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Länger oder besser

Der wunderbare Slogan „Länger gemeinsam lernen“ suggeriert in der Tat ein Wunder: Wenn ich die Kinder und Jugendlichen lange in einer Klasse sitzen lasse, werden sie besser gefördert, nachhaltiger integriert und überhaupt bessere Menschen. Heute Abend werden wir sehen, was die Bürger Hamburgs dazu meinen. Im elektronischen „heute-magazin“ stehen dazu (am 18.7.10) ein paar klare Sätze:

Der große Denkfehler in der Debatte: Schulsystem und Schulqualität werden vermischt. Wir bauen unser Schulsystem um – so die Botschaft Landesbildungspolitiker – dadurch werden die Schüler besser. Die bauen unser Schulsystem um – so fürchten die Eltern – dadurch werden die Schüler schlechter. Tatsächlich kann mit dem Schulsystemumbau aber vor allem eines erreicht werden: Das Schulsystem kann gerechter oder ungerechter werden.

Ob die Schulqualität und damit die Leistung der Kinder besser oder schlechter wird, liegt an ganz anderen Faktoren – so zeigen es zumindest die Bildungsvergleiche. Zentral ist etwa die Ausbildung der Lehrer. Das hat die Studie des „Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen“ vor Augen geführt: In Ostdeutschland, wo etwa ein Drittel der Englisch-Lehrer die Sprache nicht studiert hat, schnitten die Schüler auch deutlich schlechter ab als in Westdeutschland.

Auch die Struktur der Lehrpläne ist entscheidend: Schüler müssen lernen, selbständig zu denken. Wer das kann, schneidet bei den Aufgaben der Bildungstests gut ab. Nicht zuletzt ist es wichtig, dass Lehrer ihre Schüler fordern, fördern und motivieren. Es geht also nicht nur um öffentlichkeitswirksamen Systemumbau, sondern um pädagogische Konzepte und um die Frage, wieviel Geld Deutschland bereit ist, in seine Schulen zu investieren.

Pädagogische Konzepte zur Stärkung der Selbstständigkeit sind gefragt. Allerdings meint Häckerling, dass diese zeitlich Vorrang haben sollten. Er bezweifelt, ob ein Systemumbau überhaupt mehr bringt als einen jahrelangen Umbau-Stress. Wer die Struktur der Schulen ändert, der nimmt den Lehrern die Ruhe, die Kraft und die Zeit für die Verbesserung des Unterrichts.  Gebt sie ihnen!

(Blog-Eintrag Nr. 199)

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Abitur oder Reife

Der Erwerb des „Reifezeugnisses“ – oder auch des Abiturs – ist ohne Frage ein Grund zum Feiern. Dabei haben sich in den letzten Jahrzehnten etliche Rituale herausgebildet, deren Vorbereitung die jungen Leute zeitlich meist mehr in Anspruch nimmt als die Prüfung selbst: der Sekt nach der letzten mündlichen Prüfung („Man gönnt sich ja sonst nichts“), ein Autokorso durch die Stadt („Wir sind Weltmeister“), der „Abi-Scherz“ (Unterhaltungsprogramm für die jüngeren Schüler, die sich besonders darüber freuen, dass der Unterricht ausfällt), die Abi-Zeitung (eine Bild-Zeitung, in der auch gerne mit Lehrern „abgerechnet“ wird), das Abi-Denkmal (für die Ewigkeit), die Feier anlässlich der Übergabe des Zeugnisses (hier redet der Chef) und dann noch er Abi-Ball mit einem umfangreichen, manchmal sehr anspruchsvollen Unterhaltungsprogramm.

Feiern nach dem Abitur sind gefährlich. Es wird viel getrunken und trotzdem mit dem Auto gefahren. Und manchmal artet das Ganze aus. Ein Saal, in dem Abiturienten feiern, muss einiges aushalten, und die Anwohner müssen es auch.

Am letzten Wochenende war es sehr warm. Die Abitur-Feier eines renommierten Sindelfinger Gymnasiums fand standesgemäß in der dortigen Stadthalle statt. Die liegt in einer Parkanlage. Als Eltern und Lehrer endlich das Feld geräumt hatten, wurde draußen weitergefeiert, laut und auch deutlich, mit Musik und Geschrei. Den Anwohnern wurde es irgendwann zu viel und sie holten die Polizei.

Der gefiel es verständlicherweise nicht, dass sie mit beleidigenden Bemerkungen und Liedern empfangen wurde, und sie griff dem Vernehmen nach energisch zu. Jetzt wird gegen einige „Festgäste“ ermittelt. Die örtliche Zeitung spricht von einem „traurigen Ende“ dieser „gelungenen“ Veranstaltung. Andere beklagen das „harte Vorgehen“ der Staatsgewalt.

Das Traurige daran ist nach Häckerlings Meinung aber auch, dass wieder einmal deutlich wurde, was ein Abitur nicht oder nicht immer ist: ein Zeichen der Reife.

Und die Schule? Sie kann eigentlich nichts dafür, muss aber trotzdem mit einem Image-Schaden leben. Vielleicht ist das ein Anlass, intensiver darüber nachdenken, wie man dem „Erziehungs- und Bildungsauftrag“ noch erfolgreicher nachkommen könnte.

(Blog-Eintrag Nr. 198)

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Deutsch oder Hochdeutsch

Ob es viel nützt, wenn die baden-württembergische Werbeagentur, offenbar im Auftrag der Landesregierung, der deutschen Fußballmannschaft Erfolg beim Spiel um den dritten Platz wünscht? Wir werden es bald erfahren haben. Und ob es überhaupt sinnvoll ist, diese gewiss nicht ganz billige Anzeige in die Tageszeitungen zu setzen, zu „schalten“, wie man jetzt wohl sagt, das mögen andere, Befugtere entscheiden. Wofür haben wir schließlich eine Opposition? Klar ist, es geht bei der Anzeige gar nicht um den Fußball, es geht um Werbung fürs Ländle. Denn der Bundestrainer kommt aus ihm.

Die Schlagzeile bedient sich einer ausgelutschten Wendung, die ihren Anfang bei „Wir sind Papst“ genommen hat. Diesmal heißt es „Wir sind Trainer“. Sie wäre inhaltlich unsinnig, aber wenigstens grammatisch korrekt, wenn das Substantiv in der Mehrzahl (für Schüler: im Plural) stünde. Leider können wir das nicht erkennen: der Trainer, die Trainer – da gibt es keinen Unterschied. Aber das Wort muss wohl in der Einzahl (im Singular) stehen, in Anlehnung an das päpstliche Muster.

Das ist grammatisch nicht in Ordnung und soll es auch nicht sein. Denn der „Witz“ besteht darin, dass man durch eine „falsche“ Formulierung Aufmerksamkeit erregen will. Diese Idee ist allerdings etwas zwielichtig, wird doch weiter unten in der Anzeige behauptet, wir (in Baden-Württemberg) könnten alles außer Hochdeutsch. Die Anzeige suggeriert leider auch: Wir können nicht einmal das.

Nachtrag: Allen, die Häckerling nun ob seiner Humorlosigkeit tadeln wollen, seien darauf hingewiesen, dass er zwar auch unter der Hitze leidet, aber den Text nicht kämpferisch-hitzig meint, sondern schwäbisch-selbstironisch – das gibt es tatsächlich.

(Blog-Eintrag Nr. 197)