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Panamnese

Wenn ich mir aus Anlass dieses 525sten Blogeintrags vor Augen führe, was in den letzten 24 Texten aufgespießt wurde, so muss ich feststellen, dass kaum etwas veraltet ist: Die Tatort-Filme sind immer noch schlecht, die Gemeinschaftsschule steht weiterhin vor einem Problemberg, Volkswagen ist noch längst nicht aus der Krise und der Verfall der deutschen Sprache in den Medien schreitet fort: Dieser Tage musste man im Kultursender SWR2 bei der Ankündigung einer Aufführung der Orff‘schen „carmina burana“ die Betonung „karmína“ (mit langem i) aushalten. Natürlich geht die Welt deswegen nicht unter. Im Vergleich zum Fifa-Skandal, der türkischen Flüchtlingshilfe und Kohls Lob für Orban sind solche Ausspracheprobleme peanuts. Mit der klassischen Banker-Metapher habe ich einen trefflichen Übergang zum neuen Aufreger-Thema gefunden, den PanamaPapers (so die korrekte Schreibung). Mit Trauer konstatiere ich, dass „sie“ uns nun auch noch den Charme des „schönen Panama“ demoliert haben, obwohl ihm mit dem schmückenden Label „Steuerparadies“ ein Rest an Schönheit gelassen wurde. Panama ist offenbar für die große Welt recht attraktiv. Dieser kleine Staat beherbergt eine riesige Zahl an Firmen. Das ist nur möglich, weil die sich mit einem Platz in Briefkastengröße begnügen. Aber wer sind „sie“, wer sind diese Menschen, die sich mit einem so kleinen Unternehmen zufrieden geben? Es seien keine Notleidende, nicht solche, die einen Briefkasten im Sonderangebot erwerben müssen, nein, es seien vor allem Wohlhabende. Von ihnen heißt es, sie wollten sich mit Hilfe ihres panamesischen Briefkastens vor irgendwelchen blöden Kapitalertragssteuern drücken. Aber noch ist nichts bewiesen, noch gilt die Unschuldsvermutung, noch kann es auch sein, dass sie nur zu denen gehören wollen, die im schönen Panama eine Briefkastenfirma besitzen, ansonsten aber brav ihre Steuern zahlen.

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Datenuntaten

Es ist schon beeindruckend, mit welcher Eindeutigkeit das Bundesverfassungsgericht, die Judikative also, am 2.3.10 der Legislative, Regierung, Parlament und auch dem Bundespräsidenten, bescheinigt hat, dass sie ein fehlerhaftes Gesetz beschlossen haben. Die Datenspeicherung auf Vorrat wurde für nichtig erklärt. Die Exekutive hat nunmehr alle auf der Grundlage dieses nichtigen Gesetzes angesammelten Daten zu löschen. Wird sie es tun? Und wer wird prüfen, ob sie es getan hat?

Wenn unser Staat künftig Daten von Bürgern haben will, muss er strenge Auflagen beachten, zum Beispiel die Aspekte der Zweckgebundenheit, Verhältnismäßigkeit und Sicherheit. Man könnte sich über die Schlamperei beim Verfertigen von Gesetzen aufregen. Häckerling zieht es vor, sich über das Funktionieren des Systems der Gewaltenteilung zu freuen.

Vor dem Hintergrund dieser den Bürger vor unberechtigter staatlicher Ausspähung schützenden Entscheidung fragt man sich ganz nebenbei, ob der in Schwung gekommene Handel mit geklauten Daten über Personen, die mutmaßlich ein Steuervergehen begangen haben, rechtlich gesehen so unbedenklich ist, wie viele das meinen. Sammelt nicht auch hier der Staat Daten? Nein, er sammelt sie nicht einmal, er kauft sie von cleveren Informatikern, die in die Systeme Schweizer Banken eingedrungen sind und sie dort geholt haben. Genügt es zu sagen, dem Staat sei es erlaubt, so zu handeln, weil der Zweck (Steuerstraftaten auszudecken) die Mittel (der Kauf von ausgespähten Daten) heiligt?

Es geht dem Bundesverfassungsgericht nicht darum, Übeltäter zu schützen, aber es macht deutlich, dass die Jagd auf sie nach rechtsstaatlichen Regeln ablaufen muss. Wie wäre es mit einem Gesetz, das dem Staat erlaubt, den Kauf widerrechtlich erlangter Daten rechtlich unbedenklich vorzunehmen?

(Blog-Eintrag Nr. 159)

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Wir sind allzumal Sünder

Auf der Titelseite der Stuttgarter Nachrichten (1.3.10) geben sich die Sünder ein Stelldichein. Da tummeln sich „Steuersünder“ auf einer nicht gekauften CD, und das, der Nichtkauf, ist zugleich der „erste Sündenfall“ des neuen Ministerpräsidenten Mappus. Sagen jene, die gegen ihn sind und für den Kauf. Dabei gibt es eigentlich nur einen Sündenfall in der Bibel, den des ersten Menschen. Adam war neugierig und wollte wissen, was der Genuss der Frucht vom Baum der Erkenntnis bewirken würde. Seine Gefährtin hat ihm offenbar nicht abgeraten, nach der Frucht zu greifen. So mussten beide dafür büßen. Der feine Unterschied allerdings: Adam hat etwas getan, während Mappus etwas unterlassen hat.

Was die Steuersünder auf der CD angeht, so fragt man sich schon, woher alle zu wissen meinen, dass sie tatsächlich welche sind. Sind die Namen schon abgeglichen mit der Liste der Sünder in den Finanzämtern? Und warum nennt man sie „Sünder“? Auch die Verkehrssünder nennt man so. Und diejenigen, die sich gegen die deutsche Sprache vergehen oder versündigen, das sind die Sprachsünder. Offenbar sind wir ein Land voller Sünder. Da wird es in der Tat schwer, jemanden zu finden, der ohne Sünde ist und deshalb den ersten Stein werfen kann.

Einst war ein Sünder, wer gegen ein göttliches Gebot verstoßen hat. Die Sünde betraf sein Verhältnis „zum Herrn“. Der konnte Sünden vergeben, wenn der Sünder bereute. Ein solcher Herr und Gott fehlt bei den Steuer-, Verkehrs- und Sprachsündern. Daher sollte man sich wieder der alten Wörter entsinnen, die da lauten: Übertretung, Vergehen, Straftat, Delikt, Verbrechen. Wer von „Sünden“ redet, überhöht eine Tat ins Religiöse bzw. banalisiert das Religiöse. Wem zum Nutzen? Die Sünden wider die Sprache sind offenbar die lässlichsten.

(Blog-Eintrag Nr. 158)