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Unerforschter Unterricht

Alle bemühen sich, unsere Lehrkräfte gegenüber Tadel zu verteidigen. Pauschalvorwürfe seien falsch, heißt es, die meisten erteilten ein guten, modernen Unterricht und seien aufgeschlossen gegenüber Neuerungen in der Didaktik und auch im Digitalen. Das mag ja so sein, aber woher wissen das die vehementen Apologeten der Lehrerschaft? Macht man sich auf die Suche nach Studien über das Unterrichtsverhalten der Lehrenden, stößt man auf Vera, Pisa und Iglu und auf die Abitur-Ergebnisse. Nicht einmal fundierte Untersuchungen zur Lehrerarbeitszeit gibt es. Das Klassenzimmer ist eine schwarze Box. Wenn man von den Ergebnissen der Abschlussprüfungen auf den Unterricht schließt, muss der vortrefflich sein, denn deren Ergebnisse werden immer besser. Das Problem: Das kann auch daran liegen, dass immer milder bewertet wird. Die Pisa-Ergebnisse dagegen sind dürftig. Heißt das, dass es auch der Unterricht ist? Oder heißt es nur, es wird nicht so unterrichtet, dass die Schülerinnen und Schüler bei Pisa gut abschneiden? Aber wie unterrichten sie dann? Das weiß niemand. Die Schulleiter schauen sich den Unterricht ihrer Kolleginnen und Kollegen im Abstand mehrerer Jahre an und verfassen eine Beurteilung. Werden diese Beurteilungen systematisch ausgewertet? Nein. Sind die Beurteilungen so standardisiert, dass sich daraus fundierte Schüsse über den Unterricht ziehen lassen? Nein. Was wäre dann also zu tun? Es müsste ein Team von Wissenschaftlern beiderlei Geschlechts unangekündigt Unterrichtsbesuche bei einer repräsentativen Gruppe von Lehrenden vornehmen und deren Unterrichtsweise nach festen Kriterien auswerten. Das wird nie stattfinden, weil es die Betroffenen und ihre Verbände werden zu verhindern wissen. Also bleibt es weiter beim pauschalen Tadel oder Lob der Lehrenden.

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Geforderte Lehrkräfte

Der PISA-Spezialist hat den deutschen Lehrerinnen und Lehrern ins Gewissen geredet, genauer gesagt, sie ermutigt, ihre Rolle als Lehrende besser wahrzunehmen. Denn an den Lehrkräften liege es in erster Linie, ob sich der Unterricht in Deutschland verbessert. Sie sollten ihre Chancen sehen und nutzen und nicht nur beklagen, dass sie keine hätten. Sie seien nicht bloß die ausführenden Organe der Schulverwaltung und verpflichtet, deren Vorgaben zu erfüllen, sondern in erster Linie die Partner der Schülerinnen und Schülern. Die hätten ein Recht auf einen guten, lebendigen, kreativen und wirkungsvollen Unterricht. Nicht die punktgenaue Umsetzung des Bildungsplans ist gefragt, sondern die Entwicklung von Unterrichtsverfahren, die den Kindern entgegenkommen und sie dort abholen, wo sie stehen. Die Lehrkräfte sind Helfer und Begleiter beim Verstehen. Sie tragen dazu bei, dass die Schüler zu selbstständigen und eigenverantwortlichen Lernern werden.  Sie regen sie zum Denken an und nicht zum bloßen Reproduzieren von unverstandenem Auswendiggelerntem. Das in etwa ist das Ziel des Unterrichts. Es wird viel Mühe kosten, es zu erreichen. Denn jedes Kind steht als Lerner woanders. Es „abzuholen“ wird schwierig, weil man erst einmal herausbringen muss, an welcher Haltestelle es wartet. Dazu bedarf es effektiver diagnostischer Werkzeuge. Wenn geklärt ist, woran es fehlt, sind die passenden Lern- und Übungsmaterialien zu finden. Die müssen anregungsreich sein und passend eingesetzt werden. Wie schafft man diesen individualisierten Unterricht? Indem man die Individuen zu Lerngruppen bündelt, die Teile des Lern- und Erkenntnisweges ohne Hilfe von außen gehen können. Dazu müssen sie befähigt werden, sich aus dem Fundus des Lernmaterials das ihnen gemäße herauszuholen und zu bearbeiten. Sie müssen ihren Lernprozess eigenverantwortlich organisieren, natürlich unterstützt von den Lehrenden. Von denen ist Flexibilität gefordert. Sie brauchen eine rasche, fluktuierende Auffassungsgabe: Was für Übungsmaterial braucht Gruppe 1? Worauf sollte ich Gruppe 2 hinweisen? Warum stagniert Gruppe 3? Warum findet Gruppe 4 nicht zu einem Arbeitsmodus? Gute Lehrkräfte stehen nicht vor der Klasse, sondern agieren in ihr.

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Umstrittener Regelbetrieb

Endlich haben die rot-schwarzen Koalitionäre ein Thema gefunden, über das sie sich publikumswirksam streiten können. Kann nach den Sommerferien an den Schulen wieder der „Regelbetrieb“ losgehen, wie es die KMK vereinbart hat und wie es die Ministerin E. beteuert, oder ist das wenig wahrscheinlich, wie der Ministerpräsident K. mutmaßt? Diese Differenz zwischen den Aussagen der beiden Wahlkämpfer ist gar keine. K. ist skeptisch, weil über 20 % der Lehrkräfte fehlten, sie seien „vulnerabel“, also verletzlich oder gefährdet, wenn das Virus sie erwischt. E. ist optimistisch, muss aber einräumen, dass es wegen der fehlenden Lehrkräfte nicht ohne Einschränkungen gehen werde. Ein Streit um des Kaisers Bart. Oder, um es paradox auszudrücken: Wir werden im Herbst an den Schulen einen ungeregelten Regelbetrieb haben. Der müsste allerdings klug geregelt werden. Die Vulnerablen sind ja nicht krank, sondern nur schützenswert, wie wir alle eigentlich. Sie können arbeiten, in der Schule unter Einhaltung der Hygieneregeln oder zu Hause am Bildschirm. Steht ihre Stunde an, so Häckerlings Vorstellung, werden sie „zugeschaltet“. Falls das von einem Nebenraum des Schulhauses aus geschieht, einem Studio sozusagen, wäre das fast wie normaler Unterricht. Ob die Klasse eine zusätzliche Aufsicht braucht oder ob Videoüberwachung ausreicht, müsste von Fall zu Fall entschieden werden. Man könnte eine Hoffnung haben: dass die Schützenswerten dann doch lieber ins Klassenzimmer gehen, wenn ihnen die Videoauftritte zu lästig sind. Oder werden sie nur darüber jammern, was man ihnen zumutet? Sorry, aber ich sehe in den Geschäften, den Lokalen und auf den Flughäfen viele, die mir ziemlich vulnerabel vorkommen. Warum sollte man sie nicht im Unterricht sehen?