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Die Bayern und die Punkte

Warum sollten wir uns aufregen über diese Tat, die eines cleveren Lehrers würdig wäre? Die machen es nämlich schon immer so, manche wenigstens. Wenn eine Arbeit schlecht auszufallen droht, dann verteilen sie entweder die Punkte großzügiger als ursprünglich geplant oder sie verschieben die Grenze von „ausreichend“ so, dass der Mittelwert gerade noch etwas drüber liegt. Derlei passiert in deutschen Schulklassen schon mal. Und weil es keinen Richter gibt, wo kein Kläger ist, bleibt es ungeahndet.

Also was ist schlimm daran, wenn ein Politiker (in Bayern) Ähnliches macht, wenn er, um ein allzu schlechtes Ergebnis beim G-8-Abitur zu verhindern, die Bedingungen vor dem Abschluss der Prüfung ein bisschen günstiger gestaltet? Wer kommt dabei zu Schaden? Die Schüler gewiss nicht, denn die haben einen Vorteil. Die Eltern freuen sich, dass die Sache Abitur des Sprösslings nochmals glimpflich abgegangen ist. Die Partei (die CSU) bekommt weniger Druck wegen des G-8-Murkses. Und die Lehrer müssen weniger schlechte Nachrichten verkünden, weil manche Schüler es doch noch schaffen. Also eine klassische Win-Win-Situation?

Einen Haken hat das Ganze doch. Was haben künftig Spielregeln bei Prüfungen noch für einen Wert, wenn sie „im Notfall“ geändert und den „Verhältnissen“ angepasst werden? Alle kommenden Jahrgänge beim Abitur werden wissen, dass es ein Netz gibt, das sie fürsorglich auffängt, wenn das Ganze nicht so gut gelaufen ist wie erhofft.

Oder habe ich nur noch nicht verstanden, dass es zum Selbstverständnis von „Vater Staat“ gehört, sich liebevoll um seine Kinder zu kümmern und dabei wenn nötig kleinliche rechtliche Bedenken außer Acht zu lassen?

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Abitur oder Reife

Der Erwerb des „Reifezeugnisses“ – oder auch des Abiturs – ist ohne Frage ein Grund zum Feiern. Dabei haben sich in den letzten Jahrzehnten etliche Rituale herausgebildet, deren Vorbereitung die jungen Leute zeitlich meist mehr in Anspruch nimmt als die Prüfung selbst: der Sekt nach der letzten mündlichen Prüfung („Man gönnt sich ja sonst nichts“), ein Autokorso durch die Stadt („Wir sind Weltmeister“), der „Abi-Scherz“ (Unterhaltungsprogramm für die jüngeren Schüler, die sich besonders darüber freuen, dass der Unterricht ausfällt), die Abi-Zeitung (eine Bild-Zeitung, in der auch gerne mit Lehrern „abgerechnet“ wird), das Abi-Denkmal (für die Ewigkeit), die Feier anlässlich der Übergabe des Zeugnisses (hier redet der Chef) und dann noch er Abi-Ball mit einem umfangreichen, manchmal sehr anspruchsvollen Unterhaltungsprogramm.

Feiern nach dem Abitur sind gefährlich. Es wird viel getrunken und trotzdem mit dem Auto gefahren. Und manchmal artet das Ganze aus. Ein Saal, in dem Abiturienten feiern, muss einiges aushalten, und die Anwohner müssen es auch.

Am letzten Wochenende war es sehr warm. Die Abitur-Feier eines renommierten Sindelfinger Gymnasiums fand standesgemäß in der dortigen Stadthalle statt. Die liegt in einer Parkanlage. Als Eltern und Lehrer endlich das Feld geräumt hatten, wurde draußen weitergefeiert, laut und auch deutlich, mit Musik und Geschrei. Den Anwohnern wurde es irgendwann zu viel und sie holten die Polizei.

Der gefiel es verständlicherweise nicht, dass sie mit beleidigenden Bemerkungen und Liedern empfangen wurde, und sie griff dem Vernehmen nach energisch zu. Jetzt wird gegen einige „Festgäste“ ermittelt. Die örtliche Zeitung spricht von einem „traurigen Ende“ dieser „gelungenen“ Veranstaltung. Andere beklagen das „harte Vorgehen“ der Staatsgewalt.

Das Traurige daran ist nach Häckerlings Meinung aber auch, dass wieder einmal deutlich wurde, was ein Abitur nicht oder nicht immer ist: ein Zeichen der Reife.

Und die Schule? Sie kann eigentlich nichts dafür, muss aber trotzdem mit einem Image-Schaden leben. Vielleicht ist das ein Anlass, intensiver darüber nachdenken, wie man dem „Erziehungs- und Bildungsauftrag“ noch erfolgreicher nachkommen könnte.

(Blog-Eintrag Nr. 198)

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G8 oder G9

Eigentlich hatte man gedacht, die Sache sei endlich ausgestanden. Aber über die Länge der gymnasialen Schulzeit in Baden-Württemberg wird weiter gestritten. Die Landesregierung beharrt auf den acht Jahren, andere (Eltern vor allem) wollen zurück zum neunjährigen Bildungsgang, wieder andere – zum Beispiel der Philologenverband – wollen beides. Als Argument bringt er vor: Nur so sei das Niveau des hiesigen Abiturs gewährleistet.

Nun ist das mit dem Abitur so eine Sache. Die Ergebnisse sind in den letzten Jahren unaufhörlich besser geworden. Inzwischen wird ein Landesdurchschnitt von fast 2,3 erzielt. Das bedeutet „gut minus“. Was will man mehr? Diese Zahl ist allerdings an das neunjährige Gymnasium gekoppelt. Erst 2012 bekommen wir solide Vergleichszahlen für das Abitur nach neun und das mit acht Jahren. Werden sie deutlich differieren oder sich – was zu erwarten ist – kaum unterscheiden? Beide Gruppen schreiben 2012 das Abitur unter den gleichen Bedingungen. Wenn sich der Unterschied von einem Jahr merklich auswirken sollte, müsste man in der Tat neu nachdenken, wenn nicht, warum dann zurück zu G9?

Aber es geht meines Erachtens gar nicht um die Niveaufrage. Wer sich gegen G8 ausspricht, verweist auf die große zeitliche Belastung der Kinder und Jugendlichen und auf den Mangel an Zeit für den Sportverein und die Musikschule. Auch das Jobben nebenher sei nicht mehr so einfach klagen Schüler: wegen der vielen Hausaufgaben und dem ständigen Lernen.

Häckerling ist gegen ein Nebeneinander von G8 und G9. Wann soll das entschieden werden? In der 4., 6., 8. oder 10. Klasse? Von wem? Und nach welchen Gesichtspunkten? Wann soll das zusätzliche Jahr stattfinden? In der Unter- oder der Mittelstufe? Innerhalb der gleichen Schule zwei gymnasiale Gänge zu organisieren wäre viel zu aufwändig, die Schule deshalb wechseln zu müssen ein Unding.

Es wäre deshalb wesentlich einfacher, den Schulen beizustehen, bei denen es knirscht. Sie haben sich vermutlich noch nicht gut auf den achtjährigen Gang eingestellt. Auch ließe sich die Zusammenarbeit zwischen Schulen, Vereinen und Musikschulen noch verbessern.

(Blog-Eintrag Nr. 196)