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Die Kirchen und ihre Mitglieder

Zu den gerne gepflegten Irrtümern über die Kirchen gehört die Meinung, ihre Administration sei wichtiger als das gemeine Kirchenvolk. Das Gegenteil ist richtig, wenigstens sehe ich das beim Protestantismus so. Dort sind wir alle „Glieder am Leib Christi“, ob wir an dessen Kopf oder als seine Hände und Füße wirken.

Derzeit häufen sich die Meldungen, dass die Köpfe zwar da sind, aber Füße und Hände abhanden kommen. In Mecklenburg-Vorpommern sind gerade mal noch 15% der Bevölkerung offizielle Kirchenmitglieder, notabene Evangelische und Katholische zusammengerechnet. Dort ist man schon dabei, den Kirchenkopf verkleinern, indem man einzelne Kirchen zusammenschließt.

In Stuttgart, so war jüngst (30.7.12) in den Stuttgarter Nachrichten zu lesen, hat der Gottesdienstbesuch bei den Protestanten in den letzten Jahren ziemlich nachgelassen. Man gibt sich in kirchlichen Kreisen besorgt und macht sich sogar schon Gedanken, ob es am Gottesdienst oder gar an der Predigt liegt. In der Tat, daran liegt es auch. Die wunderschöne mittelalterliche Form der „Vorlesung“ hat Akzeptanzprobleme. Ist sie gut, sind viele mit 20 Minuten konzentrierter Aufmerksamkeit überfordert, ist sie schlecht, schaltet man ab und hängt seinen eigenen Gedanken nach.

Ein Nachdenken über diese Form der religiösen Unterweisung wäre wünschenswert. Die Erwachsenenbildung hat bekanntlich seit dem Mittelalter einige Fortschritte gemacht. Allerdings habe ich wenig Hoffnung, dass sich etwas ändert. Ein Mitglied des Kirchenkopfs beeilte sich mit der Feststellung, die althergebrachte (und wie er meint: bewährte) Form der Predigt werde auch noch in vierzig Jahren vorhanden sein. Er meint das tatsächlich nicht ironisch, sondern in vollem Ernst. Die Erneuerung einer Kirche sieht anders aus. Von den Köpfen dürfen wir da offensichtlich nichts erwarten.

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Die Villa Reitzenstein und die Bürger

Die Villa Reitzenstein im Osten Stuttgarts ist ein schönes Anwesen in Halbhöhenlage. Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts erbaute, geräumige Villa liegt in einem mustergültig gepflegten Park und ist das Zentrum der politischen Macht Baden-Württembergs. Dass wir Bürger es uns mal ansehen durften, ist eine freundlichen Geste, für die wir dem Ministerpräsidenten unseren Dank abstatten. Man kann schon einiges sehen: Flure, wo man die Vorgänger Kretschmanns an den Wänden bewundern kann (außer Oettinger und Mappus natürlich), Räume, wo sich die Berühmtheiten dieser Welt ein Stelldichein geben, Säle, in denen gut gespeist und klug geredet wird, den Arbeitsplatz des MP und natürlich den Kabinettsaal, wo am Dienstagmorgen die Ministerrunde tagt, um die grün-rote Politik auf den Weg zu bringen.

Es war viel Personal aufgeboten an diesem 21. Juli 1012, einem Samstag, der kühl und regnerisch war. Doch der Rundgang, den man liebevoll ausgezeichnet hatte, entpuppte sich bald als Menschenfalle. Es ging und ging nicht weiter. Man durfte lange stehen und sich an den Konterfeis von Reinhold Maier, Ernst Filbinger und Erwin Teufel sattsehen. Woran lag es? An den Ministern. Die gaben einer eher kleinen Gruppe im Kabinettsaal brav Auskunft, während sich unten die Massen stauten. Wahrscheinlich hat man sich nicht getraut, den Damen Öney und Krebs und dem Herrn Hermann zu sagen, dass sie die Bürger unangemessen lange warten ließen.

Man habe nicht mit einem solchen Andrang gerechnet, sagte ein sichtlich gestresster Aufsichtsmann. Wie bescheiden diese Regierung ist! Beim Verlassen der Villa gab es einen Wolkenbruch. 50 in der Warteschlange stehende Bürger wurden ziemlich nass. Im Foyer wäre noch reichlich Platz zum Anstehen gewesen.

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Die Zeitung und ihr Lehrerbild

Auf der dritten Seite, also an herausgehobener Stelle, machen uns die Stuttgarter Nachrichten (am 18.7.12) mit der Botschaft bekannt, das „das Land“ (Baden-Württemberg), „neue Lehrer“ wolle. Zwei Fotos garnieren den langen Text: eine Tafel mit Allensbach-Daten in Balkenform und ein Tisch mit Arbeitsmappe und aufgeschlagenem Schulbuch – Hauptsache ein Bild! Den längsten Balken bekommt mit 78% die Aussage, dass Lehrer einen sicheren Arbeitsplatz hätten, den kürzesten mit 8% die Behauptung, Lehrer hätten „wenig Stress“. Was für Erkenntnisse!

Im Text schüttet Frau Wetzel ein Füllhorn von Plattitüden aus: Lehrer sollten freudig mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und sie individuell fördern. Leider seien sie auf diese Aufgabe nicht vorbereitet. Dann folgt der kernige Satz: „Mit Frontalunterricht allein ist kein Staat mehr zu machen.“ Abgesehen davon, dass es nicht um den Staat, sondern den Unterricht geht, wissen dies alle in den letzten Jahrzehnten ausgebildeten Lehrkräfte. Ohne den ständigen Wechsel der Methode überstehen sie keine Stunde, geschweige denn eine Lehrprobe.

Dann spult der Artikel das neue bzw. alte Vokabular ab: Es gehe nicht mehr um die Vermittlung von Wissen, sondern von Kompetenzen. Daran wird bekanntlich seit dem Bildungsplan 2004 gearbeitet. Lehrer müssten, heißt es dann, „Experten für Lernförderung“ werden – eine Aussage, die von Ignoranz geradezu strotzt: In den „Seminaren für Didaktik und Lehrerbildung“ geht es seit Jahrzehnten um nichts anderes, mit wachsendem Erfolg, wie ich finde.

Eines allerdings muss man einräumen: Weder die Universitäten noch die Pädagogischen Hochschulen haben sich bei dieser Aufgabe mit Ruhm bekleckert. An dieses Defizit erinnert der Artikel der „Nachrichten“ zu Recht.