produktion (nur eine Schicht statt deren zwei) als eine „vorübergehende“ Maßnahme zu sehen. Lesen die keine Zeitungen? Darin steht, dass man im Fernen Osten auf das E-Auto setze. Das wird dort offenbar vom Staat gefördert oder subventioniert. Kurzum: Ergo fahren die Autos in China elektrisch und sind deutlich billiger als bei uns. Das darf aber nicht sein. Denn dann wird ja der elektrische Mercedes (VW, Audi, Opel) aus deutschen Landen nicht gekauft. Wenn es ihn überhaupt gibt, ist er zu teuer. Billige Autos können wir hier nicht bauen, denn unsere Löhne sind hoch und der Staat subventioniert sie auch nur ganz wenig. Die EU will daher die Einfuhr chinesischer Fahrzeuge durch Zölle verteuern. Aber das wollen Mercedes (VW, Audi, Opel) nicht, denn dann würde China ihre Autos auch mit Zöllen belegen und dann würden die dort noch teurer und noch weniger gekauft. Ein echtes Dilemma: Die deutschen Autos werden in China nicht billiger, weil wir nicht billig produzieren können. Die chinesische E-Autos sollen hier teurer werden, damit die Kunden lieber die teuren deutschen E-Autos kaufen. Aber was, wenn wir nicht so viel Geld anlegen und lieber ein kleineres E-Auto kaufen wollen? Damit kann die Industrie leider nicht dienen – denn an den kleinen Autos ist „nichts“ verdient.

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Geschichte Gesellschaft

Uneiniges Land

Der 3. Oktober lässt sich heuer neblig und ungemütlich an, als wollte auch das Wetter ein bisschen symbolisch sein. Im 35. Jahr des neuen deutschen Staates dräuen Wolken über ihm und mehren sich die trüben Eindrücke. Die Menschen in den östlichen Bundesländer haben sich offenbar anderes erwartet, als sie 1990 der Bundesrepublik „beigetreten“ sind: West-Mark, Reisen, Konsum, Wohlstand, „blühende Landschaften“, manche wohl auch Freiheit. Sie haben anfangs dieses Neue auch genossen. Bald aber wuchs der Frust: über die „Abwicklung“ ihrer oft nicht konkurrenzfähigen Firmen, den Verlust des Arbeitsplatzes, die Arroganz der Westler. Wenn ich Jessy Wellmers Buch „Die neue Entfremdung“ richtig verstanden habe, liegt das größere Versagen bei den Westdeutschen, die unsensibel und rücksichtslos den Osten plattgemacht haben. Eher weniger Schuld gibt die geborene Mecklenburgerin ihren „eigenen“ Landsleuten. Sie sollten nicht so empfindlich sein, sollten mehr die Chancen sehen als die Mängel. Die TV-Journalistin gibt sich große Mühe, uns „den Osten“ begreiflicher zu machen. Das gelingt ihr auch manchmal. Aber auch dieses durchaus lesenswerte Sachbuch schafft es nicht, uns die Denkweise derer „von drüben“ verständlich zu machen: In der DDR war nicht alles schlecht – akzeptiert. Man konnte, wenn man sich anpasste, ganz gut leben – mag sein. Aber warum dieser Rechtsruck, diese verbreitete Ablehnung der Demokratie, dieser Hass auf eine Regierung, die zwar nicht immer glücklich agiert, aber doch Beträchtliches geleistet hat, diese Unterstützung Putins beim Wiederaufbau des russischen Imperiums? Das Problem der Uneinigkeit besteht darin, dass wir im Westen die im Osten nicht richtig verstehen, dass aber auch – wage ich zu ergänzen – die drüben kaum Bereitschaft zeigen, uns Westler zu verstehen. Welche Spuren der DDR-Staat bei denen hinterlassen hat, die es vor der „Wende“ auf sich genommen haben, ihn zu betreten, davon redet niemand. Aber diese Demütigungen kann unsereins nicht vergessen. Verständnis dafür ist nicht zu erwarten.

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Klima Politik

Grünes Wetterleuchten

Was Wahlen so alles bewirken können. Weil die Thüringer, Sachsen und Brandenburger das Kreuzchen bei den Grünen oft verweigert haben, ist der gesamte Vorstand zurückgetreten. Man hat die größte Krise der Partei seit einer Dekade ausgerufen, seit zehn Jahren also. Die in solchen Krisen erfahrenen Liberalen haben derlei noch nicht verlauten lassen. Aber was soll nun geschehen? Sollen die Grünen nicht mehr grün sein, sondern sich bräunliche kleiden? Sollen sie nicht mehr vom Klimawandel und dessen zu bekämpfenden Folgen reden, sondern der Fraktion der Leugner beitreten? Das wäre ihre Selbstaufgabe, der Verlust ihres „Markenkerns“, der Verrat an ihren Zielen. Also kommt das nicht in Frage. Man wirft ihnen vor, sie würden den Menschen vorschreiben, wie sie zu leben hätten. Sollen sie also künftig nicht mehr über emissionsarme Heizungen, über fleischlose Gerichte, den Verzicht auf Flugreisen und die Benutzung des ÖPNV reden? Wer wird uns dann sagen, was wir tun oder besser nicht tun sollen, um die Welt vor den zunehmenden Katastrophen zu retten? Gewiss nicht die Partei, die keine Alternative ist, auch nicht das Bündnis, das eine ehemalige Linke im Namen trägt. Und die Christdemokraten, die alles besser wissen, werden ihre Wähler auch nicht vergraulen wollen, schon gar nicht der von Bayern, der den Genuss einer Weißwurst für ein Bürgerrecht hält. Die Sozialdemokraten werden vielleicht vorschlagen, jedem Bürger das Deutschlandticket zu schenken und vegane Speisen staatlich zu subventionieren. Den Liberalen wird vorschweben, dass die Industrie eine Technik entwickelt, die alles CO2 vom Himmel absaugt und in Wasserstoff umwandelt. Die Krise der Grünen ist unser aller Krise. Das grüne Wetterleuchten kündigt ein klimatisches Donnerwetter an.