Es ist keine reine Freude, die Schulpolitik des Landes Baden-Württemberg zu betrachten. Nach offenbar gewaltigen Anstrengungen in den Räumen des Schlosses, von dem aus die Bildung des Landes gesteuert wird, kam ein Plan für ein neues neunjähriges Gymnasium zustande. Der war offenbar so schlecht, dass er mehrfach korrigiert werden musste. Warum G 9 wieder eingeführt werden soll, hat bisher noch kein Verantwortlicher schlüssig begründet. Ist es ein Gebot der Natur, dass Kinder bis weit in ihre Volljährigkeit beschult werden müssen? Gibt es so viele unverzichtbare Bildungsinhalte, die in acht Gymnasialjahren nicht untergebracht werden können? Müssen die Kinder und Jugendlichen bis ins Wahlalter von konservativen und progressiven Lehrkräften betreut werden, weil sie sonst nicht den rechten (oder linken) Weg ins Leben finden? Hat das Land so viel Geld übrig, dass es ein weiteres Schuljahr ohne Probleme finanzieren kann? Will man mit G 9 vom eigentlichen Problem ablenken, der mangelnden Sprachkompetenz der Grundschüler? Die haben erneut bewiesen, dass sie (auch wegen ihrer Sprachprobleme) in Mathematik nur wenige Aufgaben lösen können. Die hat ein kundiges Institut erarbeitet und als Voraussetzung für den Besuch des Gymnasiums erachtet. Gerade 6 % der Viertklässler haben den Test mit dem schönen Namen Kompass bestanden. Sie sind die Gymnasialen unter den Grundschülern. Und wo sollen die andern hin? Wohlweislich hat man darauf, verzichtet einen Kompass für die Realschule zu produzieren. Statt sich Gedanken zu machen, wie die Kinder in Deutsch und Mathematik besser werden, hat das Ministerium den Test schleunigst storniert. Denn wir haben ja G 9. Da ist genügend Zeit, alles in den Klassen 1 bis 4 Versäumte nachzuholen.
Schlagwort: Baden-Württemberg
Routiniertes Holpern
Die Nachrichtenlage im Südwesten ist geprägt von Nachrichten über Holprigkeiten. Der Start in den Online-Unterricht sei holprig gewesen wird in Leitartikeln getextet. Dass derlei noch eine Meldung wert ist, wundert Häckerling. Holpert doch die Digitalisierung der Schulen schon längere Zeit. Wie man hört, war man im KM überrascht, dass am gestrigen Montagmorgen so viele Schulen und Schüler*innen ihre Rechner eingeschaltet haben. Zur Erinnerung: Das war von der Schulverwaltung selbst so angeordnet. Aber offenbar haben die IT-Techniker im Hause (oder wo sie auch sind) es zu spät erfahren. Heute wird alles gut gelingen. Die Kapazität des Moodle-Systems wurde erhöht. Auch der Impfstart verläuft im Ländle holprig. Es wird zu wenig geimpft. Im Kreis Böblingen verschiebt man den Start der Aktion von einer Woche auf die andere. Wie man hört, haben die Mecklenburger Vorpommern mehr Vaccine „verimpft“ – ein neues Verb, das mein Computer erst lernen muss. Die Erklärung dieses Phänomens (des holprigen Impfstarts) ist schwieriger. Liegt es daran, dass das Land im Norden eben ist und die neuen Autobahnen den Impftransportern ein rascheres Vorankommen erlauben? Oder haben sie einfach eine bessere Organisation? Der private Zuganbieter Abellio holpert schon seit eineinhalb Jahren auf den Gleisen. Sein Fehler: Er hat bei Bombardier neue Züge bestellt. Aber die werden nicht geliefert. Häckerling wundert sich, dass man mit dieser Lieferung überhaupt rechnet. Besagte Firma ist doch bekannt für ihre Unfähigkeit beim Bau von Eisenbahnzügen. Vielleicht sollten sie Masken für Mund- und Nasenschutz herstellen.
Digitaler Offenbarungseid
Das Land Baden-Württemberg will in der Digitalisierung führend werden, habe ich heute Morgen gelesen. Man wolle sich an Estland orientieren, wo die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte tatsächlich gelungen zu sein scheint, während sie hierzulande noch vor sich hin kränkelt. Die Esten können, heißt es, ihre Steuererklärung in wenigen Minuten erledigen. Nun haben die Schwaben erkannt, dass sie von den Balten etwas lernen können. Sie müssen allerdings sehr viel ihnen lernen. Denn in den Stuttgarter Nachrichtenzeitungen, ich nenne sie so, weil ihre Inhalte sich mehr und mehr gleichen, steht auch die betrübliche Information, dass „Ella“ am Ende ist. Dabei handelt es sich um eine verzweifelte Abiturientin, sondern um eine elektronische Plattform mit Material für den Unterricht. Seit Jahren wurde daran gearbeitet. Nun hat ein Gutachter festgestellt: das Ganze taugt nichts. Die Ministerin Eisenmann wird das Projekt stoppen müssen – wie schon das andere, mit dem man die Fehlzeiten der Lehrer erfassen wollte. Bei diesem Programm sind bereits 24 Millionen Euro in den schwäbischen Sand gesetzt worden. Wir werden also tatsächlich führend sein, und zwar in der Nichtverwirklichung der Digitalisierung. Die Schüler wird man weiter mit Arbeitsblättern aus Papier zuschütten (zur Freude der Kopierautomatenindustrie) und die Fehlzeiten der Lehrkräfte werden auch künftig ein großes Geheimnis bleiben. Eigentlich ist es kein Wunder, dass es am Digitalen hapert. Wo sollen die Programmierer von morgen herkommen, wenn der Informatik-Unterricht im Land von gestern ist?